Frank Nussbücker: Union Berlin geht erneut gegen Bayer Leverkusen unter

Leverkusen besiegt Union Berlin

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Nun also gings nach Leverkusen, zum derzeit wohl stärksten Bundesligaklub. Dorthin, wo wir letzte Saison als Tabellenführer eine satte Abreibung kassierten. Das war längst nicht die erste an jenem Ort, den wir noch niemals als Sieger verließen. Immerhin gelang dereinst mal ein Sieg im Intertoto-Cup gegen den Bayer-Vorfahren aus Uerdingen mit Potti im Tor. Aber auch in Uerdingen sah unsere Mannschaft dann keine Sonne, genau wie in fast allen Begegnungen gegen Bayers neuen Club.

Lassen wir das, wir mussten ja nicht nach Uerdingen, sondern „nur“ nach Leverkusen. Natürlich hatte mir der aufopferungsvolle Kampf unserer Mannschaft in Neapel etwas an Mut, gar einen Hauch Zuversicht gegeben. Erst recht, da Urs auf der PK vorm Leverkusenspiel zugab, die dortige Leistung habe der Mannschaft samt Trainerteam ein bisschen Freude zurückgebracht – und damit verbunden vielleicht auch ein bisschen was von dem Union-Gesicht, welches er so lange Zeit entscheidend mitprägte?

Leverkusen drückt

„Eklik“ waren wir, zumindest in den letzten 4 Spielzeiten oft genug, um nahezu nichts mit dem Tabellenkeller zu tun zu haben. Das alles jeweils mit einer Mannschaft, die vom vermaledeiten Marktwert her mindestens zwei Jahre lang Vorletzte der Liga war – genug jetzt, kommen wir zum Spiel: Ich zuckte schon mal zusammen angesichts eines gegnerischen Spielers namens Boniface – und hoffte, dass es niemandem aus unserem Team ähnlich erging.

Leverkusen übernahm das Zepter, holt nach einem Rückpass-Fauxpas die erste Ecke. Die bringt nichts ein, und zwei Minuten später greift unsere Mannschaft fast an – aber die Leverkusener scheinen 1-3 Spieler mehr aufm Platz zu haben, kann das bitte mal jemand nachprüfen? Sie schießen auf unser Tor – erst mal schön weit drüber. Pass auf Boniface, doch einer der Unseren köpft das Ding weg! In Minute 11 kommt er zum Schuss – zum Glück daneben.

Wieder einmal schlägts ein

Unsere fast mal wieder im Angriff, begleitet von „und wir lieben unsern Club, und wir sind stolz auf ihn!“ Noch immer bin ich voller Hoffnung, dass die Hausherren diese Überlegenheit nicht durchhalten werden. Sie nehmen Maß, ihre Abschlüsse werden gefährlicher, mehrfach rettet unsere Abwehr aus höchster Not, einmal Laïdouni , einmal Jaeckel – aber was ist das?! Der Schiri zeigt auf den Elfmeterpunkt, Pauls Hände waren bei seinem Sprung in der Tat sehr weit oben …

Ehe ich auf Gedanken komme, die nach „Fußball-Mafia …!“ oder „Fußballgott, hast du ne Macke?“ klingen, schaltet sich der VAR ein. Der Schiri geht TV kieken und sieht das Gleiche wie ich: Hände waren oben, aber nicht am Ball – nix Elfmeter, nur Eckball Leverkusen. Es bleibt beim 0:0, bis unser lieber Gastgeber scherzhaft raushaut: „Leverkusen kriegt nüscht hin!“ Gerade da nämlich zieht einer von denen nahe der Strafraumgrenze ab und lässt unser Tornetz zappeln – Mist verdammter, wir liegen mal wieder zurück.

 

 

Die Hoffnung lebt … noch

Dazu kommt Urs‘ erster Wechsel: Knoche für Bonucci, der sich offenbar verletzte. Nach einer weiteren Ecke Freistoß für uns! Schade, ganz knapp wird nicht mal eine Fast-Chance draus. „Höchste Not!“, lauten etliche meiner Notizen, „Hier regiert der FCU!“, vermelden unsere Auswärtsfahrer. Becker stößt vor, doch es ist niemand da, den er bedienen könnte. Dann doch, aber es ist bereits zu spät für einen Abschluss. Konter Leverkusen, zum Glück Abseits.

Ballverlust Union, Konter der Hausherren samt Abschluss, Freddy rettet zur Ecke, einmal mehr in höchster Not. Mit dem Westernsong und nur einem Tor Rückstand geht es in die Pause. Käme jetzt unsere starke Hälfte wie jüngst gegen Frankfurt? Hoffte ich das? Natürlich! Glaubte ich daran? „Wir spielen Tanzmusik!“ Unsere kommen voller Elan aus der Kabine – fast hätten sie das Spielgerät erfolgreich durchgesteckt, Union und meine Hoffnung leben!

Erst mal nur weg!

Dann wieder Leverkusen, der Abschluss landet sicher in Freddys Armen. Knapp drei Minuten später folgt einem weiteren Standard das 2:0 für die Hausherren, dann fast das 3:0 hinterdrein. Nach einer weiteren Rettungstat aus höchster Not ist es da, komplettiert von einer Gelben Karte für unseren Schlussmann. Meine immer spärlicher werdenden Notizen vermelden: „Fast-Chance Union, … Freistoß für uns, Ballverlust, 4:0“, Ende der Aufzeichnungen.

Zwilling Sam, Robert, Bia, ihre zwei weiteren Gäste und mich beschäftigt gerade zu sehr ein Trauerfall in unserer Union-Familie, als dass wir jetzt sofort an dieses Spiel, dessen Ergebnis – überhaupt an die sportliche Gegenwart unseres geliebten Vereins denken. Das ist traurig und gut zugleich, doch irgendwann bricht sich die Realität dieses Fußballabends dann doch seine Bahn in meine Gedankengänge, meine Gefühlswelt.

 

 

Gegner angreifen, uns selbst hinterfragen!

„Super, wir sind Tabellenführer!“, versuche ich mich ein paar Stunden in Galgenhumor. Weiter können wir vorerst nicht fallen – wohl aber die vor uns Stehenden angreifen! Das wir das müssen, steht außer Frage – genau wie der Personenkreis, dem diese Aufgabe momentan obliegt. Dass wir vom Ergebnis her ein Tor weniger schlecht waren als letzte Saison, ist mir kein Trost. Die laut Kicker 18:2 Torschüsse wie all die „in höchster Not“-Vermerke sprechen eine andere Sprache.

Ich fühle mich ratlos. Wäre ich ein Teil unserer Mannschaft, bräuchte es ein Wunder, mich die Tage wieder in die richtige Spur zu bekommen. Wie glücklich bin ich, dass mich jetzt niemand vollmotzt: „Nur wegen Typen wie dir verlieren wir hier ständig!“ Wie stolz bin ich auf uns, dass wir auch jetzt zu unserer Mannschaft samt Stab wie zur Leitung unseres Vereins stehen. „Wir haben keine Chance, also nutzen wir sie!“, brachte Potti dereinst den Union-Geist aufn Punkt. Wie aber soll das heute gehen? Fange ich einfach mal bei mir an.

Rocken statt Motzen

Ich werde für mich einen Weg finden, diese Krise nicht nur bestmöglich zu überleben, sondern aus ihr heraus etwas zu rocken. Womöglich eine Geschichten- oder gar Buch-Idee? Was immer es sein mag, in jedem Fall ist es getragen von meiner festen Zuversicht: Wenn jeder von uns – einschließlich Mannschaft samt Stab – auf seinem Gebiet begeistert ackert, statt zu verzweifeln oder bösartig Schuldige zu suchen, „ja dann kann der Sieg nur uns gehör’n!

Eine hoffnungslos grottige Phase aufm Platz verhalf dem Weihnachtssingen zur Geburt. Dem beinahe-Kollaps unseres Clubs folgte dessen freundliche Übernahme durch jene Unioner um Dirk Zingler, die den 1. FC Union Berlin über einen Abstecher in Liga 4 bis in die nationale wie internationale Belletage führten! Jetzt tragen wir in ersterer die Rote Laterne. Machen wir was draus – ein jeder an der Stelle, an der er was bewegen kann, genau wie unsere Berufs-Unioner auf und neben dem Platz! Eisern heißt dit.


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