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Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)
Ich bin ich froh, dass ich nicht zum Stab unserer Mannschaft gehöre. Mein Kopf wäre nicht derart beim Stuttgart-Spiel, wie dies unbedingt erforderlich ist. Zu tief sitzen die Erinnerungen an das, was unseren Auswärtsfahrern inklusive Union-Delegation um Dirk Zingler in Rotterdam passierte. Platzwunden am Kopf, Hundebisse, eingekesselte Fans am Einlass – vor allem die wutentbrannten, ja verzweifelten Zeilen von Menschen wie Sandra Witt, deren Besonnenheit wie Friedfertigkeit ich sehr schätze, vermitteln absolut katastrophale Verhältnisse vor Ort.
Vieles riecht geradezu nach einer quasi „Zusammenarbeit“ von gegnerischen Hooligans, Polizei und gegnerischem Verein, aber Gerüchte sind ein schlechter Ratgeber. Nehmen wir uns ein Beispiel an den Unionerinnen und Unionern, die trotz aller Drangsalierungen Ruhe bewahrten. Das wird ein ekelhafter Tanz beim Rückspiel im Berliner Oly – und genau daran dürfen unsere Spieler samt Coach, Mannschaftsleiterin, Betreuern und Eisernem Busfahrer gerade jetzt eben nicht denken. Sie alle hatten kaum Vorbereitungszeit gegen einen Gegner, gegen den wir seit dem 23. Mai 2019 vier – im besten Sinne – heiße Tänze absolvierten!
Fast 100 Millionen höherer Marktwert sind das eine. Das andere ist eine junge hungrige Mannschaft, die uns gerade in deren heimischem Stadion sicher brutal unter Druck setzen würde. Immerhin um die 1000 Eiserne fanden sich, die weite Reise nach Prenzleberg-Süd aufzunehmen, um unsere Fußballgötter zu unterstützen. Und zumindest dreieinhalb Stunden vor Anpfiff denke auch ich vor allem an unser 9. Punktspiel der laufenden Bundesliga-Saison.
„Ich geb gar kein Spiel her!“, bekräftigte Urs Fischer auf der Pressekonferenz. Fokussiert müssen sie sein in diesen knüppelharten englischen Wochen, besonders jetzt, bei diesem VfB Stuttgart. Werden sie uns überrennen? Bleiben wir Urst „kompakt“, besonders zu Spielbeginn und in einer Eisernen zweiten Halbzeit? Ich finde es nach wie vor irre, dass wir gegen diesen altgedienten Bundesliga-Verein seit November 2016 eine Bilanz von einem Sieg, einer Niederlage und vier Unentschieden erkämpften. Apropos: „Auf geht’s, Union, Kämpfen und Siegen!“
Oh, Urs lässt Max auf der Bank! Taiwo und Sheraldo sollen derweil den gegnerischen Strafraum aufmischen. Zunächst aber drückt Stuttgart uns in die eigene Hälfte. Es dauert ein paar Minuten, bis auch wir uns dem gegnerischen Tor annähern. Und sie bleiben dran, Käpten Trimmel auf Taiwo, der knapp am Tor vorbei köpft, Eisern Union! Dann plätschert das Ganze so dahin. Der nächste als solcher kenntliche Angriff kommt von den Schwaben und endet in Andi Luhes Armen.
Einige Heimfans beginnen zu pfeifen, jetzt schon? Aber auch die Gesänge der vielleicht 29.000 Schwaben-Anhänger kommen jetzt ganz gut. Angriff Union, Kopfball Becker, abgewehrt, Einwurf für uns. Kurz drauf Becker auf Käpten Trimmel, am zweiten Pfosten vorbei, die dritte echte Torchance des Spiels – in der 16. Minute! Kurz drauf knallen sie das Ding vor unser Gehäuse, doch der Seitfallzieher streicht über den Kasten, 1:2 nach Chancen!
Mittlerweile haben unsere mehr vom Spiel, wie das Fachleute so gern sagen. Als auch Stuttgart mal wieder angreift, schicken sie eine Flanke ins Nichts, das da heißt: Toraus. Der Käpten und Taiwo mischen den gegnerischen Strafraum auf, erster, zweiter Ball – schade, aber alle Achtung, Jungs! Es geht weiter, zumeist Richtung Schwabentor, die VfB-Spieler beginnen, ein wenig herum zu foulen. Und schon wieder erobern Unsere den Ball, robust durch Khedira, der damit den Konter einleitet!
Der Ball kommt zu Becker, der stürmt nach vorn, behauptet den Ball und wartet auf Awoniyi. Dann schiebt er ihm den Ball zu, auf dass ihn sein Sturmpartner aus vielleicht sechzehn Metern halbhoch und unhaltbar in die Maschen zimmert! Union führt im fremden Stadion, und das nicht unverdient. Zum ersten Mal war Platz, und den nutzt unser stärkster Torschütze gnadenlos aus, großartig vorbereitet von seinen Mannschaftskameraden Khedira und Becker. So kann es weitergehen, Männer!
Schon wieder greift Taiwo an, bleibt dieses Mal aber hängen. Kurz drauf versuchen es die Stuttgarter mit einem Distanzschuss – Andi Luthe klärt zur Ecke. Die treten sie von rechts, Kopfball – knapp vorbei! Jetzt bloß nicht gleich den Ausgleich fangen! Der Ball geht hin und her, dann Flanke, Kopfball – und Andi hat ihn sicher. Stuttgart drückt wieder, aber zumeist entscheiden sie sich für lange Bälle, die sonst wo ankommen, aber nicht beim Mitspieler. Ich habe nix dagegen. Gegner, die gegen uns gekonnt schnell umschalten, sah ich oft genug.
Zwei Stuttgarter laufen sich beim Versuch, zu kreuzen, gegenseitig übern Haufen. Dann wieder ein paar lange Bälle der Marke überflüssig. Aufregung, als ein Unioner angeblich Hand gespielt haben soll – nix da. Die Unioner im Gästeblock stimmen unser Mantra an, Harley Paul schmaucht gelassen sein Pfeifchen, gerade sieht das Ganze wie ein Trainingsspiel aus. Dennoch bin ich erleichtert, als der Pausenpfiff ertönt. Erste Hälfte geschafft, unsere Mannschaft sieht alles andere als müde und abgekämpft aus.
Irgendwann nach Wiederanpfiff die 1. Ecke für Union: Trimmel auf Jaeckel, Gewusel im Strafraum, mehrere Unioner beteiligt – schade! Kurz drauf Ecke Stuttgart, einzig erwähnenswert, weil es ebenfalls deren erste ist. Sie bereiten einen Doppelwechsel vor. Währenddessen kassieren sie die erste Gelbe, kurz drauf wird der Bestrafte ausgewechselt. Die nächste Gelbe folgt auf dem Fuße. Gut 30 Sekunden später setzt der soeben Verwarnte die nächste Grätsche in den Mann an – Gelb-Rot Stuttgart in der 57. Minute!
Führung und eine gute halbe Stunde in Überzahl – erinnert sich noch jemand, was das für uns heißen kann? Egal, weiter geht’s, das Spiel plätschert wieder, es ist nicht gerade laut im immerhin zur Hälfte gefüllten Stadion. Pyro der Heimfans hinter Andi Luthes Tor, auf der Gegenseite versucht Taiwo, nun seinen Sturmpartner Sheraldo in Szene zu setzen, klappt leider nicht. Rani Khedira, der mittlerweile mehrmals niedergegrätscht wurde, grätscht seinerseits und sieht den gelben Karton.
Es wird gewechselt, Becker & Awoniyi erkämpfen unseren 2. Eckball, Zeit vergeht. Union am Ball, aber ohne den letzten Biss. „Ne frühe niedrige Union-Führung, dit is jefährlich!“, habe ich Blocknachbar Jo im Ohr. Stuttgart wirkt derweil verdächtig unfähig, wollen die uns in Sicherheit wiegen? Weitere Wechsel, Union spielt und stürmt – ohne das verdammte zweite Tor! Urs tauscht den Sturm aus. Jetzt auch wir mit ‘nem langen Ball nach vorn, Jaeckel trifft … das Außennetz. Das Spiel samt Nachspielzeit ist fast durch.
Das Ende vom Lied kennst du so gut wie ich: Abstoß Stuttgart weit nach vorn, über rechts in den Strafraum, Weitergabe, fünf Unioner um den Ballführenden herum. Der kommt dennoch zum Schuss, abgefälscht durch einen Unioner, und drin ist er, nahezu mit dem Abpfiff. Das ist bitter, erscheint völlig unnötig, fühlt sich wie eine Niederlage an. Einige Minuten später gings mir wie meinem Unioner-Kollegen Christoph: „Schade. Wobei es einem fast peinlich sein sollte, sich über einen Auswärtspunkt in Stuttgart NICHT zu freuen.“
Wer: Martin Krüger (45)
Wann:26.11.2024