Frank Nussbücker: Kampf dem Krampf - Union Berlin unterliegt der TSG Hoffenheim

Union Berlin verliiert zuhause gegen Hoffenheim

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Drei Tage nach unserem ersten Schampusliga-Auftritt, am Morgen lag Christophs Karte aus Madrid in unserem Briefkasten, hieß es: Auf ins Wohnzimmer, 800 Hoffenheimer kommen, dazu deren Mannschaft samt Stab. Da ich zuvor gemeinsam mit meinem Autorenkollegen Mikis Wesensbitter am Barkas zu tun haben durfte, kam ich erst eine knappe Stunde vor Anpfiff im Block an. Eiserner Dank an meine Nachbarn, die sich dick genug gemacht hatten, dass ich und nach mir sogar noch Lieblings-Italiener Helmut hineinpasste.

Die Steinis mit Senior, Onkel Wolfgang und André fast vollzählig! Danke nochmal, dass Ihr mich einst hier willkommen hießet! Inzwischen sei es auf weiten Teilen unserer Ränge schwer geworden, einen freien Platz zu finden, hörte ich. Als die Hoffenheimer einlaufen, empfangen wir sie gebührend, zwei von ihnen, die nachher das Gros von uns als „Fußballgott“ begrüßt, erhalten Szenenapplaus, als sie auf uns zu laufen, Marius Bülter ebenso wie der andere.

Wir lieben sie, weil sie kämpfen

„Eisern kämpft Union!“, heißt es am Ende von Achim Mentzels Liedbeitrag. Das singe ich heute besonders innig mit und wünsche mir, dass unsere Neu-Unioner es auch hören. Denn das ist es, wofür wir unsere Mannschaft am Ende feiern, unabhängig vom Spielausgang. An den mochte ich an diesem 5. Spieltag ohnehin nicht denken, drei Tage nach Madrid. Oh, Herr Aytekin pfeift, das fand ich zunächst mal gut …

Bei „Rot und Weiß sind die Farben von Berlin“ kam mir ein Tränchen, so glücklich war ich, hier im Wohnzimmer bei all den anderen zu sein, um unsere gemeinsame Beklopptheit auszuleben – noch dazu, wo mir der Lange genau in diesem Augenblick ein Bier kredenzte, mein erstes seit Mittwoch, Magen sei Undank. Ich hatte zum Glück schon etwas abgetrunken, als mich bei „Eisernet Lied“ Torsten Eisenbeiser von hinten antanzt. Nee, er wollte nicht an mein leeres Portemonnaie, sondern mir von seiner Energie abgeben, danke!

Eiserner Beginn

Wunderbar, als Christian bemerkt, wir dürfen mittlerweile sonst wohin fahren, aber nirgendwo fühlt es sich so an wie hier, AdAF! Zur Hymne erreicht mich das Ende von Jos Riesenschal, obgleich Dana und er heute nahezu unendlich weit weg von mir stehen. Vor mir der nicht von allen hier geliebte Kohorte-Mittellinie-Doppelhalter, hinter mir die drei Lothars, wie ich seit heute weiß. Hymne! Zwischendrin hieß es, heute ernst gemeint: „Schals runter!“ Offenbar ein Arzt-Einsatz, auch DAS gehört zum Fußball für Menschen: Menschenleben sind wichtiger als alles andere!

Applaus links von mir verrät: Alles wieder gut, kann volle Pulle los- und weitergehen. Mit dem Anpfiff brandet das erste „Eisern!“ von der Waldseite herüber. „Union!“ brüllen wir zurück, die beste Eröffnung von den Rängen! Die Mannschaft legt entsprechend los, dass der Gegner foulen muss. Zu „Wir singen Rot, wir singen Weiß“ greifen Unsere weiter an. Irgendwo hinter mir ein „Scheiß Fahne“, unsere wehren derweil den Gegner ab, der neu aufbaut. Dann klärt Gosens, aber die hatten sich verdammt nah an unseren Kasten herankombiniert!

Fight um jeden Ball

Geiler Pass, fast wären wir durch gewesen, weiter! Dann Schuss nebens Tor, „Eisern Union!“ Hoffenheim über links, Frederik fängt. Die bekommen einen Freistoß geschenkt, auch noch aus bester Position. Unsere Mauer blockt das Ding, Eisern Union! „Kannste die Fahne halbieren?“, fragt von hinten einer. „Na toll, dann sieht der Kleene nüscht!“, erwidert mein halblinker Vordermann, kommt der Bitte aber nach. Onkel Wolfgang tauscht umgehend seinen Platz mit dem Kleener Genannten, dass keiner mehr zu kurz kommt. So geht’s auch, Jemeinde!

Derweil griff Union erneut an – Mist, der Keeper fängt. Unsere sind eindeutig die bessere Mannschaft! Wie lange noch?, fragt der Profi-Pessimist hinter meiner Stirn. Der Gegner hat Zeit. Und prompt wären die fast durch gewesen! Gegenzug Union, doch wieder obsiegt deren Keeper. Spontane Trinkpause, als einer der Unseren kurz mal weggetreten wurde. Ein Schuss auf unser Tor – Rønnow! Dann aber wieder Unsere im Vorwärtsgang. Mal eine Ecke, mal Becker über rechts, und um jeden Ball wird gekämpft!

„Und ist der Sieg auch noch so fern – so fern!“

Es folgte einer jener Momente, die offenbar immer mal wieder, wie ein Klumpen Braunkack (Wortschöpfung des Eisernen Stickerbauers Schnacko) aus fast heiterem Himmel auf ein Fußballfeld fällt, auf dem gerade Union spielt. Elfmeter für Hoffenheim, den ich keineswegs als einziger nicht sah. „Den kann man geben“, beruhigt mich mein Nachbar zur Linken, der Vater des Kleenen, zumindest ein bisschen. Wie auch immer, das Ding ist drin – „Eisern Union!“ und „Auf geht’s Union, Kämpfen und Siegen!“, lautet unsere Antwort.

 

 

Freistoß für uns, auch wenn der gegnerische Spieler aufreizend länger liegen bleibt. Von den Rängen erklingt das Lied von den mit einer Aufschrift versehenen Messern. Der Freistoß bringt nichts ein, da heißt es: „Wo du auch spielst, ja wir folgen dir / Und ist der Sieg auch noch so fern – so fern!“ Die Betonung des Fernen hörte ich nie so deutlich wie jetzt. Ja verdammt, der letzte Sieg liegt etliche Spieltage zurück, gerade deshalb heißt es zusammenstehen und fighten!

„Auf die Fresse!“

Der Gegner hat jetzt verständlicherweise noch mehr Zeit. Dazu spielen sie weiter, als einer der Unseren nach einem Zweikampf liegenbleibt. Zum Glück klärt unser Keeper weit vor dem Kasten ins Seitenaus. Angriff Union, ein Pass ins Leere. Den Gegner hat die ihm geschenkte (?) Führung sichtlich gestärkt. Schon wieder sind sie im Vorwärtsgang – und immer mal wieder den berühmten Tick schneller. „So wird dit nüscht!“, orakelt Steini Senior rechts neben mir. „Null Bewegung“, vernehme ich hinter mir und: „Alle uff een Haufen!“

Verdammt, es steht 0:2, und diesmal astrein herausgespielt. „Keiner wird es wagen …!“, kommt es sofort von der Waldseite. Kurz drauf zeigt der von mir bis vorhin geschätzte Referee erneut auf den Elfmeterpunkt! Da ist sogar mal kurz der jubelnde Mini-Gästeblock zu hören. Fußballgott, was hast du genommen?, schreie ich stumm gen Himmel, da bekommt Herr Aytekin dann doch den klärenden Hinweis – ausm Himmel? Dann bedankt Euch bei mir. Außerhalb war das „rüde Foul“, und den Freistoß versemmeln sie. „Auf die Fresse!“

Ein anderes Gesicht zeigen

Aber schon wieder Freistoß Halb-Hellblau – schön weit drüber, „Hier regiert der FCU!“ Dann der Gesang über jene Zeit, da in unserem Verein „alle mit dem Rücken zur Wand“ standen. Tun wir zum Glück längst nicht mehr, aber zusammenstehen müssen wir jetzt um so fester. Irgendwie kommen wir in die Pause. In der müsse unsere Mannschaft „ein komplett anderet Jesicht zeigen“, sagt einer der drei Lothars. Mir immerhin gefielen unsere ersten 20 Minuten. „Aber nach vorn klappt schon länger nüscht!“, lässt mich Steini Senior wissen, „eigentlich schon nach Mainz nicht mehr.“

Mir fällt dabei ein, dass unsere anfänglichen zwei Siege verdammt teuer erkauft waren. Ranis Verletzung, hart erfochtener Sieg in Unterzahl … „Die Champions League frisst uns uff!“, befürchtet General Alfons. Ich denke an unsere äußerst kräftezehrende Spielweise – und ja verdammt, ich bin bei Union, und nirgendwo anders will ich sein! Weiter geht’s, mit Fofana statt Aaronson, Urs schaltet einen ordentlichen Gang offensiver, jawollja!

Wettkampfglück, wo steckst du!

„Ja wir lieben unsern Club, und wir sind stolz auf ihn!“, feuern wir eine Unionmannschaft an, die nun deutlich heftiger den Zug nach vorn findet. Das alles unterm heftigen Bratwurst-Duft, der aus den Biergärten zu uns ins Stadioninnere weht. Gebt alles, Unioner aufm Platz, auf den Rängen, an der Holzkohle-Grillfront! Schade, Becker kam nicht durch, doch schon wieder fighten sie sich vors gegnerische Tor. Wir verheddern uns links, weiter geht’s! „Hand!“, schreien wir auf. Herr Aytekin jedoch deutet auf einen seiner Oberschenkel.

Wieder den Ball erstritten, vom Gegner nur durch Foul zu stoppen, immerhin zeigt Herr Schiri Gelb. Bislang durfte, wenn, dann der Gegner körperlich spielen. Der Western-Song verleiht nicht nur uns neue Energie. Dann ein Konter, die nahezu frei vor unserem Tor, dass Frederik Rønnow in höchster Not zur Ecke klären muss! Dann wieder Union. Becker passt ins Leere, holt sich das Spielgerät jedoch zurück, ab nach vorn, Behre – verdammt irreknapp nebens Tor! Fußballgott, Du Kloppi, DAS WÄRS DOCH gewesen, hast Du kein Herz!?

Kein Krampf auf den Rängen!

Weitere Angriffe, weitere Chancen, halbgar bis saugefährlich, Fofana ließ sich auch von drei Gegenspielern nicht aufhalten – und des Gegners Tor blieb dennoch vernagelt. Der wackere Tousart holte sich Gelb, Marke „ohne Berührung“. War das ein Foul im gegnerischen Strafraum?! Der Schiri sagt nee, „aber warum spielen die das nicht weiter!“, resümiert mein Nachbar zur Linken. „Wir hätten das Tor auch so gemacht!“ Ecke folgt auf Ecke, unser Mantra erklingt und ja verdammt, mit laut Statistik 22:11 Torschüssen verlieren wir das Spiel.

Zur heftig von Applaus geprägten Ehrenrunde unserer Mannschaft kommt es fast zur Klopperei wegen Sichtbehinderung durch den Doppelhalter. Sie setzen ihn tiefer, und schließlich singen wir alle wieder das Mantra-mit. Ich denke an Matti: „Fahnen erhöhen die Ästhetik des Blocks!“ Niemand hatte auch nur eine Sekunde des Spiels verpasst, aber lasst uns zusehen, dass sich auch weiterhin jeder von uns AdAF daheim fühlt! Nach Verabschiedung und Auswertungsbier im Coé 2.0 durchfährts mich: Diese 4 Niederlagen könnten Fußballgottes Wink sein: Liebe Neu-Unioner, überlegt Euch genau, ob das Euer Verein ist. Eisern heißt dit!


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