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Bildquelle: Web-Schneiderei UG [], (Bild bearbeitet)
Erneut haben wir verloren. Ja, wir haben verloren und nicht nur die Mannschaft, die am Samstag mit 0:3 gegen den VfB Stuttgart verlor, sondern auch Teile der Unioner unter uns. Dass die Mannschaft seit Wochen keinen Sieg mehr einfahren konnte, nervt natürlich, ist aber in gewisser Weise nebensächlich. Spätestens, wenn man eine Nacht darüber geschlafen hat.
Gemessen an dem, was der 1. FC Union Berlin in den letzten Jahrzehnten erleben musste, sind diese 8 Pflichtspielniederlagen ein Klacks. Dennoch lässt der eine oder andere seinen Frust, den man durchaus verstehen kann, zu intensiv ab. Der Ton wird rauer, die Kommunikation, ganz gleich, ob man im Stadion ist oder sie auf den Sozialen Medien verfolgen kann, nehmen immer öfter eine Richtung an, die nicht den Werten unseres Vereins entsprechen.
Ich frage mich, was daraus geworden ist, wie man sich unter Unionern verhält? Nun könnte man meinen, dass es sich eher um „Neu-Unioner“ handelt und die sogenannten „Alt-Unioner“ sehr genau wissen, was geht und was eben daneben ist. Aber weit gefehlt, denn diese Diskussionskultur, in der man sich gegenseitig verbal und in schriftlicher Form angeht, kann man in allen Kreisen beobachten.
Der eine meckert über die Spieler, bezeichnet sie mit den unflätigsten Schimpfwörtern, die absolut gar nichts in unserem Stadion zu suchen haben und der andere trägt seinen Frust online aus. Wo kommen wir denn dahin, wenn solche Leuten die einfachsten Regeln, die simpelsten ungeschriebenen Gesetze, die unsere Werte darstellen, einfach über Bord werfen und sich teils so sehr vergessen, dass man sich im Ton vergreifen muss?
Selbstverständlich sind nicht alle so, ganz gleich, ob man erst kürzlich den Weg zu Union Berlin fand oder bereits seit Jahren und Jahrzehnten dabei ist. Ich will auch gar keinen Einzelnen an den Pranger stellen. Viel mehr geht es mir darum, einfach Mal meinem Frust einen Raum zu geben. Wie kann man es ändern? Jene, die beispielsweise die Boone´schen Regeln verinnerlicht haben, an ihnen ist es gelegen, auch in frustrierenden und in unsachlichen Momenten daran zu erinnern. Zeigt jenen, die sich nicht daran halten (möchten), dass dies nicht das Verhalten ist, welches wir uns auf die Fahne geschrieben haben. Das geht beim Eisernen Gruß im Supermarkt, an der Tankstelle, in der Nachbarschaft etc. los und endet im Stadion An der Alten Försterei, wenn man sich über die Fahne vor einem stört, einen Spieler beschimpft oder sich mit dem Blocknachbarn in die Flicken bekommen sollte. Teilweise wird man schief angeschaut, wenn man einen klar zu erkennenden Unioner im Supermarkt gegenübertritt und ihn mit einem erfrischenden „Eisern“ grüßt.
Manch einer ist regelrecht perplex und geschockt. Auch in solchen Momenten darf man gerne darauf hinweisen, dass es das Natürlichste der Welt ist, einen anderen Unioner zu grüßen. Erklärt ihnen, dass wir die Mannschaft nicht auspfeifen, nie einen Spieler zum Sündenbock machen, das Stadion nicht vor dem Schlusspfiff verlassen und die Heiserkeit der Muskelkater eines jenen Unioners ist. Grundtugenden dürfen nicht vernachlässigt werden. Und genau das wünsche ich mir ebenso in den sozialen Medien. Diskutiert mit Leidenschaft, seid hitzig, aber verliert nicht den Respekt voreinander.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass auch mir der Respekt hier und da flöten geht. Mittlerweile rollen sich mir die Fußnägel hoch, wenn ich auf der Facebookseite von Union Berlin Pro-Laidouni-Kommentare aus der arabischen Welt lesen muss. Nichts gegen deren Support, aber einen einzelnen Spieler über die komplette Mannschaft zu stellen, geht mir völlig gegen den Strich. Und das ist dann auch kein Support mehr, der das Kollektiv erhält.
Wo kommen wir denn dahin? Gut, diese Leute wissen es nicht besser. Denen ist unser Verein völlig gleichgültig. Laidouni hätte beim 1. FSV Wurst-Timbuktu unter Vertrag stehen können und diese sogenannten Fans würden sich dort exakt so verhalten und äußern, wie sie bei uns auftreten. Es nervt nur noch! Ich denke, so geht es einigen von euch.
Vor allem in den Sozialen Medien nervt mich so einiges. Über schwachsinnige Kommentare aus Charlottenburg kann ich nur müde lächeln. Umgekehrt passiert dies leider ebenso häufig. Dies wissen wir alle, aber auch hier frage ich mich, warum kann man seine Griffel nicht einfach im Griff haben und sich eben nicht auf dieses beschissene Niveau herablassen? Sorry, dass ich diese Worte wähle, aber ich bin davon maximal genervt.
Mein Frust rührt nicht aus den vergangenen Niederlagen, die wir nun erlebt haben. Auch nicht davon, dass wir in dieser Saison eben nicht so effizient sind, wie wir es seit unserem Aufstieg in die Bundesliga kennen. Mein Frust rührt von genau solchen Momenten, in denen jeglicher Respekt, vor allem unter Unionern, flöten geht.
Ich möchte und habe auch gar nicht vor, exakte Beispiele zu nennen, um nicht jemanden an den Pranger zu stellen. Der eine oder andere hatte sich auch in unserer Facebook-Gruppe mit seinem Beitrag bzw. seinen Kommentaren danebenbenommen. Dabei war es am Ende schön zu sehen, dass die Einsicht erfolgte, übertrieben zu haben und dies auch ganz klar äußerte.
Toll ist es auch, dass zumindest in unserer Gruppe, diese Entschuldigungen fast ausnahmslos angenommen wurden. Das gibt mir Hoffnung, dass man sich in solchen Momenten auf die Grundwerte besinnt. Das gilt für beide Seiten. Natürlich bin auch ich von der Niederlagenserie frustriert, aber was bringt es, wenn man Urs Fischer und Oliver Ruhnert nun madig macht?
Der Großteil weiß um deren Verdienste. Ohne Oliver und Urs wären wir doch gar nicht bis zum Abenteuer Aufstieg, Klassenerhalt, Conference League, Europa League und Königsklasse gekommen. Wahrscheinlich hätten wir noch die eine oder andere Saison in der 2. Liga verbracht. Ich für meinen Teil wünsche mir, dass Urs noch lange Trainer bei uns bleibt. Ebenso wie Olli, dessen Verdienste gar nicht stark genug honoriert werden können.
Klar, die Medien fangen nun bereits an, die Trainerfrage zu stellen. Das ist völlig legitim und normal im Proffußball. Unter uns gibt es den einen oder anderen Unioner, der ebenfalls der Meinung sei, dass Urs Fischer nicht mehr der Richtige für unsere Fußballgötter wäre. Meinungen kann jeder haben. Diese sollten auch ohne sich gegenseitig zu zerfleischen ausgesprochen und diskutiert werden können. Und genau das passiert leider nicht immer, was mich frustriert.
Ebenso nervt mich die immer wiederkehrende Diskussion, wer „mehr zu sagen“ und wer ein „wahrer Unioner“ ist. Das beobachte ich nun schon seit unserem Aufstieg. Ich möchte diese Fragen nicht beantworten und kann ihnen auch nicht viel abgewinnen. Wer entscheidet das denn? Einer, der seit 30 Jahren zu Union geht oder einer, der eben erst seit einem Jahr zu uns kommt? Wie anmaßend ist das bitte?
Bei uns sollte jeder willkommen sein, der sich mit unseren Grundwerten identifiziert und die Boone´schen Regeln nicht mit Füßen tritt. Manch einer vergisst, dass es genügend Unioner gibt, die eben noch kein Vereinsmitglied sind, sich aber seit Jahren intensiv mit ihren Möglichkeiten mit unserem Verein auseinandersetzen. Diese als sogenannte „Eventis“ abzustempeln, kann nicht der richtige Weg sein. Überlegt mal, also die, die sich nun angesprochen fühlen, wie ihr den Weg zum FCU gefunden hattet.
Ich möchte mich gar nicht als Moralapostel aufschwingen. Ich wollte mein Magazin lediglich dafür verwenden, um auf gut Deutsch Frust abzulassen. Es soll sich bitte niemand auf die Füße getreten fühlen. Falls doch, so bin ich natürlich für ein klärendes Gespräch, in welcher Form auch immer, zu haben. Lasst uns gemeinsam weiterhin positiv denken, auch wenn die Ergebnisse nicht sonderlich berauschend waren.
Es werden auch wieder Erfolge eingefahren. Manchmal dauert es eben ein wenig, aber sie werden kommen. Bis dahin sollten wir vermehrt auf uns und auf unsere Diskussionskultur schauen. Ebenso, wie wir uns gegenseitig, in einer nicht einfachen Phase, untereinander verhalten. Denn dit is Union, verstehste?
Wer: Jérôme Roussillon (32)
Wann:07.01.2025