Frank Nussbücker: Union vergurkts – verdiente Niederlage gegen Holstein Kiel

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

„Spielen wir wieder auf? Das ist doch die Frage! Nicht: Wie oft kriegen wir auf die Fresse?“ Mit dieser hier im von mir im Wortlaut verstandenen Kampfansage schickte uns Stadionsprecher Christian in das Sechspunkte-Spiel gegen den vor Anpfiff Tabellenletzten. Das daraufhin lautschallende „Eisern Union!“ verriet, dass die Unionerinnen und Unioner auf den Rängen klar verstanden, was die Stunde geschlagen hat: Abstiegskampf ohne Wenn und Aber!

Würde es unsere Mannschaft gelingen, genau diesen heute auf unseren Heiligen Rasen zu kriegen? Ljubicic von Beginn an, hinter ihm auf den Außenbahnen Hollerbach und Jeong, aber einmal mehr kein Kevin Vogt! Hinten heute mit Leite, Querfeld und Doekhi die „klassischen“ Drei, auf den Flügeln verstärkt von Rothe und Juranovic. Im Zentrum sollten es Rani und Tousart richten. Kiel gewinnt die Seitenwahl, lässt Unsere falschherum spielen, früher brachte mich das in Wut. Früher, das heißt hier vor wenigen Monaten …

Union wollte …

Ebenfalls zur Eröffnung dieses Spiels gehörte auch die sich über alle Stehplatz-Heimbereiche erstreckende Choreo in unseren Farben: „Fußballclub Union Berlin mein Lebenselixier – ewig werden wir dich begleiten und stehen hinter dir!“ Das ist nicht nur ein Spruch, sondern für viele von uns seit Jahrzehnten gelebte Realität in guten wie schlechten Zeiten. Der Stadiongesang mit diesem Text erfüllte nun über etliche Minuten unser Wohnzimmer.

„Unioner stürmen vor!“, hieß es derweil aufm Platz. Vorstoß auf Links, Einwurf Rothe dicht neben der Eckfahne. Kurz darauf Ecke Union – schade, zu weit vorgelegt. Ja verdammt, unsere Mannschaft wollte! Kiel konterte, der zweite Ball ging drüber. Auch der Gästeblock ist laut. Ihrer Mannschaft gehörte der nächste Abschluss, den unser Tormann souverän hielt. „Hollerbach überrascht sich selbst“, kommentiert ein Nachbar den Einsatz unseres Stürmers, immerhin erneut Eckball Union.

Lebende Legenden

In diesem Spiel sah ich alle 4 Andora-Eckfahnen „Der kleine Biss“, denn Freund Robert hatte mich auf die Tribüne eingeladen, wo ich vor Anpfiff zusammen mit ihm und meinem U-1966-Kaleu ein Schwätzchen mit meinem Jugend-Idol Wolfgang „Potti“ Matthies hielt. Sorry, dass ich ablenke, aber ich wollte gern auch mal vom schönsten Moment erzählen, den ich an diesem Sonntag in unserem Stadion erlebte. Allein, dass Potti, Bulle, Detta Schwarz, Heinz Werner und viele andere lebende Legenden unseres geliebten Vereins Heimspiel für Heimspiel Union anfeuern, macht mich glücklich.

Das Geschehen auf dem Rasen, von Waldseite, Gegengerade wie Gästeblock lautstark begleitet, ließ mir zumindest Hoffnung. Union drängte weiter nach vorn, nur vors Tor kamen sie nicht! Die bislang einzigen Abschlüsse – sorry, sollte mir da was entgangen sein – verzeichneten die Störche! Rothe von links ins Zentrum – der Torwart hat ihn, aber das war jetzt doch endlich mal ein Abschluss! Das allein schon war mir Anlass zur Freude.

 

 

Kiel bleibt standhaft

Dass einer unserer Angriffe dann doch noch sehr gefährlich wurde, lag am Ende daran, dass ein Kieler Verteidiger den eigenen Schlussmann mit einer ungewollt gefährlichen Verlängerung prüfte. Leider nicht in der Art, wie uns das jüngst in Dortmund passierte. Der Schiri hatte ohnehin, warum auch immer, auf Offensiv-Foul entschieden. Leider entging ihm einige Minuten zuvor das verdammt hohe Bein eines Kielers, dessen Fußballschuh einen der Unseren am Kopf traf.

Union holte mal wieder einen Eckball. „Auf geht’s Unioner schießt ein Tor!“, schallte es von den Rängen, Baumi pfiff und brüllte Anweisungen auf den Platz, und ich betete: „Macht ihn doch bitte irgendwie rein!“ Aber nix da, weiter zu Null. Viele Kämpfe im Mittelfeld, wir gewannen gefühlt nicht sehr viele von ihnen. Hollerbach ließ sich abkochen, ein Nachbar schimpfte ihn „Porschefahrer“, aber noch hatte Union die Kugel – Mist, Rothe holte sich die Gelbe.

Und schlägt eiskalt zu

Drei Minuten später waren die Kieler vor unserem Tor. Schnell und mutig hatten sie nach vorn gespielt, der Mann auf dem linken Flügel behielt die Übersicht, passte hinter unserer Abwehr via Tunnel zu einem Mitgelaufenen, welcher wiederum punktgenau ins Zentrum passte. Ein weiterer Tunnel, dann der Abschluss, zwischen zwei, drei Unionern hindurch unhaltbar in die Maschen! Der sangeskräftige Gästeblock jubelte, die Kieler aufm Platz nicht minder – und wir lagen mal wieder hinten.

 

 

„Auf geht’s Union, Kämpfen und Siegen!“, fordert die Waldseite umgehend. „So einfach!“, brüllt Robert auch meinen Frust heraus, „und keiner da von uns!“ Unsere Mannschaft stürmt weiter – nach wie vor erschreckend ungefährlich. Ljubicic kassiert die Gelbe, dann ist auch die Nachspielzeit heruntergetickt. Beherzten Abstiegskampf zeigten bislang vor allem die Störche – und ja verdammt, es war kein Zufall, dass sie hier getroffen hatten. Ihre Führung war schlicht und ergreifend der verdiente Lohn für eine geschlossene Mannschaftsleistung. Eben die erhoffte ich mir nun in Hälfte zwei von der Mannschaft meines 1. FC Union Berlin.

„Wir haben keine Chance, nutzen wir sie!“

Zehn Minuten nach der Pause gab es immerhin mal wieder einen nennenswerten Abschluss, der Unseren. Ansonsten wirkte das Geschehen auf mich so, als hätte jemand irgendwelches klebriges Zeugs auf den Rasen geworfen. Nicht so hart wie ein Feuerzeug, aber von einer Substanz, die alles sie Umgebende zunehmend zäher werden lässt. Die Zusammenfassung im Netz zeigt mir immerhin zwei weitere Union-Angriffe, deren Abschlüsse sogar einen Hauch Gefahr ausstrahlten.

Irgendwann griffen aber auch die Gäste wieder an – schon tanzten erneut die Maschen unseres Tors, diesmal zum Glück Abseits. Alles Weitere lässt sich in dem mir nach dem Spiel im Deftig anvertrauten Satz zusammenfassen: „Ich fühle mich so leer … das war so schlecht!“ Die Abschlussrunde unserer Mannschaft endete wie immer vor der Waldseite. „Klassenerhalt!“, geballte Fäuste zum „Eisern Union!“, dann aber erklang es, erst leise, dann immer lauter: „Aufwachen!“ Was kann uns helfen? Sollen wir einfach sagen: Wir haben keine Chance – und genau die dann konsequent nutzen? So verstehe ich das Lebenswerk unserer lebenden Legende Wolfgang „Potti“ Matthies. Eisern heißt dit!


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