Union geht in Bochum unter, einige Eiserne sind dennoch glücklich

Union Berlin verliert verdient beim VfL Bochum

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

Zum Auswärtsspiel nach Bochum folgte ich einer Einladung der Caritas-Werkstatt Oranienburg. Der Eiserne Teil von deren Leitung unternimmt mit den Beschäftigten, die unseren Verein im Herzen tragen, jedes Jahr mindestens eine Fußball-Fahrt in die Weiten unseres Landes – und nicht nur das. „Die schönste Fahrt war die nach Prag!“, schwärmt Detlef, einer der Beschäftigten noch heute. „Da hatten wir zum Fußball genügend Zeit, diese wundervolle Stadt zu erkunden.“

Mehrere seiner Unioner-Kollegen stimmen ihm aufs Heftigste bei. Diesmal also ging es tief in den Westen, in den Pott. Bochum ist nicht Prag, doch eines bleibt für den Beschäftigten und seit seiner Kindheit Herzblut-Unioner Detlef gleich: „Diese Fahrt werde ich noch wochenlang in meinem Herzen tragen!“ Ich erlebte das Ganze von Anfang bis Ende als eine Fußballreise im Geiste von Eisern trotz(t) Handicap, an dieser Stelle ein Dank an deren Organisatoren um die Union-verrückte Schnuppe-Familie.

Mit Rolli-Kevin inmitten der Bochumer

Hier wie dort dabei: Rolli-Kevin. Kurz vorm Einlass treffen wir die Schnuppes, die uns auf Herzlichste wollkommen heißen. Nun also kanns losgehen! Auf Kevins Wunsch hin würde ich das Spiel als sein Assistent kurz hinterm Spielfeld zu fast ebener Erde erleben, durch die Grundlinie getrennt von den Unionern im Gästebereich inmitten lauter Bochumern. Die sangen zunächst ihre Hymne mit, bevor ein kleiner Bochumer Junge mit fester Stimme das Spielende voraussagt: „3:0 für den VfL!“

Seine Weissagung wird erwidert vom Jubel der Bochumer und präsentiert vom Arena-Namensgeber. Überhaupt wird hier jede Menge Zeugs von diversen Firmen präsentiert, die Ecken beispielsweise von irgendeinem Insekten-Bier. Dessen ungeachtet ist für die Bochumer im Stadion das Ganze eine echte Herzensangelegenheit. Begünstigt durch unsere Position können wir Mannschaftsleiterin Susi die Hände schütteln. „Schick mir danach mal nen Spieler!“, fordert Kevin. Susi nickt ihm wohlwollend zu.

Fernab jedes Operetten-Publikums

Unsere gewinnen die Platzwahl. Sie lassen die Hausherren falschrum spielen und zeigen gleich mal einen Angriff. Der wird abgewehrt, und kurz darauf darf die Insekten-Brauerei ihres Amtes walten. „VfL!“, erklingt es hin und wieder aus den Nicht-Ultra-Blöcken der Bochumer, erwidert von den Pfiffen der Unioner. 12 Minuten Schweigen waren anberaumt, aus Protest gegen den anstehenden Investoren-Einstieg in der Liga. Ein Unioner gewinnt einen Zweikampf, wohl nicht ganz sauber. „Wo ist die Gelbe!“, fragt einer hinter mir.

Offiziell befinden wir uns hier im „neutralen“ Zuschauerbereich, aber in diesem Stadion gibt es, genau wie bei uns, so etwas nicht wirklich. Weit über mir sah ich eine rote Jacke, sie gehörte einem Düsseldorfer Fortunen. Beim Mitsingen beschränken sich die Bochumer weitgehend auf ein Lied und den Namen ihres Vereins, aber sie haben nichts zu tun mit dem außerhalb der Ultras üblichen Operetten-Publikum.

Unioner dominieren auf den Rängen, Bochum aufm Platz

Bei den Unseren läuft nicht viel nach vorn. Ballverlust Union, Foul Bochum – Freistoß, holpert das Spiel dahin. Becker kommt über rechts, leider Abseits. Kurz darauf eine Flanke in den Strafraum, leider kommt Kevin Volland nicht ans Spielgerät. Endlich zählen Gästeblock und Bochumer Ultras die letzten 10 Sekunden runter, aus dem Gästeblock hagelt es Tennisbälle, ein paar Bochumer pfeifen. Im Wechselgesang „feiern“ Gästeblöcke und Bochumer Ultras den nationalen Verband, ich „feiere“ mit.

Etliche Minuten später erklingt unser Bundesliga-Song, irgendwann attackiert von „VfL Bochum, olé!“ Ein Pott-Kicker sieht Gelb, Unsere versuchen einen Angriff – schade, das Durchstecken klappt nicht. Ein Unioner kommt an den Pass nicht ran, bedankt sich aber bei seinem Mitspieler, wunderbar! Auf den Rängen agieren jetzt einzig die Unioner, aufm Platz die Heimmannschaft. Bochumer gewinnen das Gros der Zweikämpfe, wirken bissig und entschlossen – wollen es einfach mehr. Als sich Unsere doch mal im Vorwärtsgang befinden, hebt Linienrichter Thielert sein Fähnchen.

Und es jingelt

Eine halbe Stunde ist gespielt: Union wackelt, kassiert mehrere Jingles der insektiziden Getränkefirma. Die erste Union-Ecke läuft ins Leere, genau wie unsere nächste Flanke, „1. FC Union Berlin – und alle!“ Unsere fast vorm gegnerischen Tor, der Gegenangriff der Hausherren kommt um einiges gefährlicher daher. Die Nachspielzeit ist herum, als Bochum eine doppelte Ecke erkämpft.

Quasi mit dem Pausenpfiff liegt der Ball in unserem Netz. „Scheiße!“, lautet Kevins Kommentar, dem ich nichts hinzuzufügen weiß. 16:4 Torschüsse vermeldet die Statistik, und nun war der eine drin gewesen. „Wo du auch spielst, ja wir folgen dir!“, leiten unsere Auswärtsfahrer die zweite Halbzeit ein. Freistoß Bochum aus bester Position, unsere Ersatzspieler laufen vor uns die Seitenlinie entlang.

Es kommt dicke

Kevin ruft laut deren Namen, András Schäfer schenkt ihm ein gequältes Lächeln, fast jeder winkt ihm zu. Bitte kommt jetzt, stoßt den Bock um, flehe ich stumm Richtung Spielfeld, wir holen immerhin eine Ecke. Schade, der Schuss geht knapp drüber. Es folgen Fehlpässe im Vorwärtsgang, dem nächsten Angriffsversuch folgt ein schneller Gegenangriff. „Mach es selber!“, ruft mein Nachbar, doch der Spieler hört nicht auf ihn.

Es gibt ab zu einem bestens positionierten und völlig freien Mitspieler, der es sich nicht nehmen lässt, unser Tornetz erneut zappeln zu lassen. Freddy ist stinksauer auf unsere hier quasi nichtexistente Defensive. Das irgendwie bayrisch klingende Tor-Gedudel aus der Konserve kotzt mich an, und natürlich teile ich auch nicht die Euphorie des Stadionsprechers. Dennoch gefällt mir, dass er auch den Vorlagengeber feiern und das Publikum ohne das mittlerweile arg abgedroschene „Danke-Bitte“ mitmachen lässt.

 

 

Eiserner Dank an unseren Torwart

Wir wechseln dreifach, alsbald kommen zwei weitere Neue ins Spiel. Bochum attackiert weiter, und das nächste jubelnde Aufspringen meiner Nachbarn gilt glücklicherweise einem Außennetz-Kontakt des Spielgeräts. Und schon wieder sind sie gefährlich vor unserem Gehäuse. Der letzte Gegentreffer ereilt uns mit mehrminütiger Verzögerung. Es sei ein klares Foul gewesen, sagen mir später mehrere meiner Mitreisenden. Wie auch immer, der Strafstoßschütze lässt Freddy keine Chance.

Es passte zu diesem Auftritt unserer Mannschaft, dass unser wackerer Schlussmann das Ding nicht halten konnte. Dennoch müssen wir uns aufs Herzlichste bei Frederik Riis Rønnow bedanken, dass dieses Match nicht auch vom Ergebnis her vollends zur „janz engen Kiste“ wurde. Wieder und wieder wehrte er gegnerische Angriffe ab, nicht selten aus höchster Not. Wohl nicht nur für mich war er der mit Abstand beste Unioner aufm Platz.

Endlich der Schlusspfiff

Es wurde nicht besser, aber glücklicherweise auch nicht noch schlimmer. Der Gesang mit den Zeilen „Wir warn am Ende, gib mal ne Spende“ passte leider bestens zu diesem Spiel. Ein wenig Trost spendete mir auch mein Nachbar, wir seien schließlich zwei Arbeitervereine. „So langsam müsster mal anfangen zu punkten, sonst wird das eng!“, gibt er mir mit auf den Weg. Weil er generell ein freundlicher Mensch zu sein scheint, verrät er mir auch den Text des Liedes, welches, von den Ultras angestimmt, das gesamte Stadion gesungen hatte:

Es gibt nur eine Sache, die uns am Leben hält, das ist der VfL Bochum, der geilste Club der Welt!“ Zum Abschied wünscht er uns viel Glück für die anstehenden Spiele. Unsere Mannschaft bedankt sich bei den Unionern auf den Rängen. Als unsere Co-Trainerin an die Bande kommt, um ein paar Bekannten Tach zusagen, rollt Kevin schnurstracks auf sie zu. „Hol mal den Volland ran!“, ruft er ihr zu und Loui verspricht, das ihr Mögliche zu tun.

Mir geht das Herz über

Sicher gehen insbesondere so manche Kids bei ihren Autogramm-, Trikot- und sonstigen Wünschen an von ihnen verehrte Profi-Fußballer zu weit. Insbesondere nach einer Niederlage, erst recht einer solchen, wenn die Kicker einfach nur noch unter die Dusche wollen, einen Cut machen, nur noch weg hier! Trotz alledem machte es mich glücklich, dass am Ende beide Kevins unserer Mannschaft zu ihrem Namensvetter an die Bande kamen, um ihm ihre Trikots zu verehren sowie sich zusammen mit ihm ablichten zu lassen.

Ein Spielertrikot ist eine beliebte Trophäe. Für meinen mehrfach gehandicapten Unioner-Kollegen ist jedes Unionspiel ohnehin schon das Höchste der Gefühle, welches er von der ersten bis zur letzten Sekunde mit Erpelpelle und aus tiefstem Herzen auslebt – erst recht mit diesen Zugaben! Mein herzliches Danke geht an Mannschaftsleiterin Susi Kopplin, unsere Co-Trainerin Marie-Louise Eta sowie unsere Spieler Kevin Behrens und Kevin Volland. Ihr habt „meinen“ Kevin mehr als nur glücklich gemacht. Union ist sein Leben, aber das wisst ihr so gut wie ich.

Warum ich trotz allem glücklich bin

Dass der Weg zum Bahnhof inmitten all der Bochumer diesmal kein Spießrutenlauf wurde, lag sicher auch gehörig am Spielverlauf. Immer wieder gaben mir VfLer beste Wünsche für die restliche Saison mit, schwärmten ein wenig von uns, wünschten uns ein frohes Fest. Lediglich ein offenbar mental arg beeinträchtigter Blödkoffer mit Schampusliga-Wampe versuchte aufs Bösartigste, sein Mütchen an uns zu kühlen. Da aber war mit Detlef und Kollegen nichts zu machen. „Ich nehme hier nur all das Postive mit!“, lautete dessen Fazit im Zug Richtung Berlin.

Dass er zusammen mit seinen Unioner-Freunden diese Fahrt erleben durfte, zählt ihm weit mehr als alles andere. Das machte auch mir diese Fahrt zu einem kostbaren Teil meines Unioner-Lebens, daher mein Eiserner Dank an diejenigen, die diese Tour ermöglichten! Und ich danke auch den Bochumer Ordnern, die uns jederzeit mit Rat und Tat zur Seite standen, sowie Kevins Rolli-Kollegin von der Bochumer Fanbetreuung, die uns herzlich umsorgte und mir Grüße für die Eiserne Vonnsche aus der AWO-Wohngruppe mit auf den Weg gab. DAS ist für mich das Bleibende dieses aus sportlicher Sicht katastrophalen Fußball-Tags, Eisern heißt dit!


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