Frank Nussbücker: Wohin des Wegs? Union gibt niemals auf!

2024 Rückblick Union Berlin

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

Grau ist der Himmel, das passte dieses Jahr nicht nur meteorologisch auf die gefühlten 5 Monate des „Berliner Winters“, sondern auch auf gefühlt jede Menge Spieltage unseres geliebten Vereins. Nach der desaströsen Hinrunde der letzten Saison inklusive tränenreichem Abschied von Urs und Hoffi schien es zunächst so, als hätten wir das von uns vielgesungene „Kämpfen und Siegen!“ endlich auch wieder auf den Platz gebracht, bevor es hintenraus dann doch nochmal Niederlagen hagelte und tabellarisch arg eng wurde.

Union gibt niemals auf!“, titelte das Unionprogramm zum finalen Fight gegen den SC Freiburg. Wie eng es auch hier wurde: zwei Elfmeter vergeigt, den letzten immerhin noch per Nachschuss Klasse-erhaltend versenkt, vergaß ich bis zum Schreiben dieser Zeilen dank unseres am Ende dann doch geradezu schmeichelnden 15. Platz in der Abschlusstabelle. Erst auf den 6. Blick fiel mir jetzt auf, dass uns vom Relegations-Schleudersitz-Platz nach unten lediglich das weniger schlechte Tore-Verhältnis trennte.

Niederlagen-Hagel statt blauem Europapo-Himmel

Nach der Sommerpause, neues Trainerteam an Deck, sah zunächst einiges wieder nach dem hymnischen „janz nach vorn“ aus, was die Spielergebnisse betraf. 4 Siege, 2 Unentschieden und lediglich eine Niederlage ließen so manchen in der Leitung wie auf den Rängen sachte vom erneuten Europapo träumen, bevor stattdessen ein erneuter Niederlagen-Hagel über uns hernieder dräute, lediglich von zweieinhalb Unentschieden unterbrochen. Wobei ich das Bochum-Spiel selbst ohne eventuelle Niederlage am grünen Tisch als gefühlt verloren werte.

80 Minuten plus X in Überzahl – ich alter Bedenkenträger erinnerte mich nach der Roten Karte des fies foulenden Bochumers sofort an unsere 1:1-Niederlage in Braga am 29. November 2023. Da wurde unser Gegner zwar „erst“ in Minute 31 dezimiert, und wir gingen bald darauf immerhin in Führung, bevor unser inständiges Bitten um das Gegentor in Minute 51 „endlich“ erhört wurde. Die zweite Halbzeit jüngst gegen Bochum empfand ich noch um etliches trostloser als jene im portugiesischen Felsenstadion, von ihrem hanebüchenen Finale gar nicht erst anzufangen.

Gegentore wie Leberhaken

Es war bereits das zweite Mal in dieser Saison, dass ich an die gerade genannten Braga-Kicker denken musste. Hier allerdings traf mich die 2:3-Niederlage im Oly vom 12. Dezember 2023 weitaus härter und körperlich schmerzhafter als jene jüngst gegen den VfB Stuttgart. Als wir gegen Braga mit 2:0 führten, hatte selbst ich Profi-Pessimist nahezu fest daran geglaubt, dass nun der gordische Knoten geplatzt sei und Union endlich wieder Union-untypisch erfolgreich kicken würde. Das 2:1 kurz vor der Pause und der finale Knockout in der Nachspielzeit fühlten sich an wie echte, knackige Leberhaken.

Mir wurde kurz schwarz vor Augen und verdammt übel im Bauchraum. Beim Stuttgart-Spiel hingegen wusste ich bereits nach dem 2:1-Anschlusstreffer der Schwaben im direkten Gegenzug nach unserer sensationellen, zu diesem Zeitpunkt gar nicht mal unverdienten Führung: „Oh Fußballgott, du bist ne grauenhafte Type!“ Ich staunte geradezu, dass wir das Unentschieden bis nahezu kurz vor Ende der Nachspielzeit verteidigten. Gleichwohl waren das allesamt gebrauchte Abende, mit denen weder das vorletzte noch das nunmehr scheidende Jahr geizte.

Eisern singende und kämpfende Arminen belehren uns schmerzhaft

Um dieses Teilthema endlich abzuschließen, muss ich jetzt leider doch noch unser diesjähriges Pokal-Aus gegen den beherzt aufspielenden wie eiskalt zuschlagen momentanen Drittligisten DSC Arminia Bielefeld erwähnen. Die Arminen fighteten genauso, wie ein 1. FC Union Berlin fighten musste, müsste und muss, um erfolgreich Fußball zu spielen. Dazu stärkte sie eine Kulisse, die eindeutig Erstliga-reif daherkam! Aber ganz ehrlich: Nichts anderes hatte ich erwartet von den wackeren Arminen auf den Rängen.

Dass jene auf dem Rasen dem an nichts nachstanden, wurde uns zum Verhängnis. Selten zuvor und nie wieder erlebte ich eine derart verdiente Niederlage meines geliebten Vereins. Selten zuvor und nie wieder danach fiel es mir derart leicht, einem Gegner zu dessen Sieg über uns zu gratulieren. Nun aber genug in gefühlten wie tatsächlichen Niederlagen gesuhlt. „Wir sind Unioner, wir sind die Kranken“, und lange genug war klar, dass es nicht auf ewig derart steil nach oben gehen konnte wie zwischen 2008 und den ersten beiden Spieltagen der Saison 2022/23.

Eine altehrwürdige Union-Tradition?

Erschreckend wenig Tore schossen wir auch letzte Saison, dazu gehörten wir „damals“ jedoch zu den Schießbuden der Liga. Zumindest das ist in im ersten Fast-Halbjahr der laufenden Spielzeit nicht mehr so. Hier gehören wir gar zum oberen Teil der Tabelle, vorm Bremen-Spiel rangierten wir hier auf Platz 3 der am erfolgreichsten arbeitenden Defensiven. Hinten möglichst lange nichts kassieren – und dann vorn vielleicht doch mal zuzustechen, das ist erstens zweifellos nichts für Fußball-Liebhaber.

Zweitens jedoch war dies bereits unter Trainerfuchs Heinz Werner und seiner allzeit unvergessenen Helden-Mannschaft um Wolfgang „Potti“ Matthies, Achim „Bulle“ Sigusch, Vorstopper „Rolli“ Weber und ihre Kollegen eherne Union-Tradition. Waren wir damals weit eindeutiger auf die Underdog-Rolle festgelegt und obendrein bescheidener? Keine Ahnung, ich wollte es an dieser Stelle jedoch unbedingt erwähnen. Und sei es auch nur, um zu sagen: So öde es gerade aufm Platz aussieht, es geht auch wieder aufwärts – „Irgendwann!“.

Na und nu?

Apropos, auf der Heimfahrt nach dem Desaster gegen die vonne Castroper sang ich zusammen mit Blocknachbar Feuerwehrmann Jo galgenhumorig: „Und irgendwann, irgendwann einmal, spielt Union auch wieder regional!“ Nun, so schlimm wie jene Dekade in Ligastufe 3 nebst historisch notwendiger Stippvisite in der vierthöchsten nationalen Spielklasse muss es sicher nicht kommen. Für mich fühlt sich unsere momentane Ergebniskrise unangenehmer an als nahezu alle der letzten 16 Jahre.

Das gilt einschließlich jener der letzten Saison, als es plötzlich und dann sehr lange so gar nicht mehr laufen wollte. Innerhalb einer Spielzeit auf Platz 1 und 18, das hatte bei allem Frust ordentlich Schmackes! Diesmal ist es sachter, ist das gut oder schlecht? Wie es sportlich wieder „nach vorn“ gehen könnte, dazu fehlt mir die nötige Expertise. Vieles von dem, was ich 2022 in meinem letzten Union-Buch „Eisern nach oben“ schrieb, kommt mir jetzt vor wie aus einer anderen Welt. Kaum etwas ist schnelllebiger, als der Fußball. Kaum etwas spielgelt unsere Gesellschaft derartig rasant wie er. Wie sind wir gerade aufgestellt? Wird das neue Trainerteam passen?

„Union gibt niemals auf!“

Was mir jetzt wie bislang immer und auch weiterhin bleibt, ist das gegenseitige „Eisern!“, begegne ich Unionern auf der Straße. Dazu werde ich auch im neuen Jahr jede Begegnung mit meiner U-1966-Crew, den Wirtsleuten und Gästen meiner Köpenicker Stammkneipe Deftig oder meinen Blocknachbarn im Stadion als besondere Augenblicke genießen. „Wo Du auch spielt“, wird mich der neueste Song der Eisernen Müggelheimer begleiten, den ich genauso liebe wie überhaupt jede ihrer Kompositionen.

Was mir bleibt sind weiterhin all die Spieltag für Spieltag und zwischen ihnen gesammelten Erinnerungen, namentlich unter anderem jene an Orgel-Bernhard, Fio, Janine, Max und all die anderen, die uns bereits Richtung Sektor H(immel) verließen. Ich denke an KRISPIN-Songs wie „Wir sind Union“ und „Union vergisst Dich nie“, Sportis und Ret Langmeyers „Eisernet Lied“, und wo immer ich auch bin, begleitet mich immer wieder dieser oder jener Eiserne Stadiongesang. 1. FC Union Berlin, Du gehörst zu meinem Leben und ich wünsche Dir – uns allen, ein frohes und gesundes neues Jahr – und ich sage es gern nochmal: „Union gibt niemals auf!“


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