Frank Nussbücker: Union ganz real bei Real - Später Treffer & knappe Pleite

Union Berlin mit knapper Pleite bei Real Madrid

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

Nee, nee und nochmals nee, ich mag weder die korrupte FIFA noch die sicher ebensolche UEFA samt ihrer immer mehr aufgeblähten Wettbewerbe – aber was zählte das an diesem 20. September 2023? Nix, nix und nochmals nix – das ist einerseits meiner persönlichen Doppelmoral geschuldet, andererseits dem Fakt, dass Fußball trotz allem ein Sport ist, den ich liebe, dem ich verfallen bin – und ja, sehr gern auch hin und wieder mal die Besten sehen will.

Gut, den besten Verein, also jenen, den ich in meinem Herzen trage, sehe ich ja jedes Mal, wenn ich Union kieke – aber nun sollte unsere 1. Herren tatsächlich in einem Pflichtspiel auf die in dieser Schampusliga mit Abstand erfolgreichste Mannschaft treffen?! Iss nich real, oder? Doch, iss real, sogar Real persönlich! Wie viele Trophäen haben die in ihren Vitrinen zu stehen? Egal, bei uns heißen all diese galaktischen Superverdiener am Ende doch alle Na und!

Unions Reisekader rocken Europas Fluglinien und Madrids Destillen

Es waren all die Unonerinnen und Unioner, die mich seit Tagen mit Bildern, Texten und Filmchen ihrer oft abenteuerlichen Anreisen in die spanische Hauptstadt erfreuten. All jene, die uns Daheimgebliebene irgendwie dabei sein ließen, wie sie in Madrid unsere Lieder singen. Auf diversen Plätzen, in Kneipen oder gar dem Schinkenmuseum, vorm Stadion – überall Eiserne, die es offenbar selbst direkt vor der sprichwörtlichen Höhle des Löwen nicht fassen konnten, was da gleich abgehen würde.

Union gegen Real, wir leider ohne unseren Abwehrchef, dazu mit zwei Niederlagen im Rücken. Das kann aufputschen, Spieler und Stab das Letzte aus sich rausholen lassen, aber schlimmstenfalls auch lähmen. Würden unsere Fußballgötter schön mitspielen, um am Ende halt standesgemäß zu verlieren. „Ich drücke euch die Daumen, dass es einstellig bleibt!“, unkte so mancher … Neider? Egal, Union spielt Schampusliga gegen deren unangefochtenen Primus der letzten … Jahrzehnte? Na und!

Frühes Gelb und Druck von Real

Endlich mit meinem Zwilling in Freund Roberts juter Stube: Auf dem großen Bildschirm erklärt Ranis Bruder Urs Fischer, wie er vorgehen muss. Urs grient sich eins, entscheidend für mich einer seiner Sätze im Vorfeld der Partie: „Aber Du musst es Dir zutrauen!“ Der Kommentator spricht von 6-10.000 Unionern im Bernabeu, von „bombastisches Madrid gegen bodenständiges Union.“ Nette Folklore, aber es seien noch Hunderte unserer Auswärtsfahrer noch nicht ins Stadion gelassen worden.

Kurz nach Anpfiff die erste Gelbe für uns. Taktisches Foul fernab echter Gefahr – wie auch immer, das war ein Zeichen, kein Gutes für uns. Real greift an – Rønnow! Attacke Union, der Keeper hat ihn. Wieder Real, der Abschluss dicht nebens Tor, aber Mist, die Flanke kam an! Gut, das wird sich gerade heute nicht stetig verhindern lassen. Angriff Union, Gegenzug Real, Ecke. Die klären wir zur nächsten Ecke, sah schon wieder gefährlich aus. „Eisern Union!“, vernehme ich laut und deutlich die Unseren.

Bannerverbote und erste Attacken

Weitere Angriffe der Heimmannschaft, immer wieder von den Unseren abgewehrt. „Union, Union!“, höre ich, obgleich unsere Ultras nach wie vor aus Protest streiken sollen. Ein Doppelhalter und mehrere Blockfahnen durften nicht mit rein, später schreiben dafür bekannte Medien von „gewaltverherrlichenden Bannern“. Derweil kegelt sich Real vor unser Tor, doch das hütet ein dänischer Nationalkeeper, danke Freddy!

„Wir singen Rot, wir singen Weiß…“ – „Wir singen Rot-Weiß FCU!“, stimmen wir mit ein, während Unsere sich mal nach vorn wagen – schade, Gosens kam nicht ran. Freistoß Real für ein „Foul“ ohne Kontakt, dafür aus bester Position! Zum Glück satt drüber, das wäre ein klares Schiri-Geschenk gewesen. Minute 25: „Eisern!“ „Union!“ erschallt es nun deutlich lauter als bis dato. Sind jetzt doch alle drin?, hoffe ich – vergeblich. Jetzt aber: Union tankt sich vors Tor, gar ein Fallrückzieher, bis auf den Abschluss steile Aktion!

Trotz alledem: Union stabil!

Der nächste Madrilene liegt darnieder. „Das machen sie wirklich gut!“, hatte Ranis Bruder Sami anfangs erklärt, „sich immer wieder fallenlassen!“ Hatte er das so gemeint? Natürlich Freistoß, natürlich weit drüber. Ohne ganz große Not schenken wir denen eine weitere Ecke, wer will unseren Spielern die Aufregung verdenken? Das Spiel verflacht, wollen sie uns einschläfern? Oder gar wir die? Sie nageln uns in der eigenen Hälfte fest, holen Ecke auf Ecke, zumeist jedoch ohne wirkliche Gefahr.

Rüdes Foul eines Weißen, der Schiri zückt Gelb. Hätten wir hier Rot gesehen? Endlich wieder unser Schlachtruf, und Union über rechts – schade, zu zögerlich zu Ende gespielt, was sich vor einem Fernseher leicht dahinsagt. Sami wirft ein, dass uns mit seinem Bruder und Robin Knoche eine wichtige Achse fehlt – dafür machen sie es wie ich finde wirklich gut. Und Bonucci ackert stabil in der Innenverteidigung. Von den Rängen unser Mantra, die 1. Halbzeit ist herum: 14:3 Torschüsse bei 73% Ballbesitz Real – Union stabil, lautet mein Fazit!

Laues Heimpublikum, aufm Platz aber wird’s heißer

Weiter geht’s, Attacke der Unseren – immerhin Außennetz, aufm Fuße gefolgt von: „Union, Union!“ Schon wieder wir, Laïdouni gegen zwei, der dritte ist einer zu viel. Gegenangriff Real, Freddy rettet spektakulär, beim zweiten Ball assistiert ihm der Pfosten, der dritte Schuss geht weit vorbei, aufatmen! Real will es jetzt weit heftiger als in Hälfte 1, aber stetig rettet unser Keeper oder seine Vorderleute. Endlich mal wieder wir, Becker auf rechts, wird leider weggegrätscht, „Eisern Union!“

 

 

Jetzt bringen unsere Auswärtsfahrer gar das rhythmisch anspruchsvolle „F-C-U-Fußballclub Union Berlin!“ Rüdiger gegen Becker, der legt sich auf den Ball, ersterer geht ihn dafür rüde an, hätte unser Mann womöglich nicht gedurft. „Auf die Fresse!“, die passende Antwort von den Rängen. Ist das hier doch ein Heimspiel? Dann fast das Tor für Real, doch Frederik Rønnow mal wieder gerade noch dran, faustet den Ball in höchster Not an den Pfosten, den zweiten Ball fängt er sicher.

Irre spät, aber dann doch …

Jedem Unioner Angriff folgt der weit gefährlichere Gegenangriff. Ja verdammt, die sind tatsächlich besser als wir – die Murmel kriegen sie dennoch nicht über unsere Torlinie. Einer, der immer wieder eben dafür sorgte, heißt Leonardo Bonucci – es wird seine Gründe haben, dass Urs ihn in Minute 80 ersetzt, mir schwante dennoch nichts Gutes. Zuvor aber „Dem Morgengrauen entgegen“, und weiter verpuffen die Angriffe des Primus.

Ein Realer lässt sich fallen, der Schiri lässt ihn unbehelligt liegen, Unsere greifen an, kommen fast vors Tor. Beim nächsten Gegenangriff wollen die Superstars einen Hand-Elfmeter, nix da! „Kämpfen und siegen!“, das wäre jetzt echt DER Hammer. Schon beginnt die Nachspielzeit – 5 Minuten! Die ziehen sich wie Kaugummi, und doch haben wir fast deren Ende erreicht. Freistoß Real, Jaeckel klärt zur Ecke. Die kommt rein, Gestocher im Strafraum – da ist es passiert.

Stolz und Wut

Verdammt bitter ist es, derart kurz vor Schluss derart abgefangen zu werden – und doch überwiegt von der ersten Sekunde an mein Stolz auf diese Leistung auf Platz und Rängen. 32:4 Torschüsse und auch der Spielverlauf verraten: Das hätte hier auch so kommen können, wie es uns so mancher genüsslich voraussagte! Ich verstehe jeden normalen Fußball-Freund, dem Unions Spielweise nicht behagt – und der sich gerade gestern, sich dabei an den Kopf fassend, fragte: „Warum feiert ihr dennoch euer Team!?

Weil wir stolz wie Bolle sind, dass wir nach Jahren harter Arbeit bei „die Größten, die Besten“ mitspielen. Weil wir es geil finden, dass unsere Mannschaft kämpfte und ackerte und es ihr nicht übelnehmen, wenn der Gegner besser ist – weil wir Unioner sind! Wir unter uns können uns gern darüber streiten, ob es richtig war, dass unsere Ultras nach Einlass-Schikanen nebst plötzlichem Fahnenverbot in den Streik gingen.

Großer Name, dilettantisch brutal

Nicht wegzudiskutieren ist aus meiner Sicht das leider immer wieder von prominenten Hausherren praktizierte Unding, zum Anpfiff mehreren Hundert Gästefans den Stadionzutritt zu versauern, hier gar gänzlich zu versauen. Auch, dass die Polizei den womöglich beabsichtigen Dilettantismus am Einlass schließlich mit „Amtsgewalt nach Vorschrift“ komplettierte, ist offenbar eine längst normale Begleiterscheinung des modernen Hochglanz-Fussis. Vielen Dank an alle Eisernen, die bei diesem miesen Spiel Ruhe und Besonnenheit bewahrten.

Ich kenne es aus eigener Erfahrung, wie es sich anfühlt, vor einem dieser Event-Tempel einerseits mit 0815-Werbung beballert und andererseits am Betreten desselben gehindert zu werden. In dieser Beziehung: Danke für nichts, Real & Police! Was mir bleibt, ist der Stolz auf Kampf wie Einsatz unserer Mannschaft wie derer, die sie im „Madrider Oly“ mit aller Kraft unterstützten. Dazu kommt der Wunsch, dass sich unsere Fußballgötter samt Stab immer wieder die ersten gut 93 Spielminuten dieses Abends vor Augen führen, um beim nächsten Mal den oder die Punkte zu ergattern.

Ausm Gästeblock nach vorn geblickt

Wie auch immer, wir werden sie bei alledem weiterhin so unterstützen, wie wir es vor jedem Heimspiel lautstark bekunden: „Doch die Mannschaft weiß, dass wir hinter ihr stehn, und wer dit nich kapiert…!“, der soll sich von mir aus freuen, dass er nicht vom Eisernen Virus befallen ist. Mir imponierte, wie beherzt die Unioner aufm Platz ackerten. Aller Anfang ist schwer, und Augenpaare wie Mienen etlicher Real-Stars verrieten mir, wie glücklich sie sich schätzten, dass sie am Ende dann doch gegen diesen 1. FCU gewannen.

„Haben wir das also auch einmal erlebt!“, berichtet Freund & Allesfahrer Christoph vom Ort des Geschehens. „Wobei die Begleiterscheinungen im Gästeblock mein Vergnügen ziemlich trübten. Hier hat der Zuschauer vor allem eins zu sein: Konsument. Für Fans, erst recht für Gästefans wird Fußball hier nicht gespielt. Ansonsten war es dein ziemlich starker und mutiger Auftritt. Die Leblosigkeit des Heimpublikums wird mir als Mahnung in Erinnerung bleiben. Reals Ehrenrunde am Schluss, vor halbleeren Rängen: Hoffentlich bleiben uns Wachstumsschmerzen dieser Art erspart.“ In diesem Sinne: Eisern Union!


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