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Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)
Nach allem, was geschehen, ging es nun „mit schwerem Rucksack“, wie mein Kumpel Falko Kietzer Sonnenschein so treffend schrieb, in den Pott. Was macht ihn eigentlich so schwer? In jedem Fall gehört zu unserem Gepäck der weitere Ausfall zweier Führungsspieler! Denke ich an sie, fällt mir ein vor der Saison gepostetes Bild einer möglichen Union-Mannschaft ein. Sie war gespickt von mit für unsere gewohnten Verhältnisse irrehohen Marktwerten versehenen Akteuren.
Die mit Abstand „billigsten“ hießen Frederik Rønnow, Robin Knoche und Rani Khedira – eben jene, die Union aufm Rasen ganz entscheidend ausmachen! Dieses irre Bild spiegelt, wie ich finde, hervorragend die veränderte Sicht auf unseren Club wider. Damit meine ich gar nicht zuerst uns selbst. Bislang habe ich klar das Gefühl, dass nahezu jeder, der nicht erst jetzt zu Union geht, deutlich aufm Teppich blieb. In jedem Fall spüren wir mitten in unserer dritten Europapo-Saison wohl alle, wie kräftefressend dieses Fußballgeschäft ist.
Vor 7 Jahren hatte ich zusammen mit unserem heutigen Mannschaftsbus-Käpten stundenlang im Köpenicker Forst gestanden, um einer von 12.000 mit roten Regenjacken „Keine Wand ist unbezwingbar“ ausgestatteten Eisernen zu sein! Unser 1:1 nach der Verlängerung feierten wir wie den Gewinn des Henkelpotts, mindestens! Zwei Jahre drauf waren wir noch 8.000, welche in der Idunesen-Arena die Pause durchsangen und das 2:2 ebenso heftig „vertonten“.
Dann kam der 31. August 2019, als wir in der Hitze von Köpenick allesamt das „Nehmt Euer Herz in beide Hände“ auf den vom Verein rausgehauenen Shirts verdammt ernstnahmen und unsere Mannschaft zu ihrem allerersten Bundesliga-Sieg brüllten! Viel ist geschehen seit jenem 3:1 für die Ewigkeit – und ja, bis heute konnten wir noch nie im Stadion des BVB gewinnen. Sollte dies gerade heute geschehen, wäre das aus meiner Sicht wohl mehr als nur ein Wunder gewesen.
Knapp 4.000 Eiserne hatten sich diesmal auf den Weg gemacht, unsere Mannschaft auf ihrem verdammt schweren Gang zu begleiten und mit vollster Sangeskraft zu unterstützen. Statt zu meckern, dass es ja „nur“ knapp 4.000 Auswärtsfahrer sind, sage ich, dass auch ich aus Gründen nur am Radio dabei bin – und freue mich obendrein vielmehr, dass es eben jene 4.000 Eiserne inklusive meines seit Dienstag neuen Stadionnachbarn Harley-Paul gibt, die es angehen, dieses Stadion nach allen Kräften zu rocken.
Und ich lobe mir einen Urs Fischer, der sein Augenmerk wie immer auf diejenigen Unioner richtet, die uns aufm Platz wie auf der Bank zur Verfügung stehen. Wie immer geht es um das große Ziel der 40 Punkte, statt um uns von wem auch immer angedichtete und von uns auf „Irgendwann!“ terminierte Meisterschalen wie sonstige Fußball-Trophäen. Schluss mit Geplänkel und raus aufn Platz! Harley-Paul und die anderen knapp 4.000 Eisernen begrüßten unsere Mannschaft lautstark.
Und die zeigte, wie in nahezu jedem Spiel, dass sie hier was reißen will. Von den Rängen vernehme ich laut wie deutlich und wunderbar dazu passend, unseren „Vorwärts“-Gesang. In Minute 6 verhinderte das Torgestänge den Jubel über unsere Führung. Kevin Behrens hatte das Ding – heute per Fuß, wie der Radiosprecher vermeldet – voll gegen selbiges gedonnert, schade! Im Gegenzug Angriff der Dortmunder, sie holen eine Ecke. Ihr folgte das 1:0 für die Hausherren – will dieser Kacke uns niemals von den Töppen fallen?
Während ich noch hadere, kämpft unsere Mannschaft weiter, holt ebenfalls eine Ecke. Käpten Trimmi tritt das Ding – und Robin Gosens haut ihn rein! Wohl mit Hilfe des Torschützens von gerade eben, aber sei‘s drum, Union ist zurück, und im Stadion höre ich: „FC Union, Du wirst siegen, glaub an Dich und es wird wahr…!“, unseren Bundesliga-Song. Dortmund greift an, unsere machen zu, Urs klatscht in die Hände – danke, lieber Radiomann!
Schon führen wir 2:1, was Eckbälle angeht, „1. FC Union Berlin – und alle!“ Ryerson führt den Ball – Mist, der spielt ja gar nicht mehr bei uns. Ein Freistoß für Union, Trimmi bedient quasi Král und Behrens zugleich, und ersterer lässt des Gegners Tornetz erbeben! Ich falle ein in den Jubel der knapp 4.000, dann überschlagen sich die Ereignisse: Král muss ausgewechselt werden, die Anzeigetafel zeige die Aufschrift „VAR“, das Tor wird überprüft …
… und nach langen Minuten, gespickt mit „Scheiß DFB“-Gesängen von hüben wie drüben, aufgrund einer minimalen Abseitsstellung des – verletzungsbedingt? – vom Platz gegangenen tschechischen Nationalspielers Alex Král annulliert! „Hier regiert der FCU!“, lautet die Antwort unserer Auswärtsfahrer. Kurz drauf fällt ein Borusse in unserem Strafraum. Elfmeter? Nee, Offensivfoul. Dann bricht meine Radio-Übertragung unvermittelt ab.
Als mein „Weltempfänger“ wieder läuft, redet der Radiokommentator vom erneuten Einsatz des VAR. Wieder sei ein Tor gefallen, werde überprüft – und schließlich erneut für Null und nichtig befunden. Erst später sollte ich erfahren, wieder Abseits, diesmal eines Dortmunders. Beim nächsten Einsatz des Kölner Kellers geht es, diesmal mit etwas Verzögerung, zur Abwechslung mal um einen Elfmeter – für Union! Robin ist verhindert, also schießt Bonucci.
„Unser Mann aus dem Land des Stiefels hat das Ding reingemacht, knallhart!“, schreit mir Harley-Paul ausm Block zu. „Links angetäuscht, oben rechts rein, was gibt’s Geileres!“ Recht hat er, und unsere Mannschaft ist eindrucksvoll zurück. „Oh FC Union!“, finden unsere Auswärtsfahrer mit „damals mit Damir Kreilach noch zweite Liga!“ einmal mehr den richtigen Song. Und unsere machen knallhart weiter: Becker setzt sich durch, doch der Keeper hat ihn, 6 Minuten Nachspielzeit.
Und Dortmund greift an, bekommt eine Ecke für nichts, aber auch die bringt nur selbiges. Wir überstehen die Bonus-Minuten, sind ja schließlich keine 4! Dortmunds Trainer brachte nun mit Brandt einen Spieler, der bereits bei unserem ersten Aufeinandertreffen in der Bundesliga gezeigt hatte, was er kann. Und der BVB griff an, erwischte uns mit den Abschlüssen eines Ex-Unioners und eben jenes Julian Brandt. „Auf geht’s Union, kämpfen und siegen!“
Behre sei „on fire“, sagt der Radiomann, „F-C-U-Fußballclub Union Berlin!“, schallt es von den Rängen. „Wir greifen an!“, brüllt mir Paul zu, dass ich‘s bis Prenzleberg höre. Becker kommt außen durch, Pass auf Aaronson, der den Ball leider nicht richtig trifft. „Da hatte Dortmund gepennt!“, lautet das Urteil des Radiomanns. Urs wechselt dreifach, der ausgewechselte Käpten habe Probleme am Knie – bitte nicht!
Gosens rückt nach rechts – und fälscht in Minute 71 Ryersons Schuss unglücklich-unhaltbar ins eigene Tor ab. Wie besch….. kann es laufen! Immerhin zeigt der Ex-Unioner und norwegische Nationalspieler, dass er einige sicher auch für ihn gute Jahre bei uns verbrachte und verzichtet auf den Torjubel. Ist nun die Luft raus? Bei mir auf jeden Fall. Meine Notizen zeigen mir, dass wir noch ein paar Ecken hatten, durchaus auch Chancen, aber es bleibt bei der nach dieser 1. Halbzeit umso bittereren Niederlage.
„Das ist Fan-Sein pur, was die da liefern!“, schwärmt der Radiomann von unseren Auswärtsfahrern, und was höre ich da von den Rängen? „Always look on the bright side of life!“ beweisen sie Humor, Optimismus und Eiserne Zuversicht. Die schickt mir auch Harley-Paul. Nach einem grienend dahingefluchten „Schießdreck“, seiner Zeit in der Schweiz geschuldet, lässt er mich wissen: „Die Mannschaft hat sauber gekämpft, ne richtig geile Moral gezeigt, und die Fans standen hinter ihnen!“
„Schießdreck“ ist und bleibt es auch für Paul. Dennoch sah er hier mehr, als nur die funktionierende Einheit zwischen Rasen und Rängen, gekrönt von der gebührenden Verabschiedung des Teams, angeführt von Vollblut-Unioner Käpten Trimmel: „Die Leistung, die unsere Mannschaft heute gezeigt hat, auch wenn das Ergebnis Schießdreck war, dat war schon affengeil!“ Die Auswertung dessen, was da in Halbzeit 2 nicht mehr so klappte, weiß ich bei unserem Trainerteam nach wie vor in besten Händen.
„Ewig haben wir uns gekniffen und die Augen gerieben ob der Erfolgswelle, die wir so lange ganz oben auf dem Kamm gesurft sind“, schreibt mein Blocknachbar Jann im Mittellinien-Chat. „Dass man da irgendwann mal einbricht, war uns allen klar. Irgendwann ist vermutlich jetzt. Ich habe vollstes Vertrauen, dass wir alle, Verein, Mannschaft, Anhänger da wieder rauskommen.“ Die 40 Punkte waren, sind und bleiben unser Ziel – „und wenn nicht, Sceheibenkleister!“, zitiere ich hier mal Iron Henning, übrigens aus seinem Lied, welches AdAF nach Siegen unserer Mannschaft gespielt wird, Eisern heißt dit!
Wer: Martin Krüger (45)
Wann:26.11.2024