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Bildquelle: Harleypaul on Tour [], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)
Die kleine Union-Auszeit tat mir gut. Die PK vorm Spiel sah ich erst einen Tag vor Anpfiff jener Begegnung, auf die ich mich schon sehr lange gefreut hatte. Seit unserem ersten Bundesliga-Punktspiel gegen den FCA am 24. August 2019, welches ich inmitten eines für mich leider nur zweitägigen Festival der Fußball-Bekloppten beider Lager erlebte, hab ich mein Herz an die Fuggerstadt verloren. Am Abend vor Anpfiff traf ich erstmals Friedens-General Gerhard Seckler, maß ich mich im Lese-Duell mit dem heutigen FCA-Präsidenten Markus Krapf.
Was ich dort unten an Gastfreundschaft erlebte, prägt mich bis heute und macht mir jedes Spiel gegen die Augschburger, so mies diese auch immer wieder für uns endeten, zu etwas ganz besonders Besonderem. Dass dieses Mal auch mal wieder wir ein dreitägiges Rahmenprogramm hinbekamen, machte mich dazu ordentlich stolz auf diejenigen von uns, die dies unter der Federführung des TAZ-Unioners Olaf Forner möglich machten. Damit zum Sport.
Auf der PK mit unserem Trainer Markus Grote hörte ich an dessen Stimme, dass er Norddeutscher ist – aber für mich stand da „einfach nur“ ein Unioner, was ich ausschließlich anerkennend meine. Kein aufgeblasenes Gefasel, dafür am Ende der Appell an uns alle, bei diesem Spiel alles reinzuhauen, was irgendwie geht. Und plötzlich musste ich doch nochmal heftigst an Urs Fischer denken. „Durchbrecht diese Negativspirale!“, lautete sein Appell, und allein schon unserem neuen Trainerteam wünschte ich von Herzen, dass genau das bereits an diesem 25. November geschehen würde.
Natürlich wünschte ich das ebenso heftig unserer Mannschaft, unserem Verein – uns allen! Nach langer, fröhlicher Anreise mit den Augschburgern auf der Spree bedankten wir uns im Stadion bei unserem alten Trainer in einer Choreo, die unter anderem aus vielen Tapeten bestand, die wir auf der Gegengerade hochhielten. Unter ihnen sah ich nichts mehr vom Spielfeld, aber Urs und Hoffi möglicherweise live, was vorn draufstand. Einem bestätigten Gerücht zufolge waren sie gar im Stadion und nicht, wie angekündigt, vorm Fernseher …
Auch Böni wurde mit einem Banner gegrüßt, genau wie einige Unioner, die uns leider für immer Richtung Block H verließen. Aufm Platz Jaeckel und Volland in der Startelf und András war endlich wieder dabei. Zunächst nahm er auf der Bank Platz, genau wie Josip Juranovic. Im gegnerischen Aufgebot fand sich unser Kämpfer Sven Michel. „Der wird uns schon zeigen, wies geht!“, brummte mein Nachbar Jürgen das Nordlicht.
Mit „Kämpfen und Siegen“ begann das Spiel, gefolgt von einem donnernden „He FC Union!“ Die Gäste führten sich mit einem Foul ein, für das uns der Herr Schiedsrichter immerhin einen Freistoß zusprach. Augsburg über links, der Ball landet im Aus, aber das hätte gefährlich werden können. Unsere taten sich schwer, das Spielgerät hinten raus zu bekommen, sie schenkten dem Gegner eine Ecke. Unserer Mannschaft war ihre Verunsicherung anzumerken wie nur irgendwas.
Unsere im Angriff, sofort erschallt das „Eisern Union!“ Dann wieder Augschburg, der gesamte Gästeblock hüpft und singt. Auch wir intonieren unser Liedgut, möge etwas davon unseren Spielern mehr Zutrauen geben! Die gegnerischen Spieler üben sich derweil im Hinfallen. „Beim Foulen verletzt!“, bemerkt Jürgen, als mal wieder einer von ihnen unseren Rasen beliegt. Immerhin sind sie anschließend schnellstens wieder bereit wie willig, aufs Feld zurückzukehren.
Konter Augschburg, der Ball streicht vorbei. „Unser Tor war blank!“, spricht Torsten Eisenbeiser aus, was ich gehofft hatte, nicht wirklich gesehen zu haben. Unsere kommen weiterhin kaum vors gegnerische Gehäuse und tun sich schwer, aus der eigenen Hälfte herauszukommen. Ich hoffe so sehr, dass dieses Spiel bald herum ist. Sie holen eine Ecke, Behrens schraubt sich hoch, köpft leider genau in die Arme des Keepers – immerhin ein Angriff!
Augsburg weiter im geruhsamen Vorwärtsgang, einmal muss Freddy weit aus dem Tor heraus, um zu helfen. Kurz nach einer Augsburger Ecke zeigt der Schiri auf den Punkt. War das im Strafraum, das Ganze überhaupt ein Foul? Der VAR schaltet sich ein, der Schiri geht TV gucken. Anders als einige mir bekannte Fernsehzuschauer und etliche Kommentatoren beantwortet der Herr in Gelb beide Fragen mit Ja, schenkt den Gästen den Elfer und die Führung. Die war vom Spielverlauf her berechtigt, aber doch bitte nicht so!
„Hier regiert der FCU!“ und „Kämpfen und siegen!“, reagieren die Ränge. Aufm Platz geht es hin und her, leider weitaus gefährlicher, verlagert sich das Spiel in unsere Hälfte. Endlich wieder ein Angriff der Unseren, der Ball kommt dicht vorm Gehäuse auf Fofana, doch der Keeper rettet in letzter Sekunde. Der wäre letztes Jahr klar drin gewesen, durchzuckt es mein Hirn. Wir kommen irgendwie in die Pause. Viel Mut machte mir das bislang nicht, und nun müssen wir uns erst einmal von mehreren Unionerinnen und Unionern verabschieden …
Unter ihnen befinden sich Nick und Fio, die es Jahrzehnte zu früh erwischt hatte. Für Nicks Familie hatte ich im Namen der Stiftung am Vorabend und auf der Viktoria Geld gesammelt, immerhin das konnten wir tun. Alle Kraft den Hinterbliebenen! Zurecht mahnt uns Stadionsprecher Christian, dass wir hier unten gut zueinander sind, auf die Menschen neben uns achten. Wie schnell kann dieses Leben vorbei sein.
„Auf geht’s Union, kämpfen und Siegen!“, beginnt die zweite Halbzeit. Den eher getragenen Gesang „Fußballclub Union Berlin in Weiß und Rot“ überschreien wir mit „Union, Union, Union!“ Die Augschburger foulen Käpten Trimmel im Strafraum, doch den Schiri interessiert das offenbar nicht. Es ist bereits das zweite Mal in wenigen Minuten, doch jetzt bittet man ihn erneut vor den Fernseh-Bildschirm. Die Angelegenheit ist offenbar zu klar, er gibt den längst fälligen Elfer tatsächlich! Damit beginnt das zweite Problem: Wer um alles in der Welt soll ihn schießen?
Robin nimmt sich der Sache an. Das klappte dereinst mal recht gut, aber nicht an diesem Tag der allgemeinen Verunsicherung. Völlig schwach geschossen, rettet der in die richtige Ecke gesprungene Keeper für seine Mannschaft. Robin Knoche, unser mit allen Wassern gewaschener Abwehrchef, stand gestern für mich komplett neben sich. „Die tun mir einfach nur leid!“, bringt es die Frau hinter mir auf den Punkt. Ähnlich glücklos agierte weiter vorn Fofana.
Jubel bricht aus, als in Minute 67 András Schäfer den Rasen betritt. Sofort bekommt unser Spiel mehr Biss, geht es konsequenter in die richtige Richtung. Schon reißen wir jubelnd die Arme hoch, weil des Gegners Tornetz zappelt, aber noch vorm Abklatschen gewahren wir die Abseitsentscheidung. Schon einmal hatte der Ball hinter der richtigen Torlinie gelegen, nur leider hatte das Ding beim zu schnell ausgeführten Freistoß noch nicht geruht. „Wir sind dran!“, ruft die Frau in meinem Rücken.
Doch weiterhin geht das Ding vorne aus vielleicht nicht nur irdischen Gründen nicht rein. Unser Trainerteam wechselt dreifach, bringt Kaufmann für Fofana, Roussilon für Gosens und Juranovic für Trimmel. Augsburg agiert verstärkt durch permanentes Hinfallen und sonstige Spielverzögerungen, schließlich sieht ihr Keeper sogar die Gelbe dafür. András schoss derweil schon zweimal aufs Tor – ich freue mich mittlerweile über jeden Schuss!
Die offizielle Spielzeit ist fast herum, als der Schiri nicht anders kann, als uns einen Freistoß zuzusprechen. Juranovic flankt gekonnt nach vorn zu Robin Knoche, der auf Volland weiterleitet. Der zieht beherzt ab, der Spielverzögerer von eben hat keine Chance! Die richtigen Tormaschen zappeln, wir liegen einander in den Armen, wie lange ist das her?! „Vielleicht sah der ein Foul!“, bremst Jürgen kurz die Euphorie, doch der Schiri und seine Assistenten scheinen machtlos, unser drittes Tor des Abends zählt tatsächlich!
Unsere bleiben am Drücker, aber es bleibt beim 1:1. Immerhin ein Punkt, immerhin eine klare Steigerung in Hälfte zwei, immerhin leben wir noch. Lasst uns diese Energie mitnehmen für die kommenden beiden Auswärtsspiele und dann unser nächstes Heimspiel. Möge diese zweite Hälfte unserer Mannschaft zumindest ein Stück weit etwas von dem wiedergegeben haben, was es braucht, um für jeden Gegner wieder „eklik“ zu sein, wie Urs diese Eiserne Wahrheit so vollendet aussprach.
Die vierte Halbzeit dieses Spieltags erlebe ich mit vielen Augschburgern und mir sehr lieben Unionern im Deftig am Mandrellaplatz. Bis tief in die Nacht singen wir zusammen unsere Lieder, lerne ich ein wunderbares Pärchen aus England kennen, mit dem mich nicht nur musikalisch eine große gemeinsame Vergangenheit verbindet. Dazu mindestens zwei Augschburger, die wie ich aus Thüringen kommen und, und, und. Zusammen mit dem General und seiner Daggi, den Schnuppingers aus Gosen, Zwilling Sam… – immerhin bin ich jetzt in der Lage, diese Zeilen zu tippen, Eisern heißt dit!
Wer: Laurenz Dehl (23)
Wann:12.12.2024