Frank Nussbücker: Eisern ist, wenn man trotzdem kämpft – Union verliert gegen den BVB

Union-Pleite gegen den BVB

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

Dieser Tage, da ich keine Nachrichtensendung ansehen kann, ohne einige Wutanfälle zu bekommen, genieße ich umso mehr die Pressekonferenzen mit unserem Lebens- und Fußball-Philosophen Urs Fischer. Da treten wir, emotionsgeladen bis in die Haarspitzen, gegen diese fette Packung aus „Unterschiedsspielern“ von Deutschlands Nummer 2 im Berufsfußball an, haben obendrein einen Gesperrten, einen Verletzten und drei Corona-positive potenzielle Stammspieler – und Urs zeigt keinen Fatz aufgeregte Unüberlegtheit.

Warum auch? „Jedes Spiel ist für uns ein großes Spiel“, stellt er in aller Ruhe klar, bevor er verrät, durch welche Kniffe wir bereits zweimal gegen diesen übermächtigen Gegner gewannen: Die Mannschaft ging jeweils ans Limit, machte so gut wie alles richtig – und hatte obendrein die nötige Portion Wettkampfglück. Ohne diese drei Komponenten in Personalunion haben wir keine Chance auf mindestens einen Punkt – also Attacke! Aber niemals unüberlegt, dafür volle Pulle kompakt.

Union mit 11 Mann aufm Platz …

Matze Koch gab auf der PK alles, um Urs mit hervorragend anmoderierten Knobel-Knifflig-Fragen aus der Reserve zu locken. Zumindest gelang es ihm mehrfach, Trainer und Pressechef mehrfach ein Lächeln abzutrotzen, das haarscharf an der Grenze zum herzlichen Lachen wohnte. Für mich der Höhepunkt dieser öffentlichen Talkrunde war ganz klar Urs Fischers brutalst-trockene Antwort auf die Frage, ob denn Voglsammers Ausfall die Mannschaft schwächen würde: „Wir spielen nicht mit einem Mann weniger.“

Wenn irgendein Mensch mit Köpfchen felsenfest im Leben steht, dann dieser Schweizer Lebens- und Fußball-Pädagoge. Zum Glück trainiert er unsere Jungs, nicht ich. Denn ich machte mir vor dem Spiel einen Haufen unnütze Sorgen, zum Beispiel: Was ist, wenn wir in unserem Strafraum mal wieder ein ausgewachsenes Vogel-Problem mit spektakulär eingesprungenen Schwalben aufgedrückt bekommen? Mithilfe einer solchen gewannen die Mannen aus dem Zahnpasta-Park zu Dortmund letzte Saison ihr Heimspiel gegen uns.

… und 9.500 auf den Rängen

Vielleicht bezog uns Urs ja auch diese Thematik ja mit ein, als er prophezeite, wir müssten mindestens ein Tor schießen, um wenigstens einen Punkt zu erkämpfen. Ich jedenfalls war so aufgeregt wie schon lange nicht mehr vor einem Punktspiel unseres Vereins. Die beiden Heimsiege gegen Deutschlands Nummer 2 gehören für mich zu den schönsten Eisernen Fußball-Erinnerungen der letzten Jahre. Noch heute reiße ich bei jedem unserer Tore jubelnd beide Arme hoch, als stünde ich im Stadion, statt zu Hause vor einem Videoschnipsel zu sitzen.

Dessen ungeachtet begann die Partie beim Stande von 0:0 und meinem felsenfesten Vorhaben, in den kommenden gut 2 Stunden alles an Stimme rauszuhauen, was da an Sangeskraft in mir harrte. Schönste Sonne, 9.500 Unioner auf den Rängen – und los gings! Union sogleich über links, Dortmunder Foul, leider kein Vorteil. Der Freistoß streicht vorbei an allen Mitspielern und dem Tor. Ecke Dortmund, „Aufpassen!“, mahnt mein Blocknachbar, „und wir lieben unsern Club, und wir sind stolz auf ihn!“

Rückstand und um ein Haar der Ausgleich

Union über rechts, Awoniyi auf Becker – leider vorbei am Kasten. Und schon wieder greifen wir an, jetzt über links, aber Dortmund bekommt vom Schiri einen Freistoß geschenkt. Überhaupt fallen die Schwarzgelben heute wieder sehr gut, „oh Köpenick, du bist wunderschön!“, schallt es von den Rängen. Ecke Dortmund, sie endet im Nichts. Der Schiri stellt wiederholt klar, dass er ein Freund des Heulsusen-Bonus ist, sofern es die Promis in Schwarzgelb sind, die da fallen und greinen.

Dem Morgengrauen entgegen“, erklingt reichlich früh, und Luthe fängt einen hohen Ball an der Strafraumgrenze. Dann ist Team Schwalbe fast durch, doch ein Unioner fängt den Angriff ab. Kurz darauf sind sie erneut zur Stelle, die Oberschwalbe fackelt nicht lange, wir liegen 0:1 hinten. „Eisern Union!“ Unsere Mannschaft schlägt um ein Haar postwendend zurück. Der Schiri ließ sogar weiterspielen, obwohl sich ein Gelber in den Strafraum legte, nur leider ist der Ball nicht im Netz! „Wir lieben Union, jawoll!“

Zu einfach und leider effektiv

Kurz drauf ist das Team des Schiris erneut durch. Langer Ball nach vorn, der abgewehrte Ball kommt zum Elfmeterschinder, welcher ohne hinzufallen eiskalt verwandelt. „Zu einfach!“, schimpft mein Nachbar, bevor er wieder in unsere Gesänge einstimmt. Union über links, der Torwart hat ihn. Immerhin waren wir mal wieder gefährlich vorm gegnerischen Tor. 32. Minute, wir bekommen einen Freistoß, Waaahnsinn!“ Leider bringt er nichts, aber unsere jetzt eindeutig im Vorwärtsgang.

 

 

Zwei Minuten später testet Timo Baumgartl das Hosengummi eines Dortmunders. Das beweist eine wirklich enorme Spannkraft – eine Gelbe Karte mit „Oho!“ und außerordentlichem Unterhaltungswert. Kurz drauf darf sich Andi Luthe mit einer Parade auszeichnen. Dann eine Gelbe Karte für einen Dortmunder – für was eigentlich? Ist Herrn Schiri etwa sein bisheriges Tun ein wenig peinlich? Einige Torraumszenen später, zum Glück bleibt ein Eiserner Fehlpass folgenlos, singen wir unser Mantra bis in die Pause hinein.

Unbelohnter Kampf, bestrafter Fehler

3:6 Torschüsse – schade, dass wir in den ersten Minuten nicht trafen! Ein bisschen komme ich mir vor wie beim Skat, wenn Du lange auf das halbwegs gute Blatt wartest – und immer wieder fehlt die spielbestimmende Trumpfkarte. Weiter geht’s, Unioner stürmen vor! Über links dringen sie in den Strafraum, der Keeper hat ihn. Dortmund durch – abgewehrt, und wieder Attacke! Unsere im gegnerischen Strafraum, kommen nicht durch. Immerhin Eckball! Nach einigem Gefummel ein satter Fernschuss von Sheraldo – leider vorbei, wenn auch knapp.

In Minute 56 eine schlecht eingesprungene Dortmunder Schwalbe – sie bleibt ungeahndet. Unser nächster Angriff wird abgepfiffen, weil wieder jemand in Gelb fiel. Die Minuten vergehen, wir singen unverdrossen weiter. „Macht doch mal nen Fehler!“, fleht mein Nachbar unsere Gäste an. Jemand fällt hin, Freistoß Dortmund aus bester Position – Luthe hat ihn. Unsere kombinieren sich vors gegnerische Tor – schade, drüber, „Eisern Union!“ Minute 72, Gewusel in unserem Strafraum, Luthe kann den Ball nicht festhalten, 0:3.

Der Kampf geht weiter!

Wieder postwendend die Antwort unserer Fußballgötter: Käpten Trimmel über rechts, flankt in den Strafraum, wo Kevin Möhwald beherzt hochsteigt, köpft und endlich die Maschen des richtigen Tors zappeln lässt! Wir jubeln, als würden wir führen, doch schon meldet sich der „Dortmunder“ Keller zu Wort. Nein, nein, befindet auch der Schiri, die Promis dürfen weiter ohne Gegentor bleiben. Die Unioner auf Platz und Rängen fighten nach kurzer Wutbekundung unverdrossen weiter. Weitere Schüsse aufs Promi-Tor, begleitet von unserem Western-Song, dann erneut das Mantra.

Bis weit nach dem Schlusspfiff besingen wir unsre Liebe zu unserem Verein. Die Vizes waren heute einfach zu abgezockt für uns. „Es muss eben doch Außergewöhnliches zusammenkommen – auf beiden Seiten –, um auf diesem Niveau mithalten zu können“, resümiert mein Freund Christoph, dem vor allem die zweite Hälfte gut gefiel: „Es wurde alles und immer wieder versucht. Woanders wäre die Arbeit eingestellt worden. Für mich eine Antwort auf die Frage, warum andere Mannschaften nach einem 0:3 zu Hause ausgepfiffen werden, während wir die Spieler zur Ehrenrunde rufen.“ Eisern Union!


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