Frank Nussbücker: Union vertrödelt Punkt(e) – Heimniederlage gegen Borussia Mönchengladbach

Gladbach besiegt Union Berlin

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

Ich versuchte im Vorfeld alles, wirklich alles, mit keiner Faser an unsere Bilanz gegen die Fohlen zu denken. Soooooo viele Siege, bislang nur ganz wenige Niederlagen, und im Moment läufts doch wieder, oder? Immerhin erfreute ich mich an einer äußerst entspannten Anreise, auf der ich drei Gladbach-Fans von unserem Verein vorschwärmen durfte. Ich hatte mich in ihr Gespräch eingemischt, als sie anerkennend vom Stadionbau und der Stimmung AdAF sprachen.

Vater und Sohn, letzterer kickt in der U15 eines uns schmerzlich bekannten Vereins, waren echte Fußballfans, genau wie der dritte im Bunde – und ich mit garantiert weniger Ahnung vom Geschehen auf dem Rasen gesegnet. Als wir uns, in Köpenick angelangt, das Beste wünschten, wusste ich noch nicht, dass einzig ich auf schmerzliche Weise Recht behalten sollte. Im Tor der Gäste mit Moritz Nicolas ein Mann, der immerhin ein Pflichtspiel für uns absolviert hatte. Das „Fußballgott!“ bekam er natürlich um die Ohren, genau wie Marvin Friedrich.

Per ist wieder da!

Keine Werbung im Mittelkreis – hatte ich was verpasst? Offenbar ja, denn ich war aus verschiedenen Gründen einige Zeit nicht im Block gewesen. Danke, liebe Nachbarn, dass Ihr mich noch erkannt und ein Eckchen für mich freigehalten habt! Wumme in Hochform: Rot und Weiß sind die Farben von Berlin, Achim Mentzel, kurzes „Wir warn am Ende“-Intermezzo, dann volle Pulle Eisernet Lied!

Bevor Christian unsere Mannschaftsaufstellung verkündete, hatte er uns die überaus gute Nachricht zu überbringen, dass unser Unioner-Kollege Per, der während des Spiels in Stuttgart ins Koma gefallen war, heute erstmals wieder im Wohnzimmer unter uns weilte. In seinen Zeilen bedankte sich Per bei seinen Eisernen Lebensrettern Jonas und Thorben sowie vielen weiteren Unionern, die sich um die Rückgabe des Leihwagens und um noch viel, viel mehr gekümmert hatten. Union ist eben noch immer weit, weit mehr als Fußball!

Der Ball rollt

Nachdem wir Per herzlich willkommen in seinem Wohnzimmer hießen, ging es nun tatsächlich ums heutige Spiel. Rani mit der Kapitänsbinde für unseren gesperrten 350-Spiele-Capitano Trimmi, Ilic als Mittelstürmer, hinter ihm Hollerbach und Skarke, vier Abwehrspieler vor Frederiks Kasten. Der prall gefüllte Gästeblock sang die Gladbacher Version unseres Vorwärts-Songs. Wir an der Mittellinie versahen ihn mit dem richtigen Text, bis die Waldseite mit dem Anstimmen des „Eisern!“ „Union!“ das Kommando übernahm, gefolgt von „1. FC Union Berlin – und alle!“

Die Unioner aufm Rasen derweil im Vorwärtsgang, leider ging der finale Kopfball direkt auf den Torhüter. Ballgewinn Union – Mist, die falsche Entscheidung getroffen, aber weiter Attacke! Fehlpass Gladbach, Fehlpass Union – Konter der Fohlen in der 5. Minute, unser Torwart hat ihn sicher! Gästeblock und wir messen uns noch immer in den vor Minuten angestimmten Gesängen. Unser Support erscheint mir irgendwie gebremst, bitte lass sich das nicht auf den Platz übertragen!

Alle schweigen für Nici

Mist, Gladbach auf rechts durch – zum Glück bleibt Frederik der Sieger, danke Torwart! Unsere versuchen sich in der Offensive, doch der Gladbacher Konter überschüttet uns mit Eis. Lehrbuchmäßig schnell sind sie frei vor unserem Kasten, zappelt unser Tornetz, liegen wir hinten. So ein Mist aber auch, wo war hier unsere Abwehr? Fackeln im Gästeblock, wir singen weiter. Der harte Kampf um die akustische Hoheit im Stadion findet nach genau 15 Spielminuten sein geplant abruptes Ende.

 

 

EINMAL UNIONER – IMMER UNIONER! RUHE IN FRIEDEN, NICI, verdichtete das große Waldseiten-Banner unsere Trauer um jenen 14-jährigen Ehren-Ultra, der seinen langen, harten Kampf gegen den Krebs am Ende doch verloren hatte. Alle Fahnen eingeholt auf der Waldseite wie im Gästeblock, eine einsame Fackel für den Verstorbenen über dem ihm gewidmeten Banner und unser aller Schweigen gaben dem tapferen jungen Mann das ihm gebührende Geleit.

Fast der Ausgleich

Als der Support nach 1 Minute und 5 Sekunden, gestoppt von meinem Stadionnachbarn Torsten, wieder einsetzt, stürmte Hollerbach auf links vor. Keine Chance, der Ball landete beim Tormann. Als kurz darauf das Spiel unterbrochen wird, stehen wir im sprichwörtlichen Dunkel. Keine Ansage, nichts, alle Spieler sammeln sich an der Seitenlinie – Trinkpause mit Glühwein, Becher-, Schneeball- oder Feuerzeugwurf-, Erdbeben im Anmarsch? Nein, Jonas Nicolas im Gladbacher Tor hatte sich verletzt und musste ausgewechselt werden.

Passend zur Situation gings mit „Wir sind Unioner, wir sind die Kranken“ weiter. Deutlich zu merken: Der neue Mann im Kasten war noch nicht warm! Er leistete sich ein paar kleine Patzer, die wir jedoch nicht zu nutzen vermochten. Freistoß Union, er kam sogar an! Sein leises Ende bildete ein Schüsschen aus nächster Nähe und genau auf den Keeper. Der nächste Angriff der Unseren strich knapp vorbei, dann aber waren wir auf links durch: beste Position – Mist verdammter, das Ding geht drüber!

Und wieder schlägts bei uns ein

Vorher abgefälscht, also wenigstens Ecke, welche allerdings nichts einbrachte. Damit standen sie und alle bisherigen Eisernen Angriffsversuche im krassen Gegensatz zum folgenden Gladbacher Konter. Wieder geht’s verdammt schnell, erneut steht der richtige Mann am rechten Ort, hält seinen Schlappen hin, lässt unser Tornetz und den Gästeblock zum zweiten Mal beben. Gegentor mit Ansage, unsere Defensive der sprichwörtliche Hühnerhaufen – sorry, liebe Feder-tragenden Tiere.

„Kämpfen und Siegen!“, schallt es von den Rängen. Dem nächsten Gladbacher Gesang auf eine von uns oft gesungene Melodie brüllen wir den Namen unseres Vereins entgegen: „Union!“ „Union!“ im Wechsel zwischen Waldseite und Gegengerade samt Sektor 4. Und auch wir müssen verletzungsbedingt wechseln, Rothe kommt für Skov, beste Genesung, Robert! Aufm Platz wird’s nicht besser, unsere Mannschaft wirkt müde, entmutigt, bestenfalls bemüht. Meine Notizen ermahnen mich, dass ein weiterer Abschluss nur knapp danebenging, ein anderer immerhin die Querlatte erbeben ließ.

Union vergisst Euch nie!

Den nächsten echten, leider ganz und gar nicht frohstimmenden Höhepunkt bildete die Verabschiedung der von uns Gegangenen in der Halbzeitpause. Nicht nur Nici wurde aus dem Leben gerissen, sondern u.a. unser Torwart „Leo“ Weiß oder Nachwuchs-Torwarttrainer Marlon. Auch er, ein junger Mensch und eben solcher Familienvater, ging viel zu früh! Ich wünsche seiner Familie alle Kraft dieser Welt! Helfen wir ihnen, wo und wie wir das können und dürfen – das ist Union und muss verdammt nochmal so bleiben. Alle von uns Gegangenen ehrten wir mit ihrem unserem Schlachtruf, „Eisern Union!“

 

 

Halbzeit 2 begann mit unserem Bundesliga-Song. Zweimal dröhnte er übern Platz, auf welchem die Unioner einen Gang höher schalteten: Union auf rechts, sogar Gefahr war dabei, „Wir lieben Union, jawoll!“ Hollerbach einzelkämpfert auf Links, holt immerhin eine Ecke, „hinein, hinein!“ Leider nichts da, nur ein frommer Wunsch. Mehr und mehr wechselten unsere Versuche wieder ins „durchaus bemüht“. Schließlich lag einer von uns im gegnerischen Strafraum – Foul? Meine Frage ist ehrlich gemeint, ich sah es nicht. Unsere bleiben am Drücker, attackieren weiter, janz in echt gefährlich.

„Scheiß DFB!“ – und dann doch Elfmeterjubel

Das Spiel lief weiter, bis der Schiri offenbar einen Wink aus dem Kölner Keller bekam. Von Pfiffen begleitet ging er Fernsehen kieken. „Scheiß DFB!“, ergingen sich Waldseite und Gästeblock im Wechsel-Gesang, zuvor vernahm ich „Und ihr macht unsern Sport kaputt!“ Protest und fäkalische Wut gingen in riesigen Jubel über, als der Schiri mit großer Geste verkündete: Strafstoß! Soweit die Schizophrenie des Fußballs, aber wer sollte das Ding schießen.

Ilic nimmt sich die Pille, läuft an, erzielt das verdammte Tor für uns. Na klar freute ich mich darüber, und doch jubelte ich weit weniger, als ich das von mir nach Union-Toren kenne. „Mal sehen, ob wir wenigstens noch den Ehrentreffer erzielen!“, hatte ich in der Pause mit dem Langen gefrotzelt. In der Tat brauchten wir offenbar genau diesen Strafstoß, um das Spiel zumindest offen zu halten. Und noch wäre genug Zeit für mehr …

Union versuchts …

Sofortiger Doppelwechsel bei Union, Baumi bringt Prtajin und Benes für den Torschützen und Haberer. Warum nimmt er Jeong nicht raus, und wann bringt er endlich Ljubicic, fragte ich mich. „Den hebt er sich für den besonderen Moment auf!“, vertröstete mich meine Nachbarin Evi. Ich zähle mich nicht mal zu den halbwegs begabten Hobby-Cheftrainern, aber das Spiel des Südkoreaners gefiel mir heute noch weniger als sonst. Ecke Union – der Nachschuss ging aus für meine trüben Augen vielversprechender Position „ohne Not daneben!“, wie ein Blocknachbar es verdichtete.

Hollerbach arbeitete lieber aussichtslos gegen drei Gegenspieler, als im richtigen Moment abzuspielen. „Ansonsten wäre der so toll!“, rief jemand hinter mir. Klar, es geht auch mal gut und er trifft, gegen Hoffenheim sogar doppelt, aber passt dieser geborene Einzelkämpfer wirklich in eine Union-Mannschaft? So lauteten meine Gedanken – und ja, ganz sicher hätte ich hemmungslos gejubelt, hätte er auch in diesem Spiel getroffen. Allein, an diese Möglichkeit konnte ich am Samstag zu keiner Zeit glauben.

… zu spät – und doch Eisern bleiben!

Gladbach wechselte die halbe Mannschaft aus, kassierte zwischendrin eine natürlich längst fällige Gelbe – und schickt sich an, das Ding hier jaaanz sicher nach Hause zu schaukeln. 85. Minute, endlich kommt Ljubicic, obendrein gegen jenen, den ich nicht nur hier als glücklos empfand. Es würde sogar noch 6 Minuten obendrauf geben, oder waren es nur 5? Egal, uns hätten vielleicht nicht mal weitere 45 Minuten geholfen. Immerhin drehten sie nochmal ordentlich auf, doch das nützte uns zumindest vom Ergebnis her am Ende nichts.

Wer weiß, wozu diese Niederlage am Ende doch noch gut ist? Meine Frage ist ernst gemeint – und hast Du eine Antwort, her damit! Ich stimmte in unser Mantra mit ein, applaudierte unserer Mannschaft. Ich wünsche mir vor allem, dass wir die Hühnerhaufen-Taktik in der Defensive wie in Halbzeit 1 so schnell nicht wiedersehen, zumindest auf Union-Seite. Mehr Blick zum Mitspieler im Mittelfeld und ganz vorn steht ebenfalls auf meinem Wunschzettel – und Richtung Fußballgott: „Nun lass doch mal wieder so ein Ding wie jenen Schuss an die Querlatte reingehen!“ Wir sehen uns im Stadion, Eisern Union!


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