Frank Nussbücker: Was für ein Eisernes Jahr 2021 …!

Jahresrückblick 2021 Union Berlin

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

Unsere aktuelle Saison begann im Grunde damit, dass Max Kruse in der letzten Nachspielzeit-Minute des letzten Bundesligaspiels der letzten Saison den Ball ins gegnerische Tor klinkte. Freude- und biertrunken lagen wir einander feiernd in den Armen. Dabei hatte ich an Bord von Eddylines Viktoria noch keinerlei Vorstellung davon, was diese 3. Eiserne Saison in der höchsten nationalen Spielklasse für uns bereithalten würde!

In jener 2. Bundesliga-Spielzeit hatten wir nicht nur souverän die Liga gehalten. Quasi nebenbei wurde wahr, was Eiserne etlicher Generationen immer wieder sangen: „Und irgendwann, irgendwann einmal, spielt Union auch international …“ Diesmal würde das Ganze nicht im Zuge des kalten Kriegs total ausfallen wie 1968 und auch nicht aufgrund mehrerer Terroranschläge verschoben werden wie 2001. Nein, dieses Mal würde ein weltweit agierendes Virus für unvorhersehbare Bestimmungen sorgen.

Erinnerung und Neubeginn

Die Saison selbst begann für mich mit einem Paukenschlag abseits des Heiligen Rasens. Zur Premiere der Lebensgeschichte meines Kindheits-Idols Wolfgang Matthies fanden sich neben Potti auch Bulle Sigusch, Rolli Weber und ihr aller Fußball-Lehrer Heinz Werner zum Eisernen „Klassentreffen“ im Bootshaus Sportdenkmal ein. Heinz Werner und seine Schützlinge ließen zusammen mit einem interessiertem Fachpublikum die 70er und 80er Jahre unseres Vereins Revue passieren. Solange ihre Geschichten weitererzählt werden, überleben sie – von mir aus liebend gern ewig.

Der Pflichtspielbetrieb begann im altehrwürdigen Grünwalder Stadion gegen einen Gegner mit unterirdischer Fan-Unkultur. Weit auseinander stehende Unioner hatten Mühe, das Trommel-begleitende Gewäsch der Anhänger eines unaussprechlichen Drittligisten zu übertönen. Zu verstehen war das schwarzgekleidete Häuflein kaum. Sie sangen was von „Ha Ho He“ und brüllten an Max Kruses Mutter gerichtete Nettigkeiten. Deren Sohn bedankte sich umgehend mit dem einzigen Tor des Spiels – und tschüss.

Solider Beginn & stimmgewaltiger Europapo

Die Liga begann Pandemieverordnungs-bedingt mit halbvollem Wohnzimmer, aber volle Pulle Union auf Rasen und Rängen. Nach früher Führung errangen unsere Fußballgötter ein Unentschieden gegen Petzekusen, gefolgt von einem ebensolchen in westdeutscher Provinz. Dort drehten die Hausherren das Spiel nach unserer frühen Führung, ehe Taiwo Awoniyi den verdienten Punktgewinn sicherte. Unsere Fußballgötter spielten auf Augenhöhe mit diesen finanziell haushoch überlegenen West-BSGen, das alles zu den Gesängen Tausender Unioner auf den Rängen!

Schon wieder eine englische Woche: Auswärts-Heimspiel im Berliner Olympiastadion, Europa-Quali! Zuvor der Aufschrei von Fans des Hauptmieters jener Schüssel. Deren in warmes Rot getauchtes Oval erschien so manchem blau-weißen Berliner Fußballfreund als Entweihung seiner juten Stube. Ich verließ das Oly mit dem Wissen: Selbst mit 22.159 Zuschauern kann hier eine bombastische Stimmung herrschen! Müssen halt die Richtigen im Stadion sein. Zum glanzlosen 0:0 aufm Rasen feierten wir zusammen mit den Ultras unseren Verein, die letzte Saison wie das sichere Erreichen der ECL-Gruppenphase.

 

 

Stets kraftvoller Support

Überlegen erwiesen wir uns AdAF gegen Borussia Mönchengladbach. Ich kiekte das Spiel neben Potti auf der Haupttribüne – und bemerkte erst in der 70. das Fehlen der Ultras samt Vorsängern. Für mich gehört es zu den Stärken unserer Fanszene, dass jeder seine Liebe zum Verein so auslebt, wie sie oder er das will. Die Ultras haben ihre Gründe, warum sie bei Heimspielen fehlten. Die kann ich toll oder weniger toll finden – ich akzeptiere sie und bin stolz darauf, dass unser Support in jedem Fall laut ist. An dieser Stelle verneige ich mich vor allen, die im Stadion für eine echt Eiserne Kulisse sorgten.

Sinkende Corona-Zahlen und englische Wochen begleiteten unseren Weg. Streit um G-Zahlen – einige gingen aus Protest, andere aus Furcht vor Ansteckung nicht in die Stadien. Dennoch fand sich zu jedem unserer Spiele ein laut singender Chor. In der Liga mussten ohne Trommeln und Vorsänger vor allem kurze Gesänge her. Auch das „Eisern! – Union!“ oder „Wir lieben Union, jawoll!“ zwischen Waldseite und Gegengerade samt Kicherkurve erwiesen sich als probate Mittel.

Freuden und Abgründe

Das Oly rockten wir unter der Regie der Vorsänger. Bei den Spielen gegen Haifa und Rotterdam waren gar Gästefans dabei. Sie hatten akustisch keine Chance gegen unsere Übermacht. Es hat schon was, wenn alle singen, statt einzig die Ultras hinterm Tor. Der bittere Beigeschmack des Haifa-Spiels bleibt uns leider erhalten wie Kacke am Schuh. Ich erlebte an jenem Abend ein Fußballfest mit Bekloppten verschiedener Farben, ein paar Arschgeigen hatten etwas anderes vor. Zumindest einer von ihnen ist glücklicherweise kein Union-Mitglied mehr.

 

 

Unsere Mannschaft meisterte Prüfung auf Prüfung. Gegen stark spielende und Bier verschüttende Mainzer folgte der erste Auswärtssieg der Saison. Gegen fies fallende und ungeahndet foulende VW-Städter erkämpften 11 plus knapp 11.000 Unioner ein sensationelles 2:0 Am Stadion An der Alten Försterei. Dem folgte die fürchterliche Auswärtsfahrt in die Niederlande, bei der gegnerische Hooligans und Vereinsführung nebst der Polizei elendigste Gastfeindschaft zelebrierten. Aufm Rasen verlor unsere Mannschaft gegen einen Gruppen-Favoriten, der allenfalls für illegale Hooligan-Cups zugelassen gehört.

Viel Licht, phasenweise Schatten

Trotz der Dreifach-Belastung zeigte unsere Mannschaft großartige Spiele in der Liga. Im Pokal gewannen sie gegen einen kämpferisch starken Drittligisten erst in der Verlängerung. Nach wie vor passen Union und Favoritenrolle denkbar ungünstig zusammen. Umso besser, dass das Weiterkommen dennoch gelang. So etwas ging auch schonmal gründlich in die Hose. Ärgerlich nur, dass wir uns gleich in mehreren Partien späte Gegentore einfingen. Einsatz und Leistungen aufm Platz beeindruckten mich dennoch zutiefst: tolle Mannschaft, tolles Team, eben erstklassig.

Auf den Rängen zeigten wir zudem immer mal wieder, dass Fußballfans manchmal eben doch mehr können als das Gros unserer modernen Mobbing-Gesellschaft. Unterläuft einem Torwart ein Fehler, fällt das nahezu immer schwer ins Gewicht. Mindestens zweimal sah der unsere äußerst unglücklich aus, einmal davon spielentscheidend – beide Male stärkten ihm „Luthe“-Rufe den Rücken. Solange wir zusammen gewinnen und verlieren, ist das mein FCU!

Zwei verdiente Siege

Es nahte das Derby, zum 5. Mal in der 1. Bundesliga, zum 2. Mal mit Zuschauern. Dass unser Wohnzimmer dabei erst- und vorerst letztmalig prall gefüllt war, stellte die gegnerische Haupt-Kampflinie. Wie erbärmlich sei unser Verein und „sein“ Senat, mir kamen die Tränen. Mein Platz blieb erkältungsbedingt leer, den überlegenen wie verdienten Sieg unserer Mannschaft erlebte ich am Bildschirm. Eiserne Gesänge gaben einen würdigeren Rahmen als Raketenbeschuss oder ein versuchter Platzsturm. Drei Punkte, wieder offene Stadtmeisterschaft, Eisern!

 

 

Erst nach der anstrengenden Reise nach Israel merkte ich unseren Spielern die Mehrbelastung an. Wir verloren verdient, knapp & unglücklich bei der Frankfurter Eintracht – um 5 Tage später das schwerreiche Konstrukt eines Brause-Österreichers zu dominieren. Aus Gründen wieder bei Potti auf der Tribüne, gewahrte ich: Der Funke zwischen Waldseite und Gegengerade sprang diesmal nur selten über. Dann aber doch, und die „Luthe“-Rufe nach dem quasi geschenkten Brause-Ausgleich haben für mich eine Aktie an unserem Sieg.

Ein Punkt ist ein Punkt

Der hätte höher ausfallen können, genau wie weitere 5 Tage später unsere 1:1 „Niederlage“ gegen Slavia Prag. Ja, die waren leider besser als wir. Anschließend bewahrheitete sich in der Liga der weise Spruch eines Blocknachbarn: „Unsere Niederlagen gegen Fürth werden immer knapper!“ So mancher von uns schämte sich, dass wir damit die einzige Mannschaft sind, die gegen ansonsten stark vom Pech verfolgte Fürther verloren. Viel besser gefällt mir da der Verweis auf Robin Hood: „Wir holen es von den Reichen und geben es an die Armen!“

Vier Tage später suchten uns Streichs verdammt starke Freiburger im Wohnzimmer heim. 5.000 Menschen verwandelten unser Stadion phasenweise in einen echten Hexenkessel. Immer wieder gab es Momente, wo sich das ganze wie unsere prall gefüllte Burg anfühlte. Auch unsere Mannschaft kämpfte beherzt und eroberte einen Punkt. War ich nach Abpfiff vor allem erleichtert über diesen, erzählte mir wenig später die Spielzusammenfassung: Da war sogar mehr drin!

Wir singen zu Hause

Drei Punkte mehr auf dem Konto hatten wir nach dem schweren Auswärtsspiel beim beherzt aufspielenden Aufsteiger aus Bochum. Andi hielt in seinem langjährigen Heimstadion unseren Kasten sauber und Polti blieb ohne Treffer. Der gelang unserem vom Heimpublikum mal wieder heftig angefeindeten Kruse-Max. Das Bochumer Publikum gewann im Becherwerfen zu Null, unsere Mannschaft samt Auswärtsfahrern siegten dafür zu Null im Ergebnis, zählt schlussendlich bedeutend mehr!

Union schenkte mir etliche Glücksmomente in dieser unsäglichen Mobbing-Pandemie. Unioner bleiben am Ball, ob beim Suppe-Ausschenken für Bedürftige, dem Bau von Behelfsunterkünften für Obdachlose und nicht zu vergessen beim Säubern unseres Walds vom Nachspiel-Plastikmüll. Unioner räumen ihren „eigenen“ Dreck weg – Klasse Aktion, liebe Union-Oldies! Nehmen wir uns daran ein Beispiel! Und bleiben wir frohen Mutes und trauern wir nicht ob des abgesagten Weihnachtssingens im Wohnzimmer. Singen wir trotzdem am 23.12.! Singen wir dort, wo wir sind, ab dann ist Weihnachten, Eisern Union!


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