Frank Nussbücker: Eiserne Handicapfahrt nach Bremen mit 3 Punkten im Union-Gepäck

Eisern trotz(t) Handicap auswärts bei Werder Bremen

Bildquelle: Frank Nussbücker [], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Eisern trotz(t) Handicap“ hieß es zum Auswärtsspiel in Bremen. Zum vierten Mal organisierte die von Filip Schnuppe und dem Eisernen Wanderer Sascha Koschitzke ins Leben gerufene Aktion eine Auswärtsfahrt für dieses Mal 46 geistig oder körperlich beeinträchtigte Unionerinnen und Unioner. Wieder einmal hatte das EtH-Team starke Verbündete. Bereits zum zweiten Mal kümmerte kümmerten sich die Eisernen Kubikelfen um das leibliche Wohl der etwa 120köpfigen Reisegruppe. Dieses Mal arbeiteten sie Hand in Hand mit dem EUFC Union Rebellen Berlin.

Wie gut das hinhaute, zeigte sich gleich beim Start am Stadion An der Alten Försterei. Als gegen 6.00 Uhr die ersten Handicaper und Betreuer vor dem Tribünenhaus erschienen, erwartete sie bereits eine reich gedeckte Schrippen-, Kuchen- und Kaffeetafel. Union Rebellen wie Kubikelfen hatten dazu bereits etliche Stunden geackert. Berle und Tini vom EtH-Team rockten derweil die Anmeldung inklusive Ticketvergabe. Dafür, dass letztere ausreichend vor Ort waren, hatten die Union-Stiftung, Taz-Unioner Olaf Forner und Mieze gesorgt.

Schulter an Schulter

Für viele war das Ganze zum vierten Mal wie Geburtstag und Weihnachten auf einen Tag. Wie platt war ich, als mir Handicap-Unioner Silvio zur Begrüßung einen selbstgestrickten Unionschal schenkte. „Ich wollte dir ooch mal watt jutet tun“, lauteten seine Worte. Ritter Keule nahm jeden in seine starken Arme. Sporti war erschienen, um uns mit aller Stimmkraft heiß zu machen für unsere heutige große Aufgabe: Vollste Unterstützung der Mannschaft im Bremer Stadion! Dann hieß es auch schon: „Alle Einsteigen!“ in den großen Doppeldecker und vier Kleinbusse für nicht umsetzbare Rollifahrer.

Letztere stellte zum 4. Mal die Firma Reha-Tech, Schulter an Schulter mit dem Pflegedienst von Anke Reincke, das Ganze inklusive Fahrer, Benzin & Co und jeder Menge Eisernem Herzblut. Den Doppeldecker lenkte, ebenfalls wie immer, unser Dirk Eisbär – wie die zuvor Genannten ehrenamtlich, mit besonderer Betonung auf den ersten beiden Silben. Dass das Einsteigen & Verstauen der Rollstühle wie am Schnürchen klappte, dafür sorgten wie immer Diana, Helmut, Vossi, Marke und EtH-Neuzugang Jojo.

Die haben Wohninvest, wir ein Wohnzimmer

Wie der Wind kutschte uns Dirk nach Helmstedt, wo uns die Lebenshilfe in ihren Räumen willkommen hieß. Kubikelfen und Union Rebellen bewirteten uns mit Speis und Trank und Stiftungs-Chef Jochen Lesching bedankte sich im Namen aller bei unseren lieben Gastgebern. Derart gestärkt ging es gen Bremen ins Stadion. Hier nun gab es für jede(n) aus unserem Tross nur noch eins: Alles für unsere Mannschaft, alles für Union!

 

 

Der Einlass geriet zur echten Hürde. Zumindest unsere Reisegruppe befand sich zum Anpfiff im Block, andere Unionerinnen und Unioner hatten da weniger Glück. Ihnen entging zunächst eine in voller Anlagen-Lautstärke präsentierte Werbejingle-Show der Firmen xyz, gewürzt mit ein paar 0815-Hymnen, die dem ortsansässigen Sportverein huldigten. Bitte heute keine Torhymne, flehte ich stumm gen Himmel. Wie glücklich schätzte ich mich, dass ich unsere Heimspiele AdAF erleben kann, statt in einem solchen Event-Tempel.

Andere Stadien, andere Sitten

Pünktlich zum Anpfiff verwandelte sich selbiger wie durch Zauberhand: „Eisern Union!“ schallt es von den Rängen. Drüben wehen die Fahnen der Werder-Ultras, der Rest des Heimpublikums sitzt da wie vorm Fernseher. Fast tun mir die Grün-Weißen im Nachbarblock leid, die kaum was anderes auf die Ohren kriegen als jede Menge Eiserne Gesänge. Auf dem Rasen geht es zäh voran. Als sich ein Bremer fallenlässt, zeigt ihm der Schiri die Schwalben-Gelbe. Die Bremer sind einen Tick gefährlicher, bringen den Ball aber auch nur 2 Mal gefährlich in Richtung unseres Tors.

Der Pausenpfiff trennt die Fußballkulturen: Während sich links von mir Unioner auf die ansonsten ungenutzten Plasteschalen setzen, erheben sich die Bremer von ihren Sitzen, um zumindest die Pause stehend zu verbringen. „Vorne müssense sich steigern, sonst wird dit hier nüscht“, spricht ein Block-Nachbar meine Gedanken aus. Das hat die Mannschaft offenbar von Urs souffliert bekommen. „Oh FC Union, wir wollen den Sieg!“, begrüßen wir sie zurück im Spiel.

Selbst die Ordner rocken mit uns

5 Minuten sind von der Uhr, da zeigt unser Team einen schnellen Konter. Superpass in den Strafraum, und Bülter lässt die Tormaschen tanzen. Wir rasten aus, während sich rechts von mir ein Herr mit grünem Schal erregt, dass ein paar Unioner am Rand des Blocks stehend feiern. Einer bietet dem Bremer eine Packung Papiertaschentücher an, um seine Tränen zu trocknen. Wir erheben unsere Arme, los geht’s: „… Die 1. Bundesliga ist nun endlich für uns da …!

 

 

Auf dem Rasen mühen sich die Grün-Weißen, doch unsere Mannschaft ist jetzt so arschcool wie die Bremer beim Hinspiel AdAF. Und schon drückt Bülter den Ball zum zweiten Mal über die richtige Torlinie, pünktlich nach unserem: „Fußballclub Union Berlin, mein Lebens-Elixier.“ Den Ordnern indes imponiert offenbar unser Liedgut wie dessen Präsentation. Als wir nach Abpfiff zum dritten Mal unsere Ankunft in der 1. Bundesliga zelebrieren, erheben einige von ihnen ihre Arme, um mitzuwippen.

Nennen wir es normal!

Beim Gang zu den Bussen gratuliert uns eine Bremerin, andere schreien uns ein halb wütendes „Eisern Union“ entgegen. Als andere von einem anderen Berliner Fußballclub singen, singen wir ihnen was zum Thema Stadtmeister vor. Meine Stimme ist hinüber, ich bin glücklich – und habe Hunger. Wie wunderbar, dass Elfen und Rebellen genau jetzt die liebevoll gefüllten Futterbeutel verteilen. Schon hat das EtH-Team den Einstieg organisiert, bringen uns Dirk und die Reha-Tech-Fahrer sicher aus der Stadt.

Müde, völlig erledigt und jede(r) mit einem breiten Grienen im Gesicht erreichen wir noch vor Mitternacht unser Wohnzimmer. Wieder einmal neigt sich Weihnachten-Geburtstag seinem Ende zu. Wieder einmal haben viele Eiserne dafür gesorgt, dass etliche von uns, die normalerweise nicht dabei sein können, einen ganzen Tag lang auswärts Union leben. Wenn DAS weiterhin so bleibt, habe ich nichts dagegen, dass „Eisern trotz(t) Handicap“ eine ganz normale Sache wird. Alle, die dabei waren, werden diese ganz besondere Auswärtsfahrt niemals vergessen. Längst nicht nur wegen unseres Siegs aufm Platz. Ihn sehe ich als das Dankeschön unserer Mannschaft. Ich danke allen, die diese Fahrt ermöglichten. Eisern Union.


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