Frank Nussbücker: Union empfängt Neapel auswärts Zuhause und verliert leider

Union Berlin unterliegt Neapel

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

Erst einmal war ich mächtig stolz drauf, dass wir gestern mit dem SSC Neapel einen dreifachen italienischen Meister wie sechsfachen nationalen Pokalsieger zum Pflichtspiel in der Europäischen Königsklasse empfingen. Neapels Sieg im UEFA-Pokal unter Beteiligung eines gewissen Diego Armando Maradona liegt gut 34 Jahre zurück, aber ihren letzten Meistertitel holten sie letzte Saison, sprich in diesem Jahr.

Also nochmal langsam: Die 1. Herren meines geliebten 1. FC Union Berlin spielte in oben genanntem Wettbewerb gegen den amtierenden italienischen Meister! (andächtige Schreibpause des Autors …) „Die Champions League frisst uns auf!“, rief mir neulich in unserem Wohnzimmer Blocknachbar Alfons zu. Das ist auch für mich die andere Seite der Medaille. Das dritte Jahr Dreifachbelastung durch Europapo ist das erste, in dem wir das schon so früh spüren.

Halten wir uns an uns!

Zig Niederlagen am Stück, wie dies nur ältere Unioner leibhaftig erlebten. Wir alle haben nun die Chance, diese seit gefühlten Ewigkeiten heftigste sportliche Krise unseres Vereins gemeinsam durchzustehen. Also, was machte ich? Genau dasselbe wie Du: Ich fieberte diesem Spiel entgegen und hoffte, da ich selbst nicht dabei sein würde, dass all jene auf den Rängen, die Union im Herzen tragen, einmal mehr alles gaben, unserem Team bis zur letzten Sekunde den Rücken zu stärken.

Um mit von Urs inspirierten Worten zu sprechen: Halten wir uns an diejenigen, die wir Union lieben. Wer da früher geht oder uns wie auch immer verspotten mag, ist mir herzlich egal. Stellen wir an den Stellschrauben, auf die wir Zugriff haben! Das war schwer genug. Die Anfahrtssituation gestaltete sich für Autofahrer mehr als anspruchsvoll, um es positiv auszudrücken. Einige Freunde, Unioner durch und durch, fluchten nicht schlecht ob stundenlanger Parkplatzsuche & Co. Immerhin, auch sie fanden sich irgendwann in der Schüssel, über der es selbstredend regnete.

Millisekundenjubel

Gut, in weiten Teilen Deutschlands inklusive Mecklenburg regnete es auch. Das Stadion sah sehr rot aus, und die Ultras zeigten Flagge, ebenfalls in den Farben unserer Stadt und unseres Vereins gehalten: „Eisern ist – Nie zu vergessen, wo wir herkommen!“ Aufm Platz heißt das im besten Falle: Kämpfen, bis zum Umfallen – und das zusammen! Dass womöglich auch hier nach all den Niederlagen etwas im Argen liegt, kann ich bestens verstehen wie nachvollziehen.

Aber die Mannschaft kam gut raus, wie ich fand. Frühe Gelbe für Trimmi – klar, kann man die geben, aber muss man es? Geschenkt, die Verwarnung war notiert, weiter gings. Dann wollte mein Herz kurz hüpfen: Fofana auf rechts durch, passt in die Mitte zu Haberer, die Maschen zappeln! Vielleicht, weil Union-Tore gerade nicht unbedingt im Überfluss vorhanden, feierte ich drei Millisekunden, bevor ich dem Linienrichter, der da regelkonform so spät sein Fähnchen hob, zähneknirschend zustimmen musste.

Individuelle Klasse und ein paar schwache Sekunden

Union machte weiter Dampf – was für ein Spielzug: Khedira passt nach vorn zum pfeilschnellen Becker, der leitet umgehend an Sturmpartner Fofana weiter – leider dicht daneben! Dann probierte es Rani auch mal selbst, scheiterte ebenfalls – Eisern Union! Auch nach der Pause sah ich aufm Platz eine Mannschaft aus Unionern, die nach vorne ging – dann aber auch einen Neapel-Spieler, der links in unseren Strafraum drang und unsere halbe Hintermannschaft stehenlässt.

Es war wohl derselbe, bei dem einige Zeit später ein im Mittelfeld verlorener Ball landete, der unseren Käpten austanzte, seelenruhig wie präzise ins Zentrum zu einem für diesen entscheidenden Moment ungedeckten Mitspieler passte, welcher das Ding unhaltbar in unser Netz haute. Wir lagen zurück, zum gefühlt einhundertdrölfsten Mal, in diesem Spiel obendrein mit der ersten echten Torchance eines Gegners, dem unsere Mannschaft über weite Strecken weit mehr als Paroli geboten hatte …

 

 

Knoche macht es – fast!

Wie auch immer, wir lagen zurück – und noch war einige Zeit zu gehen. Ja, es gab nicht die alles umwerfende Eiserne Offensive, aber verdammt, es gab Chancen! Einmal verhaspelte sich Fofana, verpasste die Millisekunde des Abspiels und schloss dann immerhin noch ab. Ein anderes Mal brach Becker auf links durch und der Winkel war zu spitz für einen seiner zauberhaften Torschüsse, die da letzte Saison gern auch mal im Netz landeten.

Vor allem aber denke ich hier an Käpten Trimmels Flanke aus dem Halbfeld, die Abwehrchef Robin Knoche zu einem beherzten Kopfball nutzte, der im Prinzip alles Zeug der Welt dafür hatte, uns allen zum befreienden Jubel zu dienen und den Spöttern & Dissern die Kinnlade runterklappen zu lassen. Tat er aber nicht, sondern ging knapp NEBEN den vermaledeiten Kasten. Auch nach 5 Nachspielminuten stand da bei uns die Null, beim Gegner die 1, hatten wir das 3. Spiel in diesem, das 9. Spiel in allen Pflichtspielwettbewerben verloren.

Die einzig richtige Art des Umgangs

Wieder das gewohnte Bild: Eine bedröppelte Mannschaft samt Stab stand vor der Gegengerade, die den Namen unseres Vereins zelebrierte. Dann wandte sich der Vorsänger mit seinem Megaphon an die Berufs-Unioner aufm Rasen: „Heute war geil! SSC Neapel, beste Mannschaft in Italien, Ihr habt hier supergut gespielt, die haben ‘ne halbe Chance – so’ne Scheiße – Egal, Kopf hoch, weiter so!“, bevor die Massen jubelten und unseren Schlachtruf skandierten.

Natürlich sind viele seiner Worte sportlich anfechtbar, verloren wir dieses Spiel nicht grundlos – aber das war in genau jenen Augenblicken nach dem Schlusspfiff für mich die genau richtigen Worte, die einzig würdige Art, dieser unserer Mannschaft gegenüberzutreten. Die hier geschilderte Szene ist das, was ich als Unioner mitnehme aus diesem vermaledeiten Schampusliga-Abend in der städtischen Schüssel. Es rumort ganz sicher in der Mannschaft, die ich gestern jedoch in keiner Weise auseinanderfallen sah.

Eisern heißt dit!

Fofana versagte bei seiner Auswechslung den Handschlag, las ich – und hoffe sehr, dass Urs und er, dass alle wieder zueinanderfanden. Denn nur zusammen geht was im Hause Union! Gönnen wir den Spöttern und Neidern ihren kurzweiligen Triumph. Womöglich hätten sie nicht erst gestern ihre Mannschaft bespuckt, sie zum Ausziehen der Trikots aufgefordert, wären zum Hallenhalma gewechselt oder auf Toilette. Ist halt nicht unser Ding. Und klar ist diese Schüssel kein echtes Zuhause, dazu nicht jeder, der Union-Klamotten trägt, eine dufte Type.

Ich bin genervt vom heutigen Abend. Fing mit der Anfahrt an und endete im Verhalten untereinander“, schrieb mir ein Freund. Mein U-1966-Käpten sah nach ebenfalls katastrophaler Anreise eine gute Halbzeit 1 und einen zweiten Durchgang „mit viel Engagement und weiterhin ohne Torglück“. Der Mann war sauspät im Bett und früh wieder raus – und sein Fazit? „Stimmung auf Arbeit ist trotzdem super und wir machen weiter … bis ganz nach vorn!“ Ihm schließe ich mich an und beim letzten Schüsselspiel bin ich dabei. Der KaLeu und ich rufen Dir zu: „Eisern heißt dit!“


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