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Bildquelle: JVE [], (Bild bearbeitet)
Morgen haben Mannschaft und Auswärtsfahrer die Chance, in der Pillenstadt das vor dieser Saison und auch nach deren Hinrunde schier Unmögliche zu erringen: einen Sieg gegen einen der wohl stärksten, in jedem Falle teuersten Gegner aus der 1. Bundesliga. Wir stehen im Viertelfinale des DFB-Pokals, nachdem wir gefühlte Jahrzehnte spätestens in der 2. Runde rausflogen. Trotzdem denke ich heute kaum an das Spiel selbst, sondern frage mich vor allem: Wird es zu Ende gespielt? So richtig Fußball, aufm Rasen, meine ich!
Letzten Sonntag ging meine Dauerkarte ohne mich AdAF. Ich war mit meiner kleinen Familie unterwegs, und eine gute Eiserne Freundin supportete statt meiner unsere gemeinsame Liebe. Als ich mein Handy wieder aktivierte, um endlich das Spielergebnis zu erfahren, fand ich stattdessen erst mal nur Bilder und Texte zu den Bannern auf der Waldseite und dem womöglich Fast-Spielabbruch An der Alten Försterei.
Die dazu gesagten Worte würden mehrere Bücher füllen. Nicht nur die Fußball-Herren im Nadelstreifen-Dress oder Medienangestellte beiderlei Geschlechts, auch wir Unionerinnen und Unioner nahmen da so manchen vermeintlichen Übeltäter ins verbale Fadenkreuz. Wieder mal ist kein Unioner, wer nicht ganz klar der Meinung ist, dass …! Es geht zum Glück auch anders. Sogar unter Journalistinnen und Journalisten, erst recht in der Eisernen Familie!
Das fängt an beim Präsi, Oliver Ruhnert oder Christian Arbeit – also janz oben im Hause Union. Verkürzt lese ich ihre Äußerungen so: Kritik an Doppelmoral des DFB und an der Verteufelung unserer Fußballkultur: ja, unbedingt! Persönliche Diffamierung via Fadenkreuz oder Mutter-Beleidigung: Nein, niemals! Auch für mich erforderte die Aussage: „2017 Kollektivstrafen abgeschafft, nun Hopp hofiert und zwei Schritte zurück gemacht“ eine Spielunterbrechung so vehement wie das Einsetzen leichten Nieselregens.
Auch die anschließende fußballnahe Liebeserklärung an den DFB – ach, lassen wir das! Gesichter im Fadenkreuz und Mütter-Beleidigungen finde ich dagegen totalen Mist. Neben der damit ausgedrückten Menschenverachtung lenken sie von der fanverachtenden Politik unserer Fußball-Obrigkeit ab. Spielunterbrechungen gibt es nämlich jetzt auch bei Bannern, die ihre Kritik intelligent, ohne jedwede Hass- und Schmäh-Tiraden zum Ausdruck bringen. Und sie liefern Möchtegern-Moralisten die Bühne, auf der sie uns als das „hässliche Gesicht des Fußballs“ verdammen können.
Fast schon witzig, wie der DFB-Boss im TV plötzlich gar zum Verfechter der Stehplätze wurde, nachdem ihm die Flachjournalistin soufflierte, gerade diese seien ja der Hort jedweder „Hässlichkeit“. Aber das „schöne Fußballgesicht“ ist für den DFB-Boss wie für fast jeden Fußball-Großverdiener ein braver Rummelplatz der Produktpräsentationen. Wir Fans haben zu konsumieren, zu löhnen und die Schnauze höchstens zum Bejubeln der Show zu öffnen. Choreos? Schon ok, wenn sie produktkonform sind wie das „bunte“ Love & Peace-Gesülze der Leipziger Red-Bull-Promoter. Die aus dem Stadion geworfenen Japaner waren offenbar keine Fußball-Bosse.
Apropos Choreos: Noch heute bin ich stolz auf die breit organisierte Aktion an unserem 1. Spieltag in der seit Jahrzehnten herbei-gesungenen 1. Bundesliga. Weil viele von uns die Erfüllung dieses Traums nicht mehr persönlich miterleben konnten, waren unsere Block-H-Unioner nicht nur in unseren Herzen, sondern auch durch ihre im Stadion präsentierten Konterfeis fast leibhaftig dabei. DAS gehört für mich in jedem Fall zum aller schönsten Gesichts jenes Fußballs, wie ich ihn liebe.
Wie wäre es, zu den Spielen des zutiefst hässlichen „Sommer-Märchens“ in der Blut-, Geld- und Öl-getränkten Wüste von Katar die entsprechende Choreo zu präsentieren: Rund um das Spielfeld werden Tausende Schwarz-Weiß-Porträts der auf den Stadionbaustellen umgekommenen Arbeiter hochgehalten. Sie alle gaben ihr Leben, damit die Fußball-Milliardäre dieser Erde ihr dreckiges Fußballgeschäft „schön“ einfärben und einem Milliardenpublikum zum Kauf anbieten können. Die Porträts all der dafür krepierten Menschen hochzuhalten, bräuchte es womöglich mehr Leute, als ins Stadion passen.
Ich weiß, ist nur eine Spinnerei – und ich danke vielen Unionerinnen und Unionern, dass sie mich durch ihre Eiserne Kreativität dazu inspirierten. Ich fühle mich reich beschenkt, weil ich nahe Berlin aufwuchs und so die Chance hatte, Eisern infiziert zu werden. Allzeit reich beschenkt, weil ich AdAF bis heute kaum Show, dafür jede Menge Fußball pur erleben und dabei meine Stimme mitsingen darf. Und wenn wir uns über die Form des Protests noch so heftig streiten – spalten lassen dürfen wir uns nicht!
Sonst haben die gewonnen, die uns aus Kurven und Stadien verbannen und restlos durch marktkonform optimierte Claqueure ersetzen wollen. Außerdem hoffe ich, dass wir die Fußball-Bosse nicht in Sachen Doppelmoral besiegen. Das fängt damit an, dass wir keinem Menschen – und erst recht keinem Unioner – ein Loch in Kleidung, Rucksack oder Schal brennen, wenn er oder sie eine andere Hautfarbe hat als wir. Selbiges geschah leider auch bei jenem letzten Heimspiel.
Kehren wir auch vor unserer eigenen Tür! Der Rassismus der Bosse: Beleidigt werden darf nur, wer nicht zu uns gehört!, ist mir ebenso zuwider wie jener durch Affenlaute, Brandlöcher & Co zum Ausdruck gebrachte. Ich bin froh, dass die aktiven Fan-Szenen vieler Vereine gegen die Wiedereinführung der Kollektivstrafen protestieren. Dass wir uns lautstark und heftig zu Wort melden für den Fußball, wie wir ihn lieben. Mama-Beleidigungen und Zielfernrohre haben da für mich genau so viel zu suchen wie Richtmikrofone in der Arena zu Hoppenheim.
Und morgen also Pokal in Leverkusen. Elendes Los gegen einen bis vor kurzem quasi unschlagbaren Gegner, den wir kürzlich fast im Sack gehabt hätten. Ich hoffe sehr, morgen folgt der jetzt zweifelsohne mögliche und mehr als fällige Sieg. Auf dem Platz und gern auch auf den Rängen. Volle Pulle, mit allen Freiheiten, die der Hexenkessel eines Fußballstadions bietet. Aber bitte ohne janz in echt Spielabbruch-reifen Kackscheiß, der am Ende nur uns selbst schadet. Eisern heißt dit!
Wer: Jérôme Roussillon (32)
Wann:07.01.2025