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Bildquelle: RudolfSimon [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)
Ein Freund teilt mir mit, dass er heute Morgen extra nochmal seinen Aufstiegsrasen gepflegt hat. Richtig, muss ich auch noch tun – und schon bin ich mittendrin in diesem an sich so bekloppten Fernsehfußball-Tag. Und doch kann mir die geradezu physische Erinnerung an das letzte und vorletzte Spiel gegen die Schwaben aus Prenzleberg-Süd bis zu meinem Lebensende niemand mehr nehmen.
Das Hinspiel in Stuttgart hatte ich gar nicht sehen wollen. Zu quälend ist es, wenn ich bei so einem Spiel nicht laut genug brüllen kann, dass sie Spieler es hören. Und doch konnte ich nach 1:1 nicht anders und jubelte am Ende mit vielen Unionern über unser 2:2. Das Rückspiel Am Stadion An der Alten Försterei wird mir ewig als das lauteste Fußballspiel (bisher) aller Zeiten in Erinnerung bleiben. Wir sangen, als ginge es um unser Leben – und genau das tat es irgendwie ja auch. Am Ende verlor Union seinen Rasen – an uns! Alles ok, bleibt’s in der Familie.
Nun also wieder in Stuttgart, ohne uns. VfB Stuttgart der spielstärkste Aufsteiger seit langem, und unser Lazarett noch praller gefüllt als vor ein paar Tagen. Vergessen wir das 1:1 gegen die Bayern, das heute wird viel schwerer. Werden sich die Stuttgarter zu übermotivierten Aktionen hinreißen lassen? Wird unsere Mannschaft den Sturmlauf überstehen – und selbst Akzente setzen? Seit langem war ich am Morgen nicht mehr so aufgeregt vor einem Union-Spiel. Welches Szenario wartet heute auf uns?
In jedem Fall eines, dem wir hilflos ausgeliefert sind. Hilflos vor Fernsehern, Computern und sonstigen Endgeräten. Hilflos der trostlosen Kulisse einer hallenden, überdimensionierten Turnhalle gegenüber. Wohl denen, die das Spiel zumindest in kleiner Eisernen Runde verfolgen können. Kein Rausch, der nicht von Alk & Co kommt, keine Verzweiflung, nur Frust oder Jubel vorm Bildschirm. Egal, wie das heute Abend ausgeht, ein Freund dieses Fernseh-Gekickes werde ich nimmermehr!
Endlos die letzten Stunden, ein ganz kleines bisschen wie früher, als es noch echten Fußball mit uns auf den Rängen gab. Gut aber, dass ich dem Spiel nicht allein ausgesetzt bin. Union legt mal wieder los wie die Feuerwehr. Keine 3 Minuten herum, da darf sich ein Stuttgarter die erste Gelbe abholen. Freistoß Trimmel, der Ball fliegt mal wieder punktgenau so, dass ein Kollege, dieses Mal Marvin Friedrich, formvollendet wie unhaltbar verwandeln kann.
Jubel, Aufschrei, Abklatschen, was spielt da für eine Mannschaft! Kurz darauf eine weitere Chance für uns, dann kommen auch mal die Gastgeber. Schuss, Luthe muss prallen lassen, Ecke. Luthe am 2. Pfosten, hat ihn sicher! Aber sie schießen sich jetzt ein, zumindest in die Richtung unseres Tors. Dann Becker über links – schade! Es geht munter hin her, aber die Unseren wirken gefährlicher, nichts dagegen.
In der 40. bringen sie einen der unseren zu Fall. Erst mal weiter, 2. Ball – nicht drin! Nun aber. Ok, wir haben die Zeitlupe, und die zeigt uns – liegt das nur an en Vereinsbrillen auf unseren Nasen? – einen klaren Fall von Elfmeter. Das Schiri-Kollektiv hat zumindest den Videokeller … und der sagt … nichts!? Lediglich Ecke Union, die Teuchert leider nicht verwandelt. Mit der knappen Führung geht’s in die Kabine, und wir staunen rot-weiße Stadion-Bauklötze über unser eigentlich ersatzgeschwächtes Team.
Der Stuttgarter Trainer bringt einen neuen Stürmer, der uns sofort zu schaffen macht. Überhaupt übernehmen die Schwaben von Prenzleberg-Süd jetzt das Zepter. Lange Zeit, ohne wirklich gefährlich zu sein. Ein schwäbischer Argentinier ist kurz vorm Weinen, als er mal wieder weit vorbei köpft. Plötzlich fabriziert Andi Luthe einen haarsträubenden Fehlpass. Kurz darauf wirft er sich in den Schuss, fängt ihn ab, ein Verteidiger entschärft das Ding endgültig. Unser Keeper schubst ihn anerkennend – das ist Teamgeist!
Und die Unioner aufm Rasen setzen noch eins drauf. Nach einigen abgewehrten Angriffen mal ein Konter. Bülter hält den Ball an der Grundlinie im Spiel, passt zu Lenz, der auf Awoniyi – und die Maschen tanzen, genau wie wir! Ganz ehrlich, für einige Augenblicke glaubte nun selbst ein Pessimist wie ich, das Ding ist durch! In der Tat lässt unsere Mannschaft geschickt die Uhr runterticken – bis es in der 84. Nach ‘ner Stuttgart-Ecke dann doch klingelt.
Und in der 90. gleich nochmal, kurz drauf fast unser 3. Tor! Klar ärgerte ich mich, wie über jedes verdammte Gegentor. Nach wenigen Sekunden siegt meine Freude an dieser Mannschaft, die uns selbst in dieser bekloppten Zeit derart geile Spiele zeigt. Mit genau diesem Ergebnis, das ich vor Anpfiff sofort angenommen hätte, legten wir am 3. Mai 2019 den Grundstein für unseren letzten Spielklassen-Wechsel. Auch die beiden Ligen-Wechsel davor gingen aufwärts, und wie sagte es einer von uns: „Wo kommen wir denn da hin, wenn wir uns nicht mehr über ‘nen Auswärtspunkt freuen!“
Wer: Laurenz Dehl (23)
Wann:12.12.2024