Frank Nussbücker: Union gegen BVB - Niederlage mit schmierigem Nachgeschmack

Union Berlin Pleite gegen BVB

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

Wird eng heute! Wenn wir was reißen, dann ein Unentschieden.“ Das prophezeite mir auf Nachfrage der Unioner, dem ich mich bei der Anreise anschloss. Seine Worte deckten sich mit meinen Gedanken. Ich war dankbar, dass ich mich ihm anschließen durfte. So lernte ich endlich auch mal die Anfahrt über Elsterwerdaer Platz mit direkt anschließendem Linienbus zum S-Bahnhof Köpenick kennen. Die klappte wunderbar, und so fand ich mich pünktlich zum Vorbereitungsgetränk mit meinem U-Boot-Käpten und Metze im Deftig ein.

Ich genieße es sehr, dass wir Unioner vor und nach dem Spiel derartig viele Möglichkeiten der Spielvor- und Nachbereitung zur Verfügung haben. Ob Deftig, Sandmann, Union Tanke, Abseitsfalle, Tusche, Dönerladen oder Bude, diese oder jene Straßenecke oder Platz – überall finden sich Eiserne zusammen, um gemeinsam hinüber in den Spieltags-Modus zu reisen. Bei mir gehörte gestern bereits die Busfahrt dazu, und ich danke meinem Begleiter dafür, dass ich meine mir so teure Melone nicht in selbigem liegenließ.

Liturgie – und ab geht’s!

Bevor es aufm Platz losging, waren unter den gegnerischen Na-unds mit Julian Ryerson und Nico Schlotterbeck zwei Fußballgötter zu begrüßen, beziehungsweise ersterer nachträglich mit Brief & Siegel zu verabschieden. Dann aber los, Achim Mentzel, Sporti, Hymne, Anpfiff! Einige der angereisten Lüdenscheider erwiesen sich wiederholt als textunsicher und brachten ihren Fäkaljargon mit ein, leider auch schon bei unserer Ehrung zweier von internationalen Turnieren zurückkehrenden Fußball-Göttinnen.

Mit dem Eisern-Union-Wechselgesang ging es in die Partie. Ein Unioner wird gefoult, aus dem Gästeblock quillt ungesund aussehender Qualm, der Schiri unterbricht das Spiel, Zeit für: „Und wir lieben unsern Club, und wir sind stolz auf ihn, FC Union aus Berlin!“ Als es weitergeht, zeigen Unsere einen wunderbaren Spielzug, dessen Abschluss dicht am gegnerischen Gehäuse vorbeistreicht – sofort wird unser Gesang noch lauter. Union bleibt am Drücker, holt die erste Ecke, erobert den Ball im Mittelfeld – Attacke!

Starker Beginn von Union

Dortmund baut auf, notgedrungen mit reichlich hintenrum. Den Gästeblock höre ich hin und wieder die Berliner Verkehrsbetriebe besingen. „Wir sind Unioner, wir sind die Kranken!“, lautet unsere Antwort. Die Gastmannschaft erhält erste Freistoß-Geschenke, na und? Roussillon versucht einen Durchmarsch und kommt fast bis ins Ziel. Foul eines Dortmunders, er geht zu seinem niedergemähten Gegenspieler. Ich dachte schon, er will sich nach dessen Befinden erkundigen, doch der Schurke klaute nur kurz das Spielgerät.

Gerade, als es den Anschein macht, die BVG wolle das Zepter übernehmen, legen sich Unsere wieder mächtig ins Zeug. Sie suchen und gewinnen Zweikämpfe, holen Ecken heraus, sind einfach Eisern giftig. „Union am Ball, olé-olé!“ Mal wieder ein kredenzter Freistoß für den Gegner, dann wieder Union: schade, der Ball geht drüber! „Terzić wird seine Abwehr umstellen!“, prophezeit Nachbar Jürgen, dann erklingt unsere Bella Ciao-Version. Dann aber bricht der Gegner durch, Freddy rettet in höchster Not!

Eiskalter Schlag ins Netz

Und die Dortmunder nähern sich zunehmend gefährlicher unserem Gehäuse. Ein verdammt gut platzierter Kopfball aus kurzer Distanz, unser wackerer Schlussmann lässt uns dankbar seinen Namen rufen: „Rønnow, Rønnow!“ Einige Minuten später, kurz nach einer Union-Ecke, bei der es links von mir Glitter regnete, ist jedoch auch er machtlos. Der Schuss des Dortmunders knallt an die Querlatte und von dort hinter unsere Torlinie. Was für ein Mist, dass wir uns zuvor nicht mit einem Tor belohnen konnten.

 

 

Das Ganze in Minute 41, wo auch die Unseren so gerne Tore schießen. Jürgen ist sauer: „Wie kann man dem derartig viel Platz lassen!“ Unser Mantra erklingt, und nach verdammt starken 30 Minuten gehen wir dann doch mit einem Rückstand in die Pause. In ihr verabschieden wir den Unioner Thommy mit dreifachem Schlachtruf in Block H. Die Halbzeit eröffnet die Waldseite mit dem Schließerlied, Dortmund holt eine Ecke. Jetzt kein 0:2, schreit es in mir, vom großen Fußballgott erhört.

Ein Tor wie geschmiert?!

Dortmund verengt die Räume, und doch erkämpfen Unsere immer wieder das Spielgerät. Als der Gegner kontert – sie sind jetzt klar gefährlicher als wir – klärt Freddy zur Ecke. Dann Juranović über rechts auf Hollerbach, der sich den Ball zu weit vorlegt. Schade, aber sie bleiben dran, zeigen Charakter! Ecke Union, der Keeper fängt. Auch das sah bis zum harmlosen Abschluss vielversprechend aus. „Eisern kämpft Union!“, begleitetet von unseren Gesängen und anfeuerndem Jubelgeschrei, wenn Unsere in den gegnerischen Sechzehner dringen.

Foul Dortmund, der Schiri sieht nichts. Ein Unioner berührt seinen Gegenspieler, Freistoß! Die Arbeit des theoretisch Unparteiischen wird zunehmend durch unsere Pfeifkonzerte gewürdigt. Ich weiß wie Du, dass es müßig und bequem ist, über den Referee zu meckern. Dieser hier jedoch arbeitete für mich zunehmend mit zweierlei Maß. Gipfel des Ganzen: Das 0:2 für die Gäste unmittelbar nach aus meiner Sicht klarem Foulspiel des Torschützen. Dass der Treffer auch nach VAR-Check Bestand hatte, machts keinen Fatz besser.

Dumpfbräsige Begleitmusik

Das Spiel war verloren. Kurz vor der Pause ein reguläres, in Minute 90 ein vom Schiri-Gespann erzieltes Gegentor waren jedoch längst nicht das einzige Ärgernis an diesem Samstag. Als ausgesprochen positiv sehe ich, dass sich unsere Mannschaft nie aufgab, über weite Strecken eine starke kämpferische Leistung bot, die sich leider nicht auf den Tafeln unseres Anzeigehäuschens spiegelte. 13:14 Torschüsse sind das eine, dass jene der Gäste zumeist gefährlicher daherkamen, das andere.

Abseits des Rasens lag fette Aggressivität in der Luft. Ein mir sehr lieber Nachbar geriet mit dem vor ihm Stehenden aneinander, nachdem ihm dieser mit seiner vermeintlich höheren Fachkompetenz zu sehr auf die Pelle rückte. An den Latrinenpilzen gerieten ein paar ausgewachsene Bleichgesichter in vorpubertäre Aufregung, als dort ein Unioner mit deutlich dunklerer Haut seine Notdurft verrichtete, am Barkas musste ein auf noch niedrigem Niveau Pöbelnder des Platzes verwiesen werden. Können wir uns bitte drauf einigen, dass wir alle zunächst einmal Unioner sind? Eisern heißt dit!


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