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Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)
Schon lange freute ich mich auf dieses Spiel. Eine der weltbesten Mannschaften der Welt kommt zu uns nach Köpenick, erstmals in unser prall gefülltes Wohnzimmer! Nicht unter der Benefiz-Fahne, sondern zum insgesamt siebten Mal zu einem Bundesliga-Punktspiel. Obendrein bestand die tatsächliche Aussicht, dass wir einen, womöglich alle drei hierbei zu vergebenden Zähler am Ende auf unserem Konto vorfanden! Wie liebe ich Urs Fischer für seinen Satz: „Wie jedes Spiel wollen wir es so angehen, dass wir gewinnen können.“
Großartig, wie er diesen ganzen Spitzenspiel-Hype brummig-elegant an sich abprallen ließ. Unser vor dem Spiel sensationeller 2. Platz – eine Momentaufnahme nach 4 von 34 Spieltagen, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Sein dritter Volltreffer in der Pressekonferenz zwei Tage vor dem Anpfiff: „Für den Klassenerhalt reichen 10 Punkte nicht.“ Damit genug des Vorgeplänkels: Ab dafür ins schönste Stadion dieser Welt! Da mich mein U-1966-Käpten Christian zu sich in die Schlosserei eingeladen hatte, bekam Späti-Hannes meine Dauerkarte, um mich im Block über der Mittellinie zu vertreten.
846,53 Millionen Euro Marktwert, gleich nochmal 6 Mio. mehr als letzte Saison, der Kader eine bunte Mischung nationaler wie internationaler Nationalspieler, die in unserem Stadion ja doch alle nur „Na und“ heißen. Respekt? Aber sicher doch, aber den hatten sie mittlerweile wohl auch vor unseren „Fußballgöttern“ und uns auf den Rängen. Hatte Urs doch die Devise ausgegeben, dem Rekordmeister zu zeigen: „Wir können auch gefährlich werden.“ Ich war entspannt aufgeregt. Zugleich hatte ich Schiss, dass sie uns nach unserer Anfangs-Offensive, gleich mal zwei Treffer einschenkten …
In der Bahn traf ich Ekim aus der Parallelklasse inmitten seiner Oranienburger Frösche, in der Schlosserei trafen wir Uwe Neuhaus und Heinz Werner, vor Urs die beiden erfolgreichsten Union-Trainer unserer Vereinsgeschichte. Wenn das kein gutes Omen war, was dann?! Potti winkte ab, als ich ihn nach seinem Tipp frage: „Wir gewinnen 3:2!“ Gleich nach der Hymne „Union, Union!“, gefolgt von: „Und wir lieben unsern Club, und wir sind stolz auf ihn, FC Union aus Berlin – Köpenick!“ Die Bayern gewinnen die Platzwahl, doch lassen unsere gegens Wuhle-Tor spielen, Peace?
Warum war Jordy nicht im Aufgebot? „Muskuläre Probleme“, verrät mir mein Nachbar. Unsere beginnen mit einem fast-Torschuss, dann die Bayern. Unsere wehren mehrfach ab, der Schuss geht dann weit über den Kasten. Auf den Rängen zunächst Waldseite gegen Gästeblock, wo bleibt „meine“ Gegengerade, auf der ich doch heute Hannes weiß? Die Uhr zeigt 4 Minuten, zehn Sekunden, Ecke Union: „Hinein, hinein!“ Sie wird abgewehrt, der zweite Ball landet bei Neuer. Bei unserem nächsten Angriff streckt der Nationaltorwart seinen gefürchteten Reklamationsarm in die Höhe.
Der Schiri schenkt dem Rekordmeister einen Freistoß, „hier regiert der FCU!“ 9. Minute: Ecke Bayern. Rønnow zeigt eine Parade, nächster Eckball. Die Bemühungen unserer Gäste versanden allesamt im Eisernen Abwehr-Bollwerk. „Wir singen Rot, wir singen Weiß, wir singen Rot-Weiß FCU!“ Weiter Abstoß Rønnow, vorn ein Foul der Bayern. Den Freistoß tritt unser Käpten – wunderbar auf den bestens positionierten Sheraldo Becker, der die Pille gnadenlos reinhaut. Neuer tritt ihn wütend gleich selbst nochmal in die Maschen, das Stadion explodiert, wir springen auf. Wie irre ist das denn, wir führen!
Urs, Böni und Hoffi geben ihren Schützlingen sofort Zeichen, und schon greifen die Bayern an. Rønnow hat ihn, und wir stimmen unsere Bella-Ciao-Version an. In unserem Sechzehner entbrennt eine Abwehrschlacht, schließlich Eckball für die Bayern. Der Druck bleibt, dreimal schießen sie auf unser Tor, der dritte Ball zappelt im Netz, verdammter Mist! Und sie drücken weiter. Wir singen das Partisanenlied, der nächste Gästeangriff verpufft. Endlich wieder Union: Trimmi raus auf Becker, der schießt aus spitzem Winkel in Neuers Arme. Schade, hätte er hier reklamiert, hätte es ein Tor werden können …
Thorsby ackert im Mittelfeld. Wir singen folgerichtig: „Eine Abwehr aus Granit“, denn Bayern greift wieder an. War der nicht im Aus? Weiter geht’s, „hier regiert der FCU!“ Dann der Kampf der Ränge: „Eisern Union“ gegen „Bayern Müüünchen“, unsere attackieren über links. Die Gäste singen ihre Version des Schließerlieds. Zumindest „Von der Elbe bis zur Isar“ trifft ja auf sie zu. Klares Foul eines Bajuwaren, er sieht die Gelbe. „Kämpfen und siegen!“, kommt es von den Rängen. Attacke Union – schade, Neuer hat ihn.
Duelle im Mittelfeld, dann wieder die Bayern. Für das nächste Foul kriegen sie keine Gelbe, dafür jede Menge Pfiffe. Dem folgt „dem Morgengrauen entgegen“. Trimmi flankt auf Behrens, schade, wird nichts draus. Nagelsmann tobt an der Seitenlinie, stürmt fast das Spielfeld, kann den mal bitte jemand duschen schicken? Freistoß Trimmi, ein guter Abschluss, Applaus und „Eisern Union!“ Kurz drauf fast ein Eiserner Konter. Der Schiri pfeift einen Freistoß gegen uns, Bayern-Bonus? „Hohes Bein“, hilft mir Käpten Christian. Plötzlich ist Bayern durch, Schuss aufs Tor, aber Rønnow kratzt ihn raus! Das war das gefühlte 1:2.
Auch die nachfolgende Ecke entschärft unser Keeper. Dann wieder Union. Andras Schäfer lässt auf rechts mehrere Gegenspieler stehen, flankt ins Zentrum, am Ende hat Neuer den Ball. Den nächsten Bayern-Angriff wehrt unser Käpten ab, schon erklingt das Mantra. Bayern-Freistoß aus bester Position, Urs gibt Zeichen, das Stadion singt und pfeift, am Ende keine Gefahr. Dafür auf der anderen Seite: Becker über rechts, flankt ins Zentrum, Schuss – Neuer wehrt ab, das wäre fast das 2:1 gewesen. Immerhin Ecke, aber Neuer hält. Die Bayern schießen noch einmal neben und über unser Tor, dann ist Pause.
Schon bald nach Wiederanpfiff ist Frederik Rønnow erneut gefragt. „Ihr könnt doch mit denen nicht mitspielen!“, schimpft mein Nachbar Richtung Spielfeld. Nagelsmann pest weiter die Seitenlinie entlang, Urs sitzt konzentriert auf seinem Stuhl. „So verhält sich ein Trainer!“, befindet mein Käpten, jawollja! Bayern greift an, unsere versuchen sich zu befreien. „Wir kriegen die zweiten Bälle nicht!“, tobt mein Nachbar. Behrens lässt sich in der eigenen Hälfte den Ball abnehmen, Rønnow hat ihn zum Glück. Unsere greifen an, Neuer hält.
Wir kriegen die Bayern nur schlecht vom Ball getrennt, allerdings werden die vor unserem Kasten kaum gefährlich. Urs wechselt den Sturm aus, Michel und Leweling für Behrens und einen offenbar verstimmten Sheraldo Becker. Der pfeilschnelle Teufelskerl hatte mal wieder alles rausgehauen. Eisern-Union-Wechselgesang, die Gegengerade ist voll dabei! Michel greift an – schade, er kam nicht durch. Parade Rønnow, dann ist Bayern fast durch, aber eben nur fast. Michel erobert den Ball, Ecke Union in der 69. Minute!
Trimmi tritt von links – und sogleich den nächsten Eckstoß von rechts. Abgewehrt, zweiter Ball, schade! Ab Minute 71 erschallt unser Bundesliga-Song, lässt das Stadion erzittern. Unsere beiden neuen Stürmer wirbeln vorn, stören, ratzen, beißen sich durch. Dann Trimmi über rechts, war das ein Foul im gegnerischen Strafraum? Egal, Union weiter am Ball, dann wieder Neuer. Nun Dauerangriff Bayern, wir kriegen den Ball nicht weg, endlich Rønnow! Bei seiner nächsten Parade schreit es in mir: „Danke Frederik! Einen Sieg haben die heute nicht verdient!“ Am Ende gibt’s die üblichen 4 Bayern-Minuten drauf, aber auch in denen passiert nichts mehr.
Wir feiern den Abpfiff wie einen Sieg. Bald nach der Freude über diesen hart aber verdient erkämpften Punkt freuen wir uns auf Donnerstag: „Europapokal-Europapo!“ Der Gästeblock erwidert prompt: „In Europa kennt euch eine Sau“, von uns erwidert mit „Schalalalalalaa Eisern Union!“ Pure Freude über eine Mannschaft, die verbissen kämpfte, kompakt agierte und in der einer für den anderen rackerte. Ein solidarischer Kampfgeist, der die technisch besseren Bayern nicht wirklich zaubern ließ. Meine Tabelle: 11 Punkte, nur noch 29 bis Buffalo, Eisern heißt dit, Donnerstag geht’s weiter!
Wer: Christopher Busse (35)
Wann:16.11.2024