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Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)
Nun also stand das vielleicht vorletzte Entscheidungsspiel unseres geliebten Vereins an. Ging es gut, wären wir ausm Schneider, ging es andersherum, könnten wir gar noch direkt nach unten gehen. Bis wenige Minuten vor Anpfiff des Bochum-Spiels hatte ich nicht die Bohne was von der heraufbeschworenen Trainer-Diskussion um Nenad Bjelica gehalten. Ich gebe zu; Sie existierte für mich schlichtweg nicht! Nachdem Christian unsere Aufstellung verlesen hatte, beschlichen mich jedoch arge Zweifel: Warum derart defensiv, wollte Nenad das 0:0 möglichst lange halten?
Die Rechnung kam prompt: Unsere Mannschaft zeigte sich nach für mich halbwegs stabil anmutendem Beginn hochgradig verunsichert wie hilflos, und geradezu folgerichtig schlug das Spielgerät in unserem Tornetz ein. Machten nach der Halbzeitpause einzig die drei neuen Stürmer den Unterschied? … Seis drum, ebenfalls geradezu folgerichtig nach dem Offenbarungseid jener katastrophalen 1. Halbzeit übernahmen mit Loui, Marco und Böni drei Eiserne das Zepter.
Ich hoffte über alles, dass unsere Mannschaft nun endlich ihre verdammt lähmende Unsicherheit überwinden und das neue alte Interíms-Dreigestirn aus dem Hause Union unseren Jungs zumindest soweit helfen konnte, dass gegen unseren nächsten Tabellenkeller-Nachbarn mehr drin war als eine wie knapp auch immer ausfallende Niederlage. Machts für Euch, für uns, für alle, die Union im Herzen tragen!
Knapp 5.000 Eiserne im Kölner Stadion, während ich bis kurz vor Anpfiff nicht wusste, ob ich das Spiel sehen oder nur hören würde. So spannend Radio-Übertragungen auch sind, ich hatte große Angst vor dem: „Union klar die bessere Mannschaft, nur bislang ohne Torerfolg“, auf das dann irgendwann aus dem vielzitierten Nichts das erste fiese Gegentor folgen würde. Ein zwar sehr guter, aber zugleich äußerst kritischer Zeitungstext des von mir geschätzten Volker Ludewig tat sein Übriges …
„Schluss jetzt – und raus aufn Platz!“, schrie ich meine Rechner an. „Haut alles rein!“, rief ich in Richtung Mannschaft, mich hier und jetzt ausnahmsweise wiederholend: „Für Euch, für uns, für Micha und alle Eisernen auf dieser Welt!“ Knoche als Abwehrchef zwischen Leite und Doekhi, Trimmi auf rechts, Rouss über links, vorne Volland und Aaronson, dahinter Gosens, Schäfer und Khedira. Bedia, Hollerbach und Vertessen auf der Bank, genau wie Juranović, Haberer, Laidouni und Tousart.
Mindestens zwei unserer drei zuletzt genannten Stürmer hätte ich gern von Beginn an aufm Platz gesehen. Köln musste gewinnen, um überhaupt noch eine Chance auf die Relegation zu haben – und wir sollten alles reinwerfen, dass der Sieg diesmal endlich uns gehört! Harley-Paul ließ mich via Live-Schalte dabei sein, wie der Gästeblock unseren Schlachtruf als druckvollen Wechselgesang herausbrüllte. „Wieso schaffen Sie den Klassenerhalt?“, fragte die Reporterin unseren Trainer, worauf Marco einzig die Antwort blieb: „Weil wir Unioner sind!“
FC Kölle-Hymne mit silberne Puschel-schwingenden Cheerleader-Mädels. Kommt in dem Song echt „Dosenbier“ vor, als Kritik an der Kölsch-Reagenzglas-Praxis in den gastronomischen Einrichtungen der Domstadt? Die Fans jedenfalls singen noch weit ins Spiel hinein ihre Hymen weiter, Hut ab! Köln tief in unserer Hälfte! Nach 2.15 ihr erster Schuss, weit über unser Tor. Unser langer Ball kommt nicht an, Konter der Hausherren, den Rani mit einem Foul stoppt, für das er glücklicherweise nicht den Karton sieht.
Bald darauf kommt Aaronson zu spät, nächster Kölner Freistoß. Die Hausherren machen ordentlich Druck. Manchmal müssen sie hintenrum spielen, aber in Summe geht’s ausschließlich auf unser Tor, immerhin noch nicht zwingend. „Wir singen Rot, wir singen Weiß!“, höre ich unsere Auswärtsfahrer zwischen Kölner Gesängen. Trimmi versuchts auf seiner Außenbahn, sein Pass in die Spitze kommt nicht an, wieder Köln!
Dann sind wir doch mal in deren Hälfte, aber wieder nur der Ball nach vorn ins Leere. Freistoß Union, Pfiffe und Trimmi am Ball. Von den Rängen erklingt der Vorwärts-Song. Unsere bleiben am Drücker, rücken auf rechts vor: Einwurf nahe der Eckfahne, dann die erste Ecke. Trimmi bringt sie rein, passgenau auf Knoche, der das Ding in die Maschen köpft! Kurze Stille in den Heimbereichen, Jubel der Unioner im Stadion, und auch in meinem Zimmer wird’s laut. Wie steil ist das: Köln machte Druck, Union das Tor, Eisern!
Kurz darauf die nächste Ecke. Noch so ein Ding? Das wär‘s doch! Sie kommt rein, wird abgewehrt – aber Moment mal, war das nicht Hand? War es, und Schiri Aytekin zeigt nach kurzem Studium der Fernsehbilder auf den Punkt. Wer übernimmt die Verantwortung – Volland! Sein kurzer Anlauf lässt mich erstarren, doch in aller Ruhe setzt er das Ding in die Mitte, wo es unverzüglich einschlägt, 2:0! Wie irre bitteschön ist das – jetzt dranbleiben! Offenbar geht’s da einem Team noch um einiges schlechter als uns.
Köln muss wechseln, der vorhin von Rani Gefoulte geht raus. „Jetzt nicht pomadig werden!“, schreie ich meine Rechner an. „Fußballclub Union Berlin mein Lebenselixier!“, kommt es gut hörbar von den Rängen. Kurz darauf erklingt jener Gesang, welcher thematisiert, wann Union Deutscher Meister wird: „Irgendwann!“ Einer Meisterschaft gliche es, bringen wir diesen Sieg ins Ziel! Aber Köln ist auch noch da. Sie kommen durch, holen fast eine Ecke. András gegen drei, einer zu viel.
Schal-Gesang und Köln über Links, sie schlagen eine Flanke ins Aus. Auf den Rängen dominieren unsere offiziell knapp 5.000, Freddy pflückt den Ball sicher aus der Luft. Unsere über Links, Roussillon auf Volland, der jedoch technische Probleme hat und nicht zum Abschluss kommt. Fehlpass am Mittelkreis, Köln kontert und holt in Minute 35 die erste Ecke! Freddy wehrt ab, unser Konter wird durch ein Foul unterbunden, Gelb für Köln. Wars wirklich ein Foul? Egal!
Köln ackert weiter, dann auch mal wieder wir im Angriff, aber Abseits. „Jetzt nix fangen!“, denke ich laut, nicht vor dem Pausentee! Köln holt auf der rechten Seite die nächste Ecke. Sie kommt rein, heftiges Gerangel im 16er – nee, oder?! Rani bekommt, vielleicht ja zu Unrecht, seine eingangs verdiente Gelbe Karte und Köln den Strafstoß. Vielleicht zu Unrecht? Auch hier: Egal! Wir müssen damit leben – und nein, das Ding ist drin, der Anschlusstreffer in Minute 45!
Köln war platt, und wir brachten sie zurück ins Spiel. Sie greifen sofort wieder an, erst mal Abstoß. Als Unsere am Ball sind, haben sie es nicht eilig. So geht’s mit der dann doch noch knappen Führung in die Kabinen. Das würde doch hier keine Kopie unseres Auswärts-Heimspiels gegen Braga? Wie hatten wir die dominiert und Becker ihnen zwei Tore eingeschenkt, bevor sie zurück ins Spiel kamen und mit dem Anschlusstreffer unser Debakel einleiteten. Marco nimmt den verwarnten und damit für unser Endspiel Gesperrten heraus, für ihn kommt Haberer.
Union im Vorwärtsgang, Volland flankt von links – auf den Kölner Keeper. Ballverlust Union, Köln greift an, holt Eckball Nummer 3. In Minute 50 eine Riesenchance für die Hausherren: Einer völlig frei vor unserem Tor, doch er semmelt den Ball in den Spaätnachmittags-Himmel, erstmal aufatmen. Kurz darauf kommt Freddy unglücklich raus, irgendwie wackeln wir. Nächste Ecke Köln, Fast-Konter Union, leider abgelaufen. Foul an Haberer, Köln kassiert Gelb, „F-C-U-Fußballclub Union Berlin!“
Doppelwechsel in der Offensive, Bedia und Hollerbach für Volland und Aaronson. Unsere greifen an, Roussillon vorm Tor, zieht ab, der Torwart klärt zur Ecke. Weitaus schlimmer: Rouss muss verletzt runter und kommt nicht mehr wieder. Unsere schießen bald noch einmal aufs Tor, immerhin! Köln in unserer Hälfte – Freddy! Der Kölner Trainer wechselt alles ein, was er an Offensivkräften noch auf der Bank hat – und sie greifen an, bleiben am Drücker, holen mehrere Ecken.
Das Spiel tröpfelt so dahin. Die Kölner zeigen zahlreiche Fehlpässe, wirken bemüht wie unbeholfen – und stecken nicht auf! Von uns kommt, von den Rängen einmal abgesehen, nicht mehr wirklich was. Der Kommentator befördert den Effzeh in Liga 2, während ich Richtung Rechner flehe: „Bittebitte, macht irgendwie noch ein Tor. Hollerbach über rechts, immerhin eine Ecke, „Auf geht’s, Unioner schießt ein Tor!“
Der Ball – jetzt getreten von Trimmi-Ersetzer Juranović, kommt wieder auf Knoche, doch diesmal geht sein Kopfball weit daneben. Dann wieder Köln im Vorwärtsgang – und drin ist das Ding: Hymne, tobende Heimfans, der Effzeh lebt noch – und wir? Noch sind die Domstädter quasi abgestiegen und wir noch immer halbwegs im Rennen. War es dieses halbwegs, welches uns diese vertrackte Saison so elendig begleitete und uns nun womöglich zum Verhängnis würde?
Eine auf dem Papier selbst nach dem vorzeitigen Weggang von Altstars, Sternchen und unseren besten Angreifern für unsere Verhältnisse hochkarätig besetzte Union-Mannschaft hatte auf immer wieder neue Arten und Weisen Spiele verloren. Von heldenhaft bis beschämend war alles dabei – und jetzt? Das Stadion tobt, und die Nachspielzeit beträgt 6 Minuten. Köln hat Platz, schießt – Rønnow! Hollerbach dringt auf rechts in den gegnerischen 16er, passt in die Mitte – Mist verdammter, Schäfer kriegt die Pille nicht reingehauen.
Anders die Kölner, die im direkten Gegenangriff durch ein Eigengewächs dieses Spiel gewinnen! Mir wird schwarz vor Augen, in meinem Bauch krampft sich alles zusammen. Wieder holten wir, heute dazu bei Strafe des drohenden Direktabstiegs, einen limitierten, arg geplagten Gegner ins Spiel und vielleicht in die Liga zurück. „Wie wir nach einem 2:0 diese Mumie noch einmal wiederbeleben konnten, oje!“, schreibt Christoph ausm Gästeblock. Wie und warum werden wir durchstehen, was jetzt noch kommt? Mit „ganz kleinen“, statt „Weltmeisterbrötchen“, wie es in einem großartigen Poem heißt – weil wir Unioner sind!
Wer: Martin Krüger (45)
Wann:26.11.2024