Frank Nussbücker: Wunder gibt´s nicht täglich - Union mit Remis gegen Slavia Prag

Union Berlin scheitert in der Gruppenphase

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

In des nahenden Winters grauer Infektions-Zeit ging es endlich mal wieder knapp zwei Stunden plus X nur um Union und den Fußball, den wir lieben. Auch wenn sich nur 5.000 Menschen in den Weiten des zum 4. Mal festlich rot erleuchteten Olympiastadions widersinnig eng aneinanderdrängen müssen: Der 1. FC Union Berlin spielt sein Gruppen-Endspiel gegen den vielmaligen & amtierenden tschechischen Meister Slavia Prag! Nicht als Test, sondern in einem europäischen Pokalwettbewerb, wow!

Daran war weder bei „Bluten für Union“, noch bei unseren Aufstiegen in die 3. Liga, 2. Bundesliga oder dem unvergessenen Spielklassen-Wechsel am 27. Mai 2019 zu denken, als unser Verein nach 30 Jahren wieder erstklassig spielte. Selbst in der letzten Minute des letzten Spiels der letzten Saison, als Max Kruse uns den Fahrschein für diesen neu errichteten europäischen Wettbewerb löste, hätte ich nicht gedacht, dass es an diesem letzten Spieltag der Gruppenphase tatsächlich um das Erreichen der Play-offs gehen könnte! Zu stark erschienen mir die beiden Spitzenteams aus Tschechien und den Niederlanden.

„Du hast keine Chance, also nutze sie!“

Diesen Satz pflegte unser Keeper Wolfgang „Potti“ Matthies vor so manchem Duell gegen Spitzenteams der DDR-Oberliga zu sagen, und so heißt es auch heute: „Auf geht’s, Union, Kämpfen und Siegen!“ Natürlich war ich traurig, dass ich kein Losglück hatte. Umso mehr hoffte ich, dass an diesem Donnerstagabend genau die richtigen Unioner das Gros der 5.000 zugelassenen Zuschauern ausmachen.

Würden sie es schaffen, in der unendlichen Weite jener Schüssel den Druck zu erzeugen, der unseren Fußballgöttern dazu verhilft, auch noch das letzte Quäntchen Energie auf den Rasen zu bringen? Verdammt abgezockt sind diese Schwarzbier-Städter, kämpfen und spielen können sie ebenfalls. Wie auch immer das Spiel ausgeht, niemand kann mir die Erinnerung an meine drei Spiele im rot-erleuchteten, bei allem Hall dennoch äußerst stimmungsvoll-sein-könnenden Berliner Olympiastadion. Nun aber ab zu Sam, denn natürlich gucke ich dieses Spiel nicht allein!

Erster Dusel für Union …

Kaum haben wir es geschafft, Gerät und Leinwand in Einklang zu bekommen, erkämpft Prag bereits den ersten Eckstoß. Kopfball-Pingpong im Strafraum, dann der Abschluss – weit übers Tor. Weiter Abschlag von Frederik Rönnow, unsere Offensivbewegung wird abgefangen. Die Unioner unter den 5.000 machen ordentlich Ballett auf den Rängen, und auf dem Platz haben wir mächtig Dusel. „Nie und nimmer!“, brülle ich die Leinwand an, als etliche Prager einen Hand-Elfmeter fordern.

Bei der Wiederholung in Zeitlupe muss ich weggucken, … verdammt Schwein hatten wir da gerade, weiter! Union kontert, die Schwarzbier-Städter obsiegen. Sie haben sich offenbar gut eingestellt auf uns, ohne selbst gefährlich zu werden. Müssen sie ja auch noch nicht, sie führen 0:0. Angriff Union, Becker auf Awoniyi – der Keeper hat ihn, schade. „Und wir lieben unsern Club, und wir sind stolz auf ihn“, kommt es von den Rängen. Prag kombiniert schnell, Sheraldo schaltet sich dazwischen, danke dir!

Rettendes Zittern des Gebälks

Jetzt ein schneller Konter der Unseren, doch der letzte Pass landet beim Gegner. Die Prager rücken vor, ein Schuss aus der zweiten Reihe geht wieder weit an unserem Kasten vorbei. Ecke Prag, der Ball segelt in unseren Sechzehner, Drehung, Hacke, Ball aufs Tor, Rönnow auf dem Posten. Taiwo stürmt, ist durch – „zwei Mann gleich bei ihm, schade“, singt Trio in meinem Kopf. Doch er gibt nicht auf, holt sich den Ball zurück, kommt dann aber nicht zum Abschluss.

 

 

Sheraldo fängt sich eine Gelbe, und schon wieder fällt ein Prager. Ist die Rasenheizung so heimelig? Mist, Prag ist links durch, wir kriegen den blöden Ball nicht weg, strammer Schuss aus guter Position – an die Latte. Unser Aufatmen erfüllt den Raum. Langsam wird’s hektisch auf dem Platz, Rudelbildung und Eiserne Gesänge von den Rängen. Unsere kommen nicht durch, Knoche wehrt einen starken Prager Angriff ab, Abstoß. Dennoch: Zur Pause haben wir Glück, dass wir nicht hinten liegen.

Danke, lieber Pfosten!

„Noch viel Luft nach oben, der 2. Ball kommt nicht an“, lautet Torsten Eisenbeisers Halbzeit-Fazit im Mittellinien-Chat. Jubel, als unsere Mannschaft den Rasen betritt, weiter geht’s! Union greift an, Prag foult, Freistoß von der linken Seite! Schuss aufs Tor, den 2. Ball hat der Keeper. Bald drauf unterläuft uns einer jener Fehler, die eine Mannschaft wie Slavia Prag eiskalt nutzt: Halb Quer-, halb Rückpass der Marke „NEEEEEEIIIIIN!“, der Gegner übernimmt dankend, Pass vors Tor, unhaltbarer Schuss, das falsche Tornetz zappelt.

Ok, müssen wir also 2 Tore schießen. Rudelbildung – ja, da hatte ein Unioner die Hand ausgefahren, aber der Prager „macht ganz schön viel draus“, bemerkt der Kommentator treffend. Aber schon wieder ein Ballverlust vor unserem Tor! Prag dankt, tankt sich vors Gehäuse, Schuss aus tödlicher Position – Pfosten! Unsere Atemgeräusche klingen besorgniserregend, das eben war das „sichere“ 0:2 …

„Ecken könnwa!“

„He FC Union!“, peitschen die Zuschauer unsere Spieler nach vorn. Als sie fast vors gegnerische Tor kommen, schallt es „Eisern Union!“ von den Rängen. Und sie werden immer lauter. Auf dem Rasen erkämpfen unsere einen Eckstoß. Der 2. Ball ist fast drin! Mist, aber nächste Ecke. Weit rausgeschlagen, der Ball kommt vors Tor, Eckball Nummer 3. Der kommt irgendwie zu Max Kruse, welcher einen Moment braucht, bis er aufs Tor schießt – und ja verdammt, irgendwie geht er rein!

Schreien, Aufatmen, Abklatschen, das Spiel ist wieder offen, und wir haben noch einiges an Zeit! „Und wir lieben unsern Club, und wir sind stolz auf ihn“, brüllen die im Stadion unsere Gedanken. Union greift an, der Käpten wird gestoppt, bekommt den Freistoß nicht. „Wir sind Unioner, wir sind die Kranken!“ Konter Prag, Rönnow hat ihn. Er macht ein gutes Spiel, beim Tor und den zwei Pfostentreffern war er machtlos. 75. Minute – „Ecken könnwa!“ Schade, leider nicht immer.

Wunder gibt’s nächstes Mal wieder

Die Minuten vergehen, eine nach der anderen, ohne dass wir zwingend vors Prager Tor kommen. Die Schwarzbier-Städter testen weiterhin ausgiebig des Olympiastadions Rasen-Beheizung, aber das ist es nicht allein. Slavia abgezockter, spielerisch besser und leider auch immer wieder gefährlicher. Obendrein sind sie alles andere als bereit, uns auch nur einen echten Fehler zu spendieren. Unsere Spieler fighten, die Kulisse der 5.000 steht – und doch sieht gerade alles nach dem Ende unserer Europa-Tour aus. 5 Minuten Nachspielzeit!

Auch die ticken herunter, bei 3,18 Ecke für Union. Rönnow mit vorn, bekommt den Ball serviert, Kopfball – nein, das Wunder bleibt aus. Ja verdammt, es gibt diese Tage, an denen der Gegner stärker ist als die 1. Herrenmannschaft unseres geliebten 1. FC Union Berlin. Die Erleichterung der Prager beim Abpfiff verrät mir, dass unsere hier eine Menge rausgehauen haben. Ja verdammt, wir sind raus, aber aufrecht und mit Schmackes. Bei aller Trauer bin ich stolz auf unsere Mannschaft und die Unioner auf den Rängen. Noch drei schwere Spiele, dann hoffentlich durchatmen, Eisern heißt dit!


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