Frank Nussbücker: Union verliert erhobenen Hauptes gegen Brausestädt

Bericht Union Berlin - Leipzig 3. Spieltag

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

Ich hatte die Sommerpause offenbar gebraucht und näherte mich nun äußerst langsam wieder meiner Fußball-Liebe an: Potti gratulieren, der nervenaufreibende Schampusliga-Kartenbestellungs-Tanz, immer wieder Staunen über Ollis Transfers, erstes Spiel am Ostseestrand via Liveticker, das zweite daheim am Radio – und nun endlich wieder leibhaftig im Stadion. Leider ausgerechnet gegen die für mich neuen Dieda, deren aktuell wohl 750 einem ausländischen Brausebetrieb verpflichtete Hanseln für mich nie ein Fußballclub werden.

Egal, ich gehe nicht wegen denen zu Union, sondern wegen uns. Endlich wieder im Coe bei Mone eins, zwei „Bananensaft“ schlürfen, dann ab zum Barkas, wo dieses Mal ein wahres Autorentreffen anstand. Mark Scheppert, Mikis Wesensbitter und Gunnar Leue signierten daselbst ihre neuesten Bücher zum Thema Nummer 1, da musste ich meine lieben Kollegen natürlich ein wenig anfeuern. Zumal ich für einen Kumpel eine Bestellung einzulösen hatte.

Endlich wieder im Block

Eine gute Stunde vor Anpfiff stürzte ich voller Ungeduld die Treppen hinauf, drinnen wieder runter zum Umlauf – und endlich hoch in den Block, lange entbehrte Nachbarn umarmen. Die Steinis waren diesmal nur durch Wolfgang und André vertreten. Auch Dana und Jo erkannten mich wieder, genau wie Lieblingsitaliener Helmut, der Lange, Il Generale Alfons, Torsten, Uwe, der leider ohne Bruder Lothar erschien und all die anderen Bewohner der Mittellinie.

Ja, ich komme gleich zum Spiel, aber mich treibt mindestens ebenso heftig dieses Rahmenprogramm zu Union. Eines, das aus uns selbst besteht, statt aus irgendwelchen hochbezahlten Laberern aus Showbiz & Co. Neugierig war ich auf jene Neuen, die unsere Scoutingabteilung da in den letzten Wochen ausm Hut zauberte. Wer von ihnen würde dabei sein – und wie würde unsere Mannschaft die Ausfälle von Sheraldo Becker, Danilo Doekhi, Janik Haberer und Rani Khedira wegstecken?

Die Hand zur Faust geballt

Noch dazu, wo es heute gegen eine Truppe ging, die dank der Finanzstärke ihres Mutterkonzerts zu den derzeit unangefochtenen Big 4 der Bundesliga zählt, was den Marktwert ihres Kaders angeht. Einen Punkt, gern samt Tor, hätte ich furchtsamer Mensch vor Anpfiff liebend gern als Endresultat genommen. Gerade angesichts unserer verlustreich erfochtenen Auftaktsiege und des bereits merklich gelichteten Kaders glaubte ich nicht an ein weiteres 2:1 zu unseren Gunsten.

Zu den üblichen Na-und-Typen im gegnerischen Aufgebot begrüßte Christian einen ehemaligen Unionspieler, die Reaktionen von den Rängen waren weit gefächert. Ich pfiff und buhte nicht, finde es einfach nur schade, dass er sich diesen Arbeitgeber erwählte. Endlich Eisernet Lied und Hymne, singbrüllen ist allemal der beste Stressabbau, zumindest für mich. Err-Bäh gewann die Platzwahl, schickte Unsere in Hälfte 1 gegens Zuckertor, meine Hand ballte sich zur Faust, konnte ich gar nichts dagegen machen.

Keine Seite lässt etwas zu

Wie immer gegen die neuen Dieda gab es zunächst keine Gesänge, wohl aber Pfiffe, wenn Err-Bäh-Akteure am Ball waren. Deren Anhang sang wie gewohnt vor sich hin, irgendwas mit Rasen und Sport. „Ihr seid nicht mal Sachsen, ihr Bauern!“, röhrte Feuerwehrmann Jo und reichte mir seinen Maßbecher, bevor mir Helmut aus einem der vollen Träger zu seinen Füßen einen prall gefüllten Becher kredenzte. Ecke Union, da wurde es dann doch mal laut.

Endlich zählten wir die Sekunden runter und besangen aus Leibeskräften „Eine Abwehr aus Granit, so wie einst Real Madrid!“ In der Tat ließen Unsere kaum was zu, Err-Bäh indes erkämpfte sich die zweite Ecke, erlag sich Freistöße, Ecke Nummer 3, aber noch immer keine Torchance. Unsere Mannschaft leider ebenfalls nicht. „Wir sind zu jut jeworden, um zu spielen wie früher!“, erklärte mir Jo die Sachlage. „Wir sind Unioner, wir sind die Kranken!“

 

 

Kaufen die uns den Schneid ab?

Wow, der Schiri entscheidet nach Err-Bäh-Foul mal auf Freistoß für uns! „Ja iss de scho Weihnachten?“, unkt in meinem Kopf ein hochaltriger Ex-Kaiser. Kurz drauf geht’s wieder in die gewohnte Richtung der heutigen Fußball-Rechtsprechung: Gelbe Karte Union nach Schwalbe Err-Bäh, hab ich genauestens gesehen, hatte schließlich meine Vereinsbrille uff! Dass ziemlich am Anfang auch ein Gegner Gelb sah, musste mir ein Blocknachbar stecken.

Wir sangen, und unsere Mannschaft schlug sich da unten weiterhin wacker. Ecke Union, der Keeper fängt den Ball, „unser Stolz der 1. FCU, unser ganzes Leben, das bist du …!“ Gegnerischer Angriff, der Schuss geht nebens Tor. Jetzt aber wir – schade, war schön gedacht! Noch immer alles ganz gut soweit, aber irgendwie beschleicht mich der Verdacht, dass der Gegner so langsam die Oberhand gewinnt. Kaufen sie uns etwa den Schneid ab? Genug Mittel dazu haben sie zweifellos.

Eisern Union!

Err-Bäh liegt, greift an, darf foulen, bekommt eine weitere Ecke, „1. FC Union Berlin – und alle!“ Wir singen, Frederik pariert den gegnerischen Abschluss, dann ist Pause. André reicht mir das nächste Kaltgetränk, wie wunderbar ist es, hat man solche Nachbarn. Apropos, heute erlebte ich erstmals leibhaftig den nigelnagelneuen Doppelhalter des UFC Kohorte Mittellinie, sieht jut aus, General Alfons! Schön auch, dass unsere Eisernen Ladies ihr Spiel gegen die Brausestädter Frauen gewannen!

Das Spiel unserer 1. Herren ging weiter: Union greift an, Err-Bäh fällt, von den Rängen ein neuer Gesang, den ich noch nicht kenne. Weiß jemand den Text, bitte verrate ihn mir. Unsere über links – abgewehrt! Ecke Union, der Keeper fängt ihn, Mist! Err-Bäh kontert uns aus – und führt. „Eisern Union!“, lautet unsere Antwort. Zu „Auf geht’s Union, kämpfen und siegen!“ bekommen wir gar einen Freistoß. Fofana haut ihn drüber, „Keiner wird es wagen …!“ Der Gegner kontert, schnell und zum Glück daneben.

 

 

Wir mal wieder zu zehnt

Unsre greifen an, ein Unioner von zwei Gegnern gestoppt, die dürfen das offenbar. Uns bleibt der böse Gesang mit den beschrifteten Messern. Dann Schockstarre: Das war ein Foul, oder? Ja, das wars wohl, und der hier wohl etwas zu ungestüme Herr Volland sieht den entsprechenden Karton in Rot. Als der Gefoulte, der sich noch eben heftigst auf unserem Rasen wälzte, eine blitzschnelle Wunderheilung offenbart, wird es martialisch laut auf den Rängen.

Der Typ darf auch sofort weiterspielen, jede seiner Ballberührungen wird heftigst ausgepfiffen. Kurz drauf darf er runter, natürlich wünsche ich ihm körperliche Unversehrtheit. „Das dämlichste Foul …“ und „Kann man leider geben, die Rote“, schnappe ich ein paar Kommentare auf. Unsere mühen sich, aber diesem Gegner sind sie heute leider nicht gewachsen. Natürlich streben sie dennoch nach vorn, und so kommt es halt so, wie es dann eben so kommt.

Unsere Liebe, unser Stolz

Dass es am Ende 0:3 gegen uns hieß, fand ich dann doch ein bisschen fett, Fußballgott! Aber was solls, wir verloren am Ende alles andere als grundlos – aber womöglich ist ja sogar diese Höhe der Niederlage zu was gut? „Vielleicht erdet uns das wieder ein wenig“, gibt Unioner-Kumpel Jörg zu bedenken. Gestern nach Abpfiff indes wurde AdAF noch nicht gedacht, sondern ohne Ende gesungen. Einige Minuten vor dem Abpfiff erklang wie immer unser Mantra …

… und es begleitete unsere Mannschaft auf ihrer schweren Runde nach verlorenem Spiel. Mir rettete das Besingen unserer Liebe, unserer Mannschaft, unseres Vereins den Abend. Alles wie immer, aber Robin Gosens konnte es offenbar kaum fassen: „Wir verlieren hier verdient 0:3 und werden gefeiert, als hatten wir die Champions League gewonnen. Das ist absurd. Das bewirkt bei mir, dass ich mich für diese Fans zerreißen möchte.“ So und nicht anders funktioniert der 1. FC Union Berlin, auf Rasen und Rängen gemeinsam, Eisern heißt dit!


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