Frank Nussbücker: Zähes Spiel & frohes Fest von Union Berlin gegen FC Augsburg

Bericht zum Spiel 1. FC Union Berlin - FC Augsburg

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Nein, ich fuhr am Samstag nicht zum Spiel gegen unseren angeblichen Angstgegner. Stattdessen fuhr ich zum Spiel der für mich wohl krassesten Gegensätze. Geht es gegen den FC Augsburg, bedeutet das für mich fast immer ein Wiedersehen mit Fußball-bekloppten Kumpels im gegnerischen Shirt: Augsburg Calling & Recall, Rock’n’Roll auf Schiffen oder an Land, Empfang im goldenen Saal, Kampf-Lesungen mit viel Gesang, unvergessene Stunden, ja Tage, um ein Fußballspiel herum.

Auf einer Stadtführung durch Augsburg, ein paar Stunden vor Anpfiff, verliebte ich mich in diese Stadt, die mehr Brücken hat als Venedig. Eine geniale Idee des FCA-Fans General Seckler: Nicht die Polizei empfängt unsere Gäste, sondern wir! Den krassen Gegensatz zu diesem steilen Rahmenprogramm bilden die Begegnungen unserer beiden Teams auf dem Stadionrasen: Äußerst zähe Unentschieden, eine bittere Niederlage in letzter Sekunde, zwischendrin auch mal ein Sieg – und ja, jene beiden vermaledeiten Spiele der letzten Saison. Dennoch bleibt mir weg mit „Angstgegner!“

Rock aufm Wasser

Was ich schon fast komisch finde: Nach drei Spielen gegen verdammt spielstarke Mannschaften von Vereinen, die vom Etat her in einer anderen Liga spielen als wir, würden wir gegen den FCA wohl selbst das Spiel machen müssen, statt auf Konter zu lauern. Ich sag nur: 1. Bundesliga – Union ist dabei! Aber vor dem zähen Ringen aufm Platz gab es ja noch die für etliche Unioner und Augschburger gemeinsame Anreise auf der Spree.

Der Taz-Unioner Olaf Forner und sein Freund „Roli Boli“ hatten zur inklusiven musikalischen Fahrt auf Eddylines Viktoria geladen. Roli sitzt im Rollstuhl, ist aber nicht an diesen gefesselt, sondern als Performance-Künstler in der ganzen Welt aktiv. Und er macht Musik. Heftige, harte Sounds knallte er uns Fußball-Verrückten um die Ohren. Zweiter Act an Deck war einmal mehr die unter der Leitung von Martin Klimpel zusammengewürfelte Combo aus Augschburger und Berliner Punk-Rockern.

Wir gehören zusammen

Lautes Hallo, als Augsburg-Calling-Initiator „General“ Seckler mit ein paar Freunden und seinem Basser an der East-Side-Gallery zustieg. Dann bebte das Schiff – genau wie letzte Saison, als wir zu Zeiten des Gästefan-Verbots in ähnlicher Besetzung gen Köpenick schipperten. Nur besser wars heute, weil wir anschließend tatsächlich allesamt zusammen ins Stadion gehen würden! Einmal abgesehen von der Mannschaft samt Schiffspraktikanten Sam Paff, die nicht nur zum Feiern, sondern auch zum Arbeiten an Bord waren.

Gemeinsam abtanzen und schwitzen, das Leben feiern, und zum Schluss Eisernet Lied von und mit dem leibhaftigen Sporti am Mikro und General Seckler an der Gitarre – schöner kann es nicht zum Fußball An die Alte Försterei gehen. Zusammen mit Gästefans, die ich wirklich nur während des Spiels nicht leiden kann, ein paar Stunden verleben, die wie immer viel zu schnell vergingen. Den beiden Polizisten, die uns am Anleger in Köpenick erwarteten, konnte ich nur sagen: „Da passiert nichts, wir gehören zusammen!

Was haben wir verbrochen?!

Besonders laut und knackig erschien mir Eisernet Lied auch im Stadion, erst recht unsere Hymne. „Und wir lieben unsern Club, und wir sind stolz auf ihn!“, ließen wir den Geräuschpegel gar nicht erst unnötig absinken. Derweil brach Taiwo Awoniyi zum gegnerischen Strafraum durch, leider nur fast. „Wir sind Unioner, wir sind die Kranken“ erlebte ich schon ewig nicht mehr derart heftig, auf dem Platz wehrt Andi Luthe derweil den ersten gegnerischen Schuss ab.

Wir lieben Union, jawoll!“, spielen wir uns mit der Waldseite den Ball zu. Chance durch Taiwo in der 7. Minute – „Eisern Union!“ Anderthalb Minuten später Riesenchance für Union – und Gießelmann macht ihn nicht rein! Krone richten, weiter geht’s! Bevor Taiwo zum nächsten Schuss ansetzen kann, wird er gefoult. Überhaupt sollte er bald kaum noch zum Zuge kommen. Aber Union greift weiter an. 11. Spielminute, Schuss aufs Tor, abgewehrt. Der 2. Ball geht an den Innenpfosten, von wo aus er … verdammte Axt, wieder nicht reingeht! Fußballgott, was haben wir verbrochen?!

Die Keeper bestimmen den Spielstand

Schon greift der FCA an, laut schallt das „Eisern!“ „Union“ über den Platz. Angriff abgewehrt, aber auch unser Konter klappt nicht. Unseren nächsten Torschuss wehrt Augsburgs Torhüter ab – für diese Spielansetzung gabs heute schon in diesen ersten Minuten verdammt viele Torchancen. Der FCA kommt über rechts, Pass in den Strafraum, der Schuss streicht übers Gehäuse. Keine 23 Minuten von der Uhr, da muss Urs bereits wechseln. Debütant Möhwald ist offenbar angeschlagen.

 

 

Es geht hin und her, doch Augsburg wirkt jetzt gefährlicher. Gestocher in unserem Strafraum – endlich hat Luthe den Ball. Augsburg schindet den Freistoß, den wir zuvor nicht bekamen, geschenkt! Mitten in unserem Western-Song Eckball Union. Schuss aufs Tor, abgewehrt, 2. Ball – Gikiewicz hat ihn, Mist! „Und wir lieben unsern Club, und wir sind stolz auf ihn!“ Augsburg kontert nach Fehlpass im Mittelfeld – kurz drauf können wir unseren Torwart mit „Luthe, Luthe!“-Rufen ehren.

Auch Du kannst Vorsänger sein!

Die auf seine Parade folgende Ecke lenkt Andi mit Kraken-Armen über die Latte. Auf die zweite folgt eine dritte Ecke. „Wir nehmen die zu leicht!“, schimpft mein Hintermann. Als wir mal einen Freistoß bekommen, erklingt das Tusche-Lied. Warum nicht, leider senkt sich der Ball nicht ins Tor wie einst. Schon wieder Freistoß, direkt an der Strafraumgrenze! Er geht in die Mauer, der Nachschuss übers Tor.

„Waldseite, mach doch mal was!“, meckert mein Nachbar, dem es offenbar gerade zu still ist. Ich will schon mit ihm meckern, da stimmt er „Wir sind Unioner, wir sind die Kranken“ an. Also singe ich mit, genau wie die vor, neben und hinter uns. Kurz drauf brüllt das ganze Stadion das Lied – so funktioniert Stadiongesang! Unser nächster Freistoß bringt eine Ecke ein, diese wiederum nichts. Endlich das Mantra, kurz darauf Pause, durchatmen und Stimme ölen.

Nur ein Tor … das fällt heut‘ nicht

Auch die 2. Halbzeit bringt auf beiden Seiten etliche Chancen. Die erste gehörte kurz nach Wiederanpfiff den Augsburgern. Denkbar knapp streicht der knackige Kopfball links an unserem Tor vorbei. Dann Trimmel über rechts, passt links rüber, Schuss – der Torwart hat ihn. Kurz darauf ein schneller gegnerischer Angriff aus dem Lehrbuch – aber auch unser Torwart namens Luthe ist auf dem Posten.

In der 65. Minute brennt es vor Augsburgs Tor – und wieder sah alles so gut aus, bis der Ball gegen die Querlatte schlägt. „Auf geht’s Union, kämpfen und siegen!“ Als das Aluminiumgestänge 11 Minuten vor Schluss die Augsburger zum dritten Mal rettet, schallt das „Eisern Union!“ übern Rasen. Dennoch: der Fußballgott, Herr Orlowski oder wer auch immer hatte sich heute ganz offenbar für einen „Durchläufer“ entschieden.

Danke an alle, die im Stadion waren

Allerdings sorgten vor allem beide Torhüter höchst selbst dafür, dass der Mann in unserem Anzeigehäuschen heute keine Tafel auswechseln musste. Anders als nach dem Eröffnungsspiel der letzten Saison dürfte nun kaum noch jemand unserem Ex-Keeper hinterherweinen. Bei der Ehrenrunde der Mannschaft brandeten, genau wie zuvor im Spiel, immer wieder „Luthe-Luthe“-Rufe auf. So groß meine Trauer über die 3 Aluminiumtreffer der in meinen Augen besseren Mannschaft auch sein mag, dieser Punkt war hart erkämpft.

Erkämpft auch von uns auf den Rängen. Über weite Strecken merkte ich überhaupt nicht, dass unser Wohnzimmer nur zur Hälfte gefüllt und die Vorsänger noch immer im Protest-Urlaub sind. Nehmen wir es, wie es ist! Singen können wir auch ohne Anleitung über Megaphon oder Stadionanlage. „Irgendwann, irgendwann einmal“ sind auch die Ultras wieder im Wohnzimmer dabei – und sehr gern reise ich schon das nächste Mal wieder auf unserem Eisernen Flaggschiff zusammen mit Unionern und Gästefans gen Köpenick, Eisern!


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