Frank Nussbücker: Gefühlte 15 Bayernspieler waren zwei zu viel für Union

Union Berlin verliert knapp bei Bayern München

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

Wieder einmal hatten wir das wahnsinnige „Glück“, den Rekordmeister unmittelbar nach einer seiner Niederlage heimsuchen zu dürfen. Das Ganze obendrein „außer der Reihe“ als Nachholspiel zwischen zwei hochwichtigen Begegnungen im Ligabetrieb. Kurzum: Hochgradig giftige Bayern würden den Unseren wohl das Spielfeld zur Hölle machen. Als „Sahnehäubchen“ gabs den Lokführer-Streik, welcher nicht nur Freund Christoph daran hinderte, unserer Mannschaft im Stadion den Rücken zu stärken.

Apropos Mannschaft: Die hatte sich mittlerweile weiter ausgedünnt. Mit Sheraldo Becker ist nun auch der letzte pfeischnelle Flügelstürmer vom Hof. Was würden Hollerbach und Volland vorne ausrichten – ja, würden sie überhaupt etwas zum Ausrichten bekommen? „Soll ich jetzt gehen?“, fragte der Ball führende Einlaufjunge den Schiri. Der zeigte sich hier noch gut aufgelegt: „Jetzt klatschen wir ab – und dann läufst du los.“ Das war für mich einer der kleinen Lichtblicke jenes Abends.

Bayern in gefühlter Überzahl

Wir hatten Anstoß, welcher wie so oft zum ersten Abschluss des Spiels führte. Dann schraubten die Bayern ihren Ballbesitz auf gefühlte 99,89 % hoch – oh, Kane blieb an Tousart hängen! Nach 2 Minuten 50 der erste Abschluss der Hausherren. Die Fernsehkommentatoren bemerken, dass der Schütze nun auch wieder öffentlich hadere. Das gesamte Spiel über hecheln sie die verschiedenen Bayernstars durch und tauschen sich darüber aus, auf welche Art der gerade erwähnte englische Wunderstürmer sein heutiges Tor erzielen würde.

Abstoß Union, unser Keeper hat Zeit, erntet Pfiffe aus dem Heimpublikum. Tousart am Boden, dann ein erster gefährlicher Bayern-Abschluss, den Frederik Riis Rønnow beherzt zur Ecke klärt. Die Bayern drücken, und haben Unsere mal den Ball erobert, sehen sie sich sofort heftigstem Gegenpressing ausgesetzt. Für mich sieht es aus, als hätte der Gegner 15 Mann aufm Platz, doch noch immer lassen Unsere nicht viel zu.

Ungefährliches Spiel auf unser Tor

Der nächste Abschluss geht knapp vorbei, und zum „Scheiß DFL“ zu Beginn von Minute 13 tauchen Unsere erstmals wieder vorm gegnerischen Tor auf. Fast ein Abschluss von Hollerbach, der Konter der Bayern landet in Freddys Armen. Nun hat es Volland erwischt, nach kurzer Behandlung kommt er zurück. Leider ist kurz danach Schluss für ihn, Behrens kommt rein. Schon wieder die Rand-Münchner: Ecke, Kopfball, daneben – ich furchtsamer Mensch sah bereits das Netz zappeln. Wie ich meine Ma früher „mochte“, wenn sie in derartigen Augenblicken trocken wie resigniert „Tor“ sagte.

20 Minuten und 45 Sekunden: Einwurf Union in Bayerns Hälfte! Deren nächster Abschluss geht zum Glück neben unser Gehäuse. Dann ein Fernschuss – drüber! Alsdann kombinieren wir uns fast vor den gegnerischen Kasten, Betonung auf „fast“. Ballführung hinten herum bringt uns ein Prozentchen Ballbesitz. Ballverlust Hollerbach, doch er haut sich rein, wetzt die Scharte wieder aus. Es bleibt ein Spiel auf unser Tor, doch wirkliche Gefahr strahlt das gefühlte Milliardenteam kaum aus.

Bayerns vermeintlicher Doppelschlag

Hollerbach über rechts, Pass ins Zentrum, Ablage, Schuss! Der geht zwar daneben, doch freue ich mich unbändig, dass Unsere vorn mal wieder präsent waren. Hollerbach fast allein durch, wie ich dieses „fast“ hasse! Die Kommentatoren reden von Leblosigkeit, mangelndem Selbstvertrauen, womöglich fehlendem Charakter – und bringen mit alledem ihre Sorgen um ihre Bayern zum Ausdruck, isset nich süß!? Nach 5 Minuten Aufschlag endlich Pause, ich danke allen Unionern für die beherzte Abwehrarbeit.

 

 

Kaum ist die Partie wieder angepfiffen, drehen die Bayern dann doch noch auf. Englands Superstar knallt die Pille ans Aluminium, der Nachschuss eines Kollegen zappelt in unserem, Netz. Das Torgedudel ist so leise wie die überwiegende Mehrheit des Heimpublikums – danke München! Kurz und ungut, wir liegen hinten. Kurz darauf verrät mir mein Handy: Es steht bereits 2:0. Nun also hat Gold-Harry sein breit herbeigeredetes Rekordtor erzielt. Wie aus Versehen kommt einem Kommentator zwischendrin die Vokabel „Abseits“ ausm Mund.

Foul & Fight

Siehe da: Es war tatsächlich an dem, das Tor wird zurückgenommen – tut mir leid, Harry. „Es wäre ein Wunder, aber versuchts doch einfach mal!“, rufe ich in Richtung Computerbildschirm. Ein Bayernspieler möchte einen Handelfmeter, wir wechseln doppelt – und schalten plötzlich schnell um: Král auf Behrens, der jedoch vorm Abschluss von den Beinen geholt wird. Roussillon setzt nach, doch Manuel Neuer ist auf dem Posten, Scheibenkleister!

Aber Moment mal, das da eben war doch ein Foul, oder? Der VAR überprüft leise, die Gemüter laufen heiß, und ich frage mich – und jetzt dich: Wie oft wurde eine derartige Situation gegen uns gepfiffen?! Kam hier einmal mehr der Rekordmeister- & Star-Bonus zum Einsatz? Wie auch immer, das Spiel läuft weiter, aber nur kurz. Ein handgreiflicher Zweikampf am Spielfeldrand drückt diesem Abend unweigerlich seinen Stempel auf.

Oktoberfest im Januar

Die Rote Karte gegen unseren Trainer geht für mich klar in Ordnung, Punkt. Wir alle kennen die Regeln, Backpfeifen jedweder Art haben beim Fußball nichts zu suchen. Auch, was den beteiligten Bayernspieler angeht, schließe ich mich dem direkt nach Abpfiff interviewten Kevin Vogt an: „Gut provoziert!“ Wobei ich dem Spieler zugutehalte, dass er sich hier nicht, wie unter Rasenmillionären üblich, effektvoll zu Boden fallen ließ. Mit der ihm verpassten Gelben war er gut bedient.

 

 

Die beiden Männer werden am besten wissen, was genau zwischen ihnen abging – und nein, ich stimme nicht mit ein in die Moral-lastige verbale Steinigung unseres Trainers. Der dürfte sich am meisten ärgern über sein Oktoberfest-artiges Auftreten mit sportgerichtlichem Nachspiel. Schlagt mich, aber ich musste hier an die Szene mit Sheraldo Becker und dem Balljungen denken. Wäre Nenad ein solcher gewesen, wäre hier einzig der Bayernspieler verteufelt worden.

„That‘s Entertainment“ minderer Qualität

Nenad ist kein Balljunge, und jene Mischung aus Heumacher und ansatzloser rechter Gerade, die schlussendlich am linken Ohr seines Kontrahenten landete und uns allen nun reichlich Raum für Statements gibt, ist nicht wegzudiskutieren. Freund Rolands mir aus dem Herzen sprechende Verdichtung mit Augenzwinkern: „Unser Trainer ist im Abstiegskampf angekommen“, hätte mir den gestrigen Abend gerettet. Nun aber müssen wir zusehen, wie Mannschaft, Staff und letztendlich wir alle mit einem verbannten Chefcoach klarkommen.

Für mich deutlich unter der Gürtellinie das Banner eines Bayern-Fanclubs, der nach dem, was ich lesen konnte, den Namen „BFC 75“ trägt – Zufall? Neben zwei Zeilen im unbeholfenen Wutbürger-Sprech inklusive der Vokabel „Stasi-Schwein“ stand ein Typ in Uniform, mit Schweinsnase und den Gesichtszügen von Kalle Rummenigge – war der etwa auch bei der „Firma“, genau wie deren Fußballclub im Jahre 1975? Nein, ich meine das nicht ernst. Vom Dark-Entertainment-Standpunkt aus war das gestern jedenfalls ein Spitzenspiel.

Mein Dank an Mannschaft wie Auswärtsfahrer

Davon abgesehen imponierte es mir ganz ernsthaft, wie unsere Mannschaft diesen viel gerühmten Weltspitzen-Club über weite Strecken dieses Spiels Paroli bot. Von den gefühlt 111 Torschüssen waren nicht wirklich viele gefährlich – und wenn dann doch, waren unser Keeper, Kevin Vogt und andere zur Stelle. Freddy zeigte inmitten des Dauerbeschusses auch ein paar Unsicherheiten, die er jedoch innerhalb gefühlter Sekundenbruchteile wieder auswetzte. In Grund und Boden spielten uns diese Bayern keinesfalls.

Ich erlebte gestern eine klar unterlegene Union-Mannschaft, die sich dennoch in keiner Phase des Spiels aufgab. Wie steil wäre es gewesen, hätten sie sich und damit auch uns für all die Ackerei zählbar belohnt. Einmal mehr zeigte sich, wie unberechenbar dieser geniale Sport noch immer ist. Ich ziehe meinen Hut vor den mehr gelaufenen Kilometer unserer Spieler wie den etwa 1.600 Eisernen auf den Rängen, die trotz GDL-Streiks unser Team vor Ort unterstützten. Bereits am Sonntag heißt es: alles raushauen, was geht, natürlich ohne Backpfeifen, Eisern heißt dit!


Saison 2023/2024

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