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Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)
Wieder so ein Sonntag, an dem die Aussicht, eine Kolumne über das gestrige Spiel meines geliebten Fußballclubs zu schreiben, mich nicht gerade aus dem Bett hochschießen ließ. Immerhin schien gestern die Sonne, was ich in den letzten Jahren immer mehr als gutes Omen für ein zu erwartendes gutes Spielergebnis meines FCU nahm. Immerhin würde ich das Spiel nach einer Stunde am Barkas zusammen mit meinem U-1966-Kapitän Christian und Maat Tilo in der Schlosserei verfolgen. Ja, auch hier kieken echte Unioner Fußball!
Und immerhin hatte unser Präsident in seinen zuvor bereits zigfach verbreiteten Begrüßungsworten im Unionprogramm ein klares Bekenntnis zu unserem Trainer – und damit auch zu dessen Team abgeliefert. Somit konnte zumindest in Ruhe gearbeitet werden, hoffte ich zumindest. So ruhig das eben geht mit der Bürde all der nicht gewonnen Spiele samt aller Begleiterscheinungen auf den Schultern. Der Druck dürfte mittlerweile für jeden unserer Spieler ein solcher sein, den ich bei meiner Arbeit so gar nicht gern hätte.
Der Gästeblock war prall gefüllt und zeigte eine martialische Choreo in Schwarz und mit zwei Boxern, von denen allerdings keiner wie Willi „de Ox“ Fischer aussah, der ja ein Frankfurter Junge ist. Bei der Nennung unseres Torwarts ertönten dort Pfiffe – etwa, weil sie Frederik bei ihnen nicht durchsetzte und nach einem Jahr Leihe unsere Nummer 1 wurde? Der handelsübliche Umgang also. Schade, Frankfurter, von euch hätte ich besseres erwartet.
Vor der Nennung unseres Trainers ließ Stadionsprecher Christian eine Pause folgen, auf dass wir diese mit Jubel und Applaus füllten, bevor es laut donnernd „Urs Fischer!“ über den Stadionrasen schallte. Gleich hinterdrein unsere Hymne und mit dem Anpfiff der Wechselgesang „Eisern!“ „Union!“ Somit war der Anfang zumindest auf den Rängen eine klare Sache, die mir Mut machte für das, was wir da heute zusammen zu bewerkstelligen hatten. Aufm Platz war leider auch sehr schnell einiges klar …
1.18 Minuten von der Uhr, da bekamen die Gäste einen Freistoß geschenkt. Die Frankfurter sagten danke und nagelten die Pille nach kurzem Antäuschen schnörkellos links in unser Tornetz. Jubel und Gesang im Gästeblock, für uns hieß es nach eins, zwei Schrecksekunden: „Wir singen Rot, wir singen Weiß…!“, Ecke Union von Becker, sie kommt flach rein – schade. Nächste Ecke, jetzt getreten von Käpten Trimmel – wieder nichts. Angriff der Frankfurter, Becker klärte zum gerade eben machtlosen Frederik Rønnow.
Klar tat es gut, einfach weiterzusingen. Was willst du sonst auch machen gegen diese brutale Machtlosigkeit, gegen dieses tief gefühlte Wissen: Nee, oder, geht dieser Sch… schon wieder los und gnadenlos weiter!? Die Frankfurter kombinierten sich lässig vor unseren Sechzehner. Endlich wieder ein Angriff der Unseren, Trimmis Abschluss leider direkt auf den Keeper gezogen. Auf den Rängen kämpfte „Alléz-alléz SGE“ gegen „Wo du auch spielst, ja wir folgen dir, und ist der Sieg auch noch so fern – SO FERN!“
Ecke Union – stattdessen Freistoß Frankfurt! Gerade eben waren wir auf links nahezu durch gewesen. Statt unserem Jubel über endlich mal wieder ein Union-Tor jubelten kurz darauf erneut die Gäste. Keine 14 Minuten herum, wir liegen 0:2 hinten, „Wo du auch spielst…!“ Urs und Hofi sitzen einige Meter vor uns am Rand des Spielfelds. Von nun an waren beide vor allem stehend und eindrücklich gestikulierend zu sehen. Hollerbach läuft sich gegen zwei Gegner fest – wo wollte er da hin?
Angriff Frankfurt, Knoche haut den Ball raus, doch sie sind schon wieder da, setzen zum Glück keinen weiteren Nadelstich. „Dieser Becker!“ schimpft ein Alter links von mir. „Hat der schon jemals irgendein Tor geschossen?“, bringe ich zumindest meinen Kaleu zum Grinsen. Aber es sieht in der Tat gerade so gar kein bisschen gut aus. Vielleicht jetzt mal: Union über links, gestoppt durch ein Foul. Gelbe Karte und Freistoß, das war doch mal genau unser Ding!
Schuss aufs Tor, der Keeper kann zur Seite abwehren – aber endlich mal wieder ein Abschluss, „Eisern Union!“ Laidouni gegen drei, das war dann einer zu viel. Ein Pass in den Sechzehner kommt leider nur beim Gegner gut an. Der Vorwärts-Gesang erklingt, Ecke Union, ebenfalls eine unserer Spezialitäten – leider vor allem in einer Vergangenheit, die gerade von Spiel zu Spiel weiter wegrückt. Erst mal Pause – und dann?
„1. FC Union Berlin – und alle!“, dazu zwei Union-Ecken hintereinander! Leider brauche ich ihrem Ergebnis keinen Satz zu widmen. Ich singe an gegen das Gefühl der Ohnmacht, um mich herum singt der eine oder die andere ebenfalls – was willst du machen, wenn meckern genauso wenig dein Ding ist wie stummes in-sich-rein-Fressen? Union hintenrum, dann über links in den Sechzehner – abgewehrt. Wie sollen wir hier jemals ein Tor erzielen? Egal, eines Tages werden wir das, ganz sicher – und bitte noch vor Weihnachten! Angriff Union, der Keeper klärt per Kopf vor dem heranstürmenden Behrens, der seit ein paar Minuten im Spiel ist.
Jetzt aber! Becker tankt sich durch, passt auf Behre – der das Ding knapp nebens Tor setzt! Verdammte Axt, das hätte es doch sein müssen, oder etwa nicht!? Klasse Angriff, direkter Abschluss, warum um alles in der Welt zappelt das verdammte Tornetz nicht! Ich weiß die Antwort selbst, meine Frage war an olle Fußballgott gerichtet. Bald drauf geht das Ding erneut aufreizend knapp links vorbei, von links höre ich: „Dit könnte jetzt jut und jerne 2:2 stehen!“
Oh ja, das könnte es – wie ich an meiner geliebten Sprache gerade die Möglichkeitsform hasse! Unsere machen weiter unablässig Druck – und ja, sie kommen dabei auch vors gegnerische Tor, aber der Ball will eben partout nicht in selbiges hinein. 68. Minute, ein Kopfball ganz dicht links neben das Tor. Frankfurts Keeper ist sauer, dass einer der unseren da so frei zum Kopfball kam. Dazu bekommen die Hessen mal nen Freistoß für nix, während sie Laidouni ungesühnt von den Beinen holen dürfen.
Als es irgendwann das nächste Tor zu bejubeln gibt, sind es erneut die Gäste, die dies tun, das Ganze kurz vor unserem finalen Dreifach-Wechsel. Dann jedoch zappelt der Ball endlich doch einmal in des Gegners Tornetz, doch wir haben die Arme noch nicht ganz oben, als klar ist: Aberkannt, kein Tor, warum auch, wo wir doch gerade so tief drinnen sind im vielbesungenen Tal der Tränen. „… Wir standen alle mit dem Rücken zur Wand! Wir warn am Ende, gib mal ne Spende …“
Das Singen tröstete mich auch gestern ein wenig, und natürlich bekam unsere Mannschaft samt Trainerteam und Stab ihren Applaus. Was sollen wir anderes tun? Wie um alles in der Welt auch immer, am Ende kommen wir nur zusammen raus aus diesem vermaledeiten Mist. Bereits gegen Braga schien der Fluch gebannt – und eines Tages wird er es wirklich sein. Bis dahin heißt es ganz klar: Alles hinterfragen, jede Stellschraube prüfen, arbeiten und bei alledem: Eisern bleiben! Was wir hier gerade gemeinsam erleben, werden wir dereinst unseren Nachfahren berichten, Eisern heißt dit!
Wer: Martin Krüger (45)
Wann:26.11.2024