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Bildquelle: Asanka Schneider (Eiserne-Unioner.de) [], (Bild bearbeitet)
Jedes Mal, wenn es gegen den SV Werder Bremen geht, erinnere ich mich an einen der schönsten Fußball-Tage meines Lebens. Nein, ich bekam nicht die von Bremen-Fans gestiftete Bierspende. Von der bekam ich nichts ab, sie soll aber tatsächlich erfolgt sein, dafür nochmal mein fettes, Eisernes Danke! Immerhin hauten unsere Fußballgötter ja tatsächlich die Fortunen weg und hielten Werder dadurch mit in der Liga.
Selbstverständlich denke ich dabei erst recht nicht an die Pokal-Klatsche 2009 oder die 1:2 Niederlage am 14. September 2019 in der 1. Bundesliga. Letzteres ein Spiel, in dem sich der gestandene Bundesligist nicht zwingend besser, aber doch deutlich abgezockter zeigte als unsere frisch in die 1. Liga aufgestiegenen Fußballgötter. Ich buchte das Ganze unter zu zahlendes Lehrgeld ab.
Ich denke dabei einzig und allein an Samstag, den 8. Februar 2020 - einen Tag, der für alle Mitglieder unserer Reisegruppe sehr, sehr früh begann. Zum 4. Mal ging es im Namen von „Eisern trotz(t) Handicap“ auf Reisen. Mit einem großen Reisebus sowie den Spezial-Transportern der Firma Rehatec für nicht umsetzbare Rollstühle startete unsere Expedition gen Nordwesten. Dieses Mal leider ohne unsere beiden Initiatoren Sascha und Filip, die aufgrund einer Erkrankung beziehungsweise aus fürsorgender Liebe zum Sohn daheimblieben.
Endlich wieder Weihnachten & Geburtstag auf einmal für unsere quirlige Vonnsche, genau wie für viele unserer Eisernen Handicaper. Für etliche von ihnen ist diese gemeinsame Auswärtsfahrt seit Wochen, ja Monaten DAS Ereignis des Jahres. Sie wiederum beschenken ihre Betreuer, oftmals Familienangehörige, genau wie uns Mitmacher von ETH, mit ihrer unbändigen Lebensfreude. Ich wurde an jenem Tag gleich doppelt beschenkt.
Erst einmal ist es auch für mich etwas ganz Besonderes, zusammen mit vielen anderen diese Tour zu rocken. Zum zweiten wand mir Vonnsches Mann Silvio vor der Abfahrt einen langen, selbstgestrickten rot-weißen Schal um den Hals mit den Worten: „Nussi, ick wollt dir mal wat Jutet tun!“ Unsere Umarmung brauchte ich, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Zum Glück ist Silvio ein Hüne – und er hatte noch viel mehr in seiner Tasche: Etliche aus dem ETH-Team beschenkte er derart – ich kriege noch heute eine Gänsehaut, denke ich an jenen Augenblick.
Unheimlich viele Unionvirus-Infizierte sorgten dafür, dass diese stets unvergessene Auswärtsfahrt für gut 60 Handicap-Unionerinnen und Unioner nun schon vier Mal stattfinden konnte. Die Union-Rebellen übernahmen die Patenschaft für den Bremen-Trip, die Eisernen Kubikelfen betreuten uns erneut kulinarisch, mental und überhaupt. Unvergessen unsere Party in den Räumen der Lebenshilfe in Helmstedt. Hier feiern gleichsam positiv Bekloppte das Leben und ihre gemeinsame Fußball-Liebe. Hier lebten wir Union! Dieser Eindruck stammt nicht von mir, sondern von den Mitarbeitern der Lebenshilfe.
Dass Union das Spiel mit 2:0 gewann, war das Sahnehäubchen dieses Tages. Das gleiche Ergebnis erzielten sie, aus Gründen ohne unser aller Unterstützung, auch diese Saison an der Weser. Heute nun stehen die Bremer erneut im Abstiegskampf, wenn sie im leeren Wohnzimmer gegen unsere Mannschaft antreten. Joel Pohjanpalo stürmt voran, hinter ihm Max Kruse und Marcus Ingvartsen. Bremen stellt alles zu. Unsere erarbeiten zwei Ecken, die nichts einbringen.
Auch Ecke Nummer 3 bleibt harmlos. Dann fangen sie einen unserer Angriffe ab – fast ein Konter! Unser Haus verfolgt Unions Spiel getrennt zusammen. Der Nachbar über mir am Radio, ich kieke beim Nachbar unter mir. Wir sehen eine zähe erste Halbzeit. Dann Dauerbeschuss des Bremer Kastens, leider ungefährlich. Bremen gelingt sogar ein echter Torschuss, der erste, nach über 21 Minuten. GEBT KINDERN UND AMATEUREN IHREN SPORT ZURÜCK, vermeldet die Zaunfahne der Ultras, jawollja!
Sie bleibt für mich der Höhepunkt der ersten 45 Minuten, in der uns die Werderaner nicht wirklich in ihren Strafraum lassen. In der 41. greifen sie sogar an! Luthe kommt raus, zum Glück heißt der Gegenspieler nicht Reus und leidet unter akuter Fallsucht. Am Ende eine Bremer Ecke, durchaus gefährlich. Noch gefährlicher allerdings unser Konter, aber auch er samt Ecke bringen keinen Erfolg.
Nach der Pause kommt Musa für Kruse, Union greift an. Freistoß, Ecke, noch eine Ecke! Im Strafraum ein Gewusel, Marvin Friedrich ackert, der Ball kommt zu unserem Finnen – und der haut ihn rein! Kein Torhymnengedudel stört die Erhabenheit dieses Augenblicks, unsere Fäuste prallen gegeneinander, 1:0 Union! Kurz darauf ein langer Ball, wieder auf Pohjanpalo – und wieder zappelt das Netz!
Fast das 3:0, gefolgt vom Bremer Gegenangriff – Luthe hat ihn sicher! Und schon wieder Union über links – schade, Jolle kriegt ihn nicht! Freistoß Union, Robert Andrich drischt den 3. Ball übers Gestänge. Dann Musa allein vorm Tor – schade! Und so ist es wieder an unserem Finnen, das dritte Tor zu erzielen – gerade noch hatten wir darüber geredet, dass er bei uns bisher nicht so zwingend agierte nach seiner Verletzung. Was für Luxusprobleme!
Dann auch mal wieder ein Stückchen „altes“ Union. Angriff Grün, Luthe faustet raus, ist kurz mal nicht Herr seines Strafraums, und irgendwie segelt der Ball ins Tor. Mehr war heute nicht drin für unseren Gegner. Eines Tages spielen wir auch gegen Werder wieder gemeinsam auf Rasen und Rängen! Silvios Schal trage ich, genau wie jenen, den mir Ende der 70er Tante Renate auf der Strickmaschine fertigte, nur zu besonderen Anlässen. Die nächste Fahrt mit Eisern trotz(t) Handicap ist ein solcher, wann auch immer sie wohin auch immer geht. Ich weiß nur: Es wird passieren, Eisern heißt dit!
Wer: Martin Krüger (45)
Wann:26.11.2024