Frank Nussbücker: Zwischen den Spielzeiten mit Eisern Union

Frank Nussbückers Gedanken zu Union Berlin

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

Ich erinnere mich noch gut an meine Unruhe vor einem Jahr: Würden wir auch unsere vierte Saison in der Beletage des deutschen Fußballs die verdammten 40 Punkte packen? Dazu schon wieder Europapo, mindestens 6 englische Wochen obendrauf, diesmal gar noch eine Etage höher als im Jahr zuvor! Wie käme unsere Mannschaft und wir alle mit dieser über Monate permanenten Mehrbelastung klar?

Und wieder hatten wir eine quasi neue Mannschaft aufm Platz, war der Kader ordentlich durchgewürfelt worden. „Das muss nicht immer gut gehen!“, hatte ich Meister Ruhnerts Worte gut im Ohr. Ist er wie ich ein furchtsamer Mensch? Das erste Spiel ausgerechnet das Derby, daheim in unserem Wohnzimmer! Als sich unser Präsident nicht so ganz glücklich mit dieser Ansetzung zeigte, kam aus Charlottenburg sogleich die gewohnt großmündige Ansage, wir hätten wohl Schiss vorm frühen Tag der Wahrheit.

Wir grinsten von der Tabellenspitze

Schiss hatte ich tatsächlich, obendrein keine Chance, meine Gefühle im Block anfeuernd herauszuschreien. Ich verfolgte das Spiel via Ticker am Strand von Hiddensee, wo ich schon bald noch besserer Dinge war als ohnehin schon. Schiss hatten unsere Mannschaft samt Stab und Rängen offensichtlich so gar keinen. Sie dominierten das Spiel und belohnten sich mehrfach. Der 3:1 Anschlusstreffer der Hertha gegen Ende kam geradezu schmeichelhaft daher.

Bis zum Ende der Saison, hatten wir selbst für einen Furchtsamen wie mich, nicht mal ansatzweise etwas mit dem Ligawechsel nach unten zu tun. Im Gegenteil, 7 Spieltage lang grüßten wir lässig vom schönsten aller Nichtabstiegsplätze! Und wer palaverte uns bereits die Meisterschale in die Vitrine? Vor allem Nicht-Unioner! Unser „Deutscher Meister wird nur der FCU!“ war feinster Eiserner Humor, oder wie erlebtest Du das?

Union für alle in Prag

Das „In Europa kennt euch keine Sau!“ einiger Rekordmeister-Anhängers sah ich als Auszeichnung. Ihrerseits ausgezeichnet fühlten sich offenbar ein Trupp Münchner Junggesellenabschieds-Feierer, auf die wir während unserer U-1966-Fahrt ins goldene Prag trafen. In einem Kellergewölbe mit Bierausschank direkt am Tisch sangen sie nur ganz kurz etwas über ihren Verein. Zunächst lauschten sie kurz unseren Liedern, bevor sie lauthals einstimmten ins „Eisern Union!“

Aus meiner Sicht genossen es diese Münchner Jungs einfach, für ganz kurz und wenn auch nur im Rausch, mit dazuzugehören zu diesem Irrsinn, den wir von Hause aus leben – zu jeder Tages- und Nachtzeit, längst nicht nur an Spieltagen und egal, in welcher Liga unsere 1. Herren gerade unterwegs ist. Außerdem hatten wir die erdrückende Überzahl an Liedern parat. Nach gemeinsamem Gesang schieden wir freundlich voneinander, „Eisern Union!

Eine unvergessene Aufholjagd

Dazu gabs als janz besonderen Höhepunkt Europapo im Stehen, daheim in unserem Wohnzimmer! Eine tolle Idee unseres Vereins, die elendige Verloserei so zu gestalten, dass jeder von uns mindestens eine Partie AdAF leibhaftig auf den Rängen zu rocken. Unser Stadion war anders beflaggt, die Ordner von all den UEFA-Bestimmungen merklich genervt und Christian durfte den Rasen nicht betreten, um uns zu begrüßen.

Daselbst zeigte uns der belgische Namensvetter alsbald, wie Union Spiele gewinnt. Diese kämpferischen Spielverderber schlugen uns mit unseren Waffen – na und? Wir feierten trotzdem, auch nach unserer nächsten Niederlage im brennenden Stadion von Braga. Waren wir doch noch zu unerfahren, wa? Denkste, Union schenkt doch nichts her, da sei Urs vor! In einer beispiellosen Aufholjagt gingen unsere Fußballgötter viermal hintereinander als 1:0 Sieger vom Platz!

In Europa kennen sie nun unsere Lieder

Na jut, in Malmö hatten wir echt Glück, dass der Schiri Nerven hatte und das Spiel nicht zu unseren Ungunsten abbrach. Etliche Gäste unserer Fanszene hatten derart wilde Sau gespielt, wie ich das bislang fast nur von unroten und sonst wie gefärbten Dödeln kannte. Es ging zum Glück gut, und so gesellten sich zu unseren Siegen aufm Platz ebensolche auf den Rängen. Wir kamen eine Runde weiter – und kriegten obendrein einen der berühmtesten europäischen Fußballclubs zugelost.

 

 

Ajax Amsterdams größte Siege sind schon ein paar Jährchen her, aber auch deren aktueller Kader wies einen deutlich höheren Marktwert wie Berühmtheitsgrad auf als unsre 1. Herren. Dennoch waren Unsere in Amsterdam das bessere Team. Sie schossen auch das einzige Tor der Partei, dem der Schiri leider die Anerkennung verwehrte. Musste die Entscheidung also bei uns fallen. Kein Unioner ließ sich lumpen, und so blieb den Ajax-Kickern am Ende nur der staunende Blick ins Viereck unseres kleinen, aber irre lauten Stehplatz-Stadions mit Bratwurst- und Bier-geschwängerter Atmosphäre.

Holt uns die Zukunft ein?

Ok, danach schossen uns die fiesen belgischen Unioner ausm Wettbewerb, unsere Lieder kennt man dank ultralauter Eiserner Reisekaders von nun an dennoch ganz gut in Europa. Kurz schien es dann, als sei generell die Luft raus bei unserer Mannschaft, doch sie und wir alle kamen wieder in Tritt. Am Ende stand Platz 4 in der Bundesliga zu Buche, unsere beste Platzierung aller Zeiten, und einmal mehr fanden die Unioner auf den Rängen den passenden Gesang: „So ‘ne Scheiße, Champions League.“

Wunderbar das alles, sportlich waren wir so erfolgreich wie nie zuvor. Die großen Diskussionen der letzten Zeit drehten sich um gänzlich andere Dinge. Da war zunächst die Frage, ob Investoren in die Liga mit einsteigen sollen oder nicht. Hier waren aus unserer Chefetage für einige Unioner ungewohnte Töne zu vernehmen. Ich musste plötzlich an Steinis Theaterstück denken, welches in einer Zukunft spielt, die um einiges näher scheint, als ich bis vor kurzem dachte.

Europapo – nur, wo?

Wird es demnächst eine ein Stein gemeißelte Bundesliga ohne Auf- und Absteiger geben, und Union ist dabei im Konzert der Großen? Und weil wir so riesig geworden sind, spielt unsere 1. Herren in der 250.000 Sitzplätze fassenden Google-Dom-Arena? Apropos, die nächste große Diskussion innerhalb unserer Eisernen Gemeinde drehte sich um den Austragungsort unserer Schampusliga-Spiele. Lange ging es in unserer Gemeinde, von der Presse begleitet, hin und her, bis die Entscheidung fiel.

Niemand von uns wird jemals vergessen, wie sich Europapo in unserem kleinen, aber irre lauten Stehplatzstadion anfühlt. Auf eben jenen Rängen, die Tausende Unioner mit ihrer Hände Arbeit errichteten. „Unser Stadion ist unser Dom“, setzte KRISPIN eine tiefe Wahrheit in Musik, und auch im Europapo erwies sich unser Wohnzimmer als Festung. Würde es das auch tun, wenn aufgrund diverser UEFA-Auflagen und Ansagen nur die Hälfte seiner Plätze für Unioner frei wäre?

Mit Hannes in der Schüssel

Vielen Pro AF-Aktivisten und Stadionbauern blutet das Herz nach der Entscheidung unseres Vereins, für Europas Beletage ins Oly zu ziehen. „Seele verkauft“, urteilte so mancher verdienstvolle Eiserne. Ich selbst rockte nicht mit bei der von mir sehr geschätzten Initiative, und ich bin auch kein Stadionbauer. Doch bei aller Abneigung gegen den kalten Nazibau im Westend mit viel zu viel Zwangsabstand zwischen den einzelnen Sitzschalen-Reihen freue ich mich drauf, zusammen mit Stadionbauer Hannes diesen Herbst hier Union zu leben.

 

 

Hannes, einer von denen mit der höchsten Stundenzahl beim Stadionbau, hat aus Gründen keine Dauerkarte mehr und daher nur noch äußerst selten einen Platz AdAF. In Liga 2 stand und brüllte er noch bei fast jedem Heimspiel mit uns im Block, doch seit wir erstklassig sind, traf ich ihn kaum noch zum Spiel. Du weißt so gut wie ich, warum das so ist. Ich mag Hannes jetzt nicht als Geisel missbrauchen, aber ich freue mich auch für ihn, dass er zumindest in Europa wieder dabei sein kann.

„Wo Du auch spielst, ja wir folgen Dir!“

Machen wir das Beste draus! Ich jedenfalls hoffe sehr, dass wir die olle Schüssel voll bekommen und für diese drei Abende zu unserem Dom machen! Ein Zuhause wird uns das Ding niemals werden, aber für mich gilt auch hier: „Wo Du auch spielst, ja wir folgen Dir!“ Und sollten wir tatsächlich nur den einen von Torsten Schlüter geforderten Punkt erringen, werde ich mich über den wie irre freuen. Schampusliga mit Union, das kommt sicher so schnell nicht wieder.

Support bei jedem Spielstand zeichnete uns aus und sollte auch hier gelten. Die Musike spielt nach wie vor in der Bundesliga – und dort wie überall auf Rasen UND Rängen. Sehr zu denken gab mir eine Grafik, die eine mögliche Aufstellung unserer 1. Herren zeigte, bei der alle gängigen Gerüchte-Neueinkäufe und sämtliche sich noch im Kader befindlichen Leistungsträger zeigte. Die mit Abstand „billigsten“ Akteure in dieser Runde trugen die Familiennamen Rønnow und Knoche!

Jeder ist wichtig, uns allen das Beste!

So fern es mir liegt, diesen oder jenen Teil unserer Mannschaft hervorzuheben: Unser womöglich weltbester Torhüter seit Potti und der unermüdliche Abwehrchef & Elfer-Versenker gehören zweifellos zu denen, die heftigst für unsere jüngsten Erfolge stehen. Klar bin auch ich gespannt, wie unser Kader am Ende der Transfer-Periode aussieht. Vor allem hoffe ich, dass alte und neue Teilzeit-Unioner ähnlich harmonieren wie bislang. Behält unsere Kabine diese Stärke, wird die Mannschaft das auch auf den Rasen bringen.

Bis dahin wünsche ich unseren derzeitigen wie zukünftigen Spielern eine verletzungsfreie Saisonvorbereitung und uns allen einen wunderbaren Sommer! Bleiben wir aufm Teppich und behalten wir auch auf den Rängen diese beispiellose Stärke, die uns seit vielen Jahren „immer weiter, ganz nach vorn“ bringt und dafür sorgt, dass wir gewinnen, selbst wenn wir laut diverser Anzeige-Displays verlieren. Eisern heißt dit, Eisern Union!


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