Frank Nussbücker: Der nächste Goliath bitte! - Union Berlin ringt Dortmund nieder

Sieg des 1. FC Union Berlin über Borussia Dortmund

Bildquelle: Asanka Schneider [], (Bild bearbeitet)

Englische Woche im Seuchenmonat, und wieder spielt unsere Mannschaft im leeren Wohnzimmer gegen einen Liga-Giganten. Ein Verein, der in Sachen Budget und „Marktwert“ in einem anderen Universum zu Hause ist als wir – und mit dem wir uns dennoch in einer Spielklasse zu messen haben. Das allein schon macht mich – sorry für die Wiederholung – zuallererst mal mächtig stolz!

12 Jahre und 2 Tage ist es her, dass wir uns zum letzten Mal mit Borussia Dortmund II zu messen hatten. 3 Siege und Unentschieden stehen 2 Niederlagen gegenüber, Fortsetzung nicht in Sicht. Vor knapp 5 Jahren das letzte Freundschaftsspiel gegen die 1. Mannschaft des BVB, das nach 1:0 Führung mit 1:3 verloren ging. Die folgenden beiden Pokal-Duelle, bei denen wir Auswärts auf Rängen und Rasen Millionen begeisterten, werden alle, die wir dabei waren, niemals vergessen.

Gekämpft, gesiegt, verloren

Genau wie jenen 31. August 2019, an dem wir in unserem 3. Punktspiel in der 1. Bundesliga den haushohen Favoriten nach erneuter Führung und Ausgleich am Ende klar mit 3:1 besiegten. Klar meint hier nicht nur das Ergebnis, sondern das gesamte Geschehen auf dem Rasen. Und wir auf den Rängen feierten dazu wie irre – und genau das war es ja auch. Das Rückspiel in Dortmund verloren wir standesgemäß und leider nahezu ohne Eiserne Gegenwehr aufm Rasen.

Auch auf den Rängen waren wir dezimiert, weil unsere Ultras nicht ins Stadion durften, sich der Einlassdienst im Signal-Iduna-Park mal wieder so gar nicht mit Ruhm bekleckerte. Nun, die Security ist heute nicht gefordert in unserem Wohnzimmer, weil sämtliche Ränge verwaist sind. Dass wir das Spiel im normalen „Westfernsehen“ sehen können, ist mir da kaum Trost – und doch zeigt auch das, wo unser Verein, wo wir mittlerweile stehen.

Das Fernsehen schenkt uns gar nichts

Unsere aktuellen Berufs-Unioner aufm Rasen vor einem irren Stück Arbeit – während wir einem keineswegs geschenkten Fernsehabend ausgesetzt sind. Damit meine ich keineswegs die Gebühren für ARD, ZDF & Co, sondern den Umstand: Der 1. FC Union Berlin hat sich diese Übertragung durch jahrelange gute Arbeit auf allen Ebenen erarbeitet, ertrotzt, erkämpft. Egal, wie es am Ende steht: Der Kampf geht weiter, mindestens so lange, bis wir wieder mittendrin, statt nur dabei sind!

Endlich beginnt die Sendung, allerdings scheint sie einzig dem BVB gewidmet zu sein. Ein Tribut dafür, dass die eine ordentliche Stange mehr Fernsehgeld kriegen als wir? Oh, am Ende gäbe es noch was über den neuen Schalke-Trainer zu berichten, ist das hier der WDR? Endlich doch mal kurz Urs Fischer, dann geht’s zum Spiel. Unsere Hymne beschallt das leere Stadion. Immerhin weiß der Kommentator, dass wir alle die sonst mitsingen. Nun singe ich leise und allein vorm Endgerät.

Kurz vor der Pause wackelt unser Tor

Nach kurzem Abtasten unser erster schneller Angriff. Schade, Awoniyi spielt nicht ab. Nach 4 Minuten beschießen die Dortmunder erstmals unsere Grundlinie. Unsere Ersatzbank ist nicht mal voll besetzt! Nach 16 Minuten Riesenchance für Union, als Bürki einen der unseren anspielt. Schade, die Ecke verpufft. Unsere stehen gut, und Urs ruft rein: „…, auch mal dazwischenstehen!“ Der Wald hingegen bleibt stumm. Da ist es schön, wenigstens unseren Trainer zu hören.

Union spielt geil!, vermelden meine Notizen. Die Dortmunder scheinen noch nicht so ganz dabei zu sein, hab ich nix dagegen! Der Taz-Unioner ruft mich an. „Gegen Ende der Halbzeitpause bringe ich dir dein Stadionheft vorbei. Die haben uns aus dem Wald geschmissen!“ Daher also die seltsame Ruhe. Und Dortmund kommt. Kurz vor der Pause zimmert deren junges Supertalent den Ball gegen unseren Pfosten!

Führung, Ausgleich – alles wie gehabt

Fast bin ich Olaf dankbar, dass ich durch ihn die ersten Minuten von Hälfte 2 verpasse. Das war am Ende doch arg nervenaufreibend … Käpten Trimmel darf seine Ecken jetzt aufs Zuckertor bringen. Ihre Gefährlichkeit bleibt ausbaufähig. Konter Dortmund – zum Glück ins Aus. Dann mal wieder Eckball für uns. Der Käpten hebt seinen Arm, schießt in den Sechzehner. Grischa Prömel steigt inmitten mehrerer Dortmunder hoch, verlängert per Kopf auf Awoniyi, der durch Bürkis Beine hindurch, ebenfalls per Kopf, einnetzt!

 

 

Wir führen, ist das irre! Aber das Spiel dauert noch lange, und Dortmund kommt jetzt. Der Jungstar verpasst denkbar knapp, sonst wäre er unhaltbar drin gewesen, Schwein gehabt. Unmittelbar darauf fangen sie den Ball ab, und jetzt fackelt der Youngster Youssoufa Moukoko nicht lange. Die Maschen unseres Tors zappeln, und der Kommentator bejubelt den jüngsten Bundesliga-Torschützen aller Zeiten. Wie beim letzten Mal Am Stadion An der Alten Försterei gleicht Dortmund umgehend aus – und Union?

Lasst euch das nicht nehmen!

Greift an, natürlich! Schon bei unserem sensationellen 3:1 hatte es nur kurz so ausgesehen, als hätten sie uns im Sack. Klar, das wäre schon letzte Saison der „normale Gang“ gewesen, wars aber nicht! Und unsere Mannschaft ist noch um einiges stärker geworden … aber jetzt legt Dortmund tatsächlich richtig los. Wir kassieren die erste Gelbe, unser Tor unter Beschuss. Luthe hat ihn, und schon wieder Freistoß gegen uns. Jetzt standhaft gegenhalten!

Urs bringt zwei neue Spieler, der Gegner einen. Endo wird gleich mal gefoult, auch Dortmund bekommt eine Gelbe. „Bitte Männer, belohnt Euch!“, flehe ich Richtung Bildschirm. „Lasst Euch das nicht mehr nehmen!“ Urs feuert seine Jungs ebenfalls an. Muss er ja, der Wald ist schließlich zum Schweigen verurteilt. Ecke Union, aber der Käpten ist draußen. Teuchert tritt, Awoniyi schießt – schade, Bürki hat ihn. Sie fighten im Mittelfeld, beschießen unser Tor.

Und niemals vergessen: Eisern Union!

Ryerson holt eine Ecke heraus. Wieder tritt Teuchert an. Er zirkelt die Murmel genau so, dass Marvin Friedrich, etliche Meter vorm Tor freistehend, sie per Kopf rechts an Bürki vorbei ins Netz nagelt – wir führen erneut, Wahnsinn! Dortmund greift wieder an, bringt zwei neue Spieler, macht, tut. Luthe hat ihn, oder sie kommen erst gar nicht durch. Dann Becker auf Awoniyi – schade, um ein Haar das 3:1 wie beim letzten Mal AdAF mit uns auf den Rängen!

Unsere Spieler liefen bislang 8 km mehr als der Gegner, der einen irren Ballbesitz hat – na und? Erneuter Doppelwechsel Union, sie erkämpfen den Ball, verlieren ihn, bleiben dran. Meine Nerven flattern, obwohl unsere Jungs alles im Griff haben. Die Minuten ticken runter. „Nicht zu früh angreifen!“, mahnt Urs. Sie krauchen aufm Zahnfleisch – und jubeln wie ich, als endlich auch die Nachspielzeit abgepfiffen ist. Rausch, Triumph, Glücksgefühle, während Per Mertesacker uns im Studio zerknirscht gratuliert. „Wir haben Union runterfallen lassen“, bringt er den besten Satz dieses Abends. Schon ok, du bist noch jung und lernfähig. Sieg und 21 Punkte, Eisern Union!


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