Frank Nussbücker: Niemand macht unseren Sport kaputt - Pleite gegen Bremen

Bericht von Frank Nussbücker zum Spiel Union Berlin - Werder Bremen

Bildquelle: Frank "Nussi" Nussbücker [], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Zumindest die Anreise war wunderbar! Und sich im Stadion für Union heiser brüllen ist ein unbezahlbares Privileg. War sonst noch was? … Bei schönstem Spätsommerwetter ging’s in aller Ruhe gen Südosten, auf der Spree mit Kapitänin Simones Viktoria. Schon zu Zeiten, da der 1. FC Union Berlin mit Bundesliga so viel zu tun hatte wie ein Trabbi mit der Formel 1, fuhr unser Eisernes Flaggschiff Unioner nach Köpenick. Dereinst mit Kubikelf Käpten Eddy höchst persönlich am Steuer.

Dieses Mal mit an Bord ein Eiserner mit seiner Frau, der die letzten drei Spielzeiten Am Stadion An der Alten Försterei in Loge 12 logierte. Nun also kehrten Ex-Hauptsponsor Harry Layenberger und Simone als Unioner ins Wohnzimmer zurück, die das Spiel von den Stehplatzrängen aus erleben. Wann immer die beiden unsere Mannschaft nicht leibhaftig unterstützen können, tun dies andere Unioner für sie. „Bist du der Harry?“, fragte prompt ein junger Lockenkopf in Unionjacke. „Vielen Dank für die Karten fürs 1. Heimspiel.“ So geht Union.

Mit Stadionwurst in den Block

Auch einige Bremer sind mit an Bord, denen ich beim Anstehen vorm Männerklo das Käpten-Eddy-Porträt vorn an der Wand erkläre: „Als keiner ‘nen Pfifferling auf unseren Verein gab, wurde Eddy Sponsor, weil ihn sein Eisernes Herz dazu zwang. Typen wie er sorgten dafür, dass es Union heute noch gibt.“ Damals wie heute ist der viel zu früh in Block H gewechselte Käpten bei jeder Fahrt mit dabei, um mit uns zu bangen und zu feiern!

Kurz vor Köpenick weicht alle Ruhe, mit jedem Meter Richtung Anleger. Gleich heißt es: So schnell wie möglich ins Wohnzimmer, ab in den Block, alles geben! Während ich Simone zum Barkas führe, stellt sich Harry am Grill an, um seiner Liebe die lang ersehnte Stadionwurst zu kaufen. Die Zeit drängt, bei mir am Mittelkreis ist sicher längst alles voll. „Geh mal, Nussi“, beruhigt mich Barkas-Pilot Schmü, „wenn Harry kommt, nehm ick die beeden mit zu mir in‘ Block.“

„Hier iss meen Zuhause, hier kriegt ma keener weg!“

Frank Nussbücker mit Harald Layenberger auf dem Weg zum Spiel 1. FC Union Berlin - SV Werder Bremen

Bildquelle: Frank Nussbücker [], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Ich haste die Treppen rauf, den Umlauf entlang, schon füllt mein Leib die letzten freien Kubikzentimeter meiner Wohnzimmerecke. Der Gästeblock ist laut, wir halten dagegen. Lange vor Anpfiff knackige Fußballatmosphäre – und dann? Der Schiri guckt Videos und will trotzdem nichts sehen. Zwei Elfmeter, gefühlte 111 Spielunterbrechungen, sind wir noch beim Fußball? Die Bremer immerhin zeigen sich als Meister des theatralischen Fußballballetts Marke sterbender Schwan.

Ich will in dumpfen Werder-Hass abgleiten, da erblicke ich im Gästeblock das Banner: „FÜR IMMER STADION AN DER ALTEN FÖRSTEREI“! Ich brauche ein paar Augenblicke, bis ich zur Waldseite rüber gucke, um daselbst zu lesen: „STADIONNAMEN ERHALTEN – FÜR IMMER WESERSTADION“. Danke, liebe Ultras beider Vereine! Ihr erinnert uns daran, dass wir mittlerweile fast die Einzigen sind, die ein Wohnzimmer haben, statt auch daheim in irgendeiner Bank-, Versicherungs- oder Sonstwas-Arena zu gastieren.

Gelebte Politik im Stadion

Wenigstens das nehme ich an Positivem mit aus dieser 90 plus X andauernden Anti-Fußball-Präsentation des letzten Samstags. Dazu das Waldseiten-Banner zu Ehren der Iranerin Sahar Khodayari: „Kein Stadionverbot fürs Geschlecht, Fan-Sein ist Menschenrecht.“ Auch das ist für uns quasi selbstverständlich. Anders als im Iran, wo Frauen der Zugang zu Fußballspielen bei Strafe verboten ist. Um gegen dieses Unrecht zu protestieren, hatte sich die junge Fußball-Aktivistin bei lebendigem Leib verbrannt.

 

 

Politik im Stadion also? Ich für meinen Teil komme hierher, um Fußball pur zu erleben. Das darf ich AdAF, genau wie viele Generationen Unionerinnen & Unioner vor mir, Spieltag für Spieltag ohne präsentierte Freistöße, Ecken, Jingles, Fürze, ohne Maulkorb oder Tor-Hymnen-Gedudel. Dafür mit aus tiefstem Herzen heraus gebrüllten Emotionen, Bratwurstduft, Bier in der Kehle und gelegentlich auf Haut, Haar wie Klamotten. Eisern und sicher zwischen Oma, Opa und Enkeln – ohne Familienblock der Firma XYZ! In diesem Sinne bin ich auch im Wohnzimmer hoch politisch!

Unioner haben das letzte Wort

Vieles von dem, was Unionern selbstverständlich ist, hat offenbar wenig mit der Realität jener 1. Bundesliga zu tun, in der wir mit diesem hochmodernen Nicht-Fußballspiel wohl tatsächlich „angekommen“ sind. Strittige Schiri-Entscheidungen begleiten Fußballfans seit der Erfindung unseres Sports, aber nie zuvor waren die derart in hochpreisige Technik verpackt. Ein einziges der 3 Tore fiel aus dem Spiel heraus.

Gerade hatte Rafa den 2. Werder-Elfer ins Aus gefaustet und damit erste Flugbiere ausgelöst. Mitten in unsre Freude zeigte sich Bremen eiskalt, und wir lagen zum 2. Mal zurück. „Eisern Union!“ von den Rängen, die Mannschaft ackerte und kämpfte – diesmal ohne zählbaren Erfolg. Dennoch waren wir weit, weit entfernt vom 0:5 des letzten Pflichtspiels gegen die Hinfall-Balletteusen von der Weser – und hatten obendrein das letzte Wort im Stadion: „FC Union, unsre Liebe, unsre Mannschaft, unser Stolz…!“ PS: Wie erging es Harry im Block? „Deswegen komme ich hierher, und nächstes Mal gewinnen wir!“ Eisern heißt dit.


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