Frank Nussbücker: Union attackiert, strauchelt und besiegt den SC Freiburg - CL vor Augen

Bericht Union Berlin gegen SC Freiburg

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Vorletztes Heimspiel der Saison, und sportlich ist das Ganze zumindest für mich als Fan meines Vereins so entspannt wie ewig nicht: Europa sicher, fragt sich „nur noch“ in welchem Wettbewerb. Auch um die Erteilung der Lizenz mache ich mir – wie gefühlt seit Jahrzehnten – grad keinerlei Gedanken. Dass ich nicht voll und ganz im Feiermodus gen Köpenick düse, dafür sorgt derzeit lediglich diese DFL-Investorenstory, in der wir eine zumindest für mich völlig ungewohnte Rolle spielen.

Holt uns grad ein wenig die Zukunftsvision von Steinis neuem Union-Theaterstück ein? Hat man sich janz oben im Unioniversum womöglich bereits dran gewöhnt, dass wir, von uns auf den Rängen seit Jahren gesangstechnisch begleitet, „nun endlich oben steh’n“, und das dauerhaft, für erst mal immer? Würden also bei einer Zementierung der bestehenden Verteiler-bedingten Geldmittel neben Bayern, BVB, Red Bull GmbH auch wir zu den großen, ewigen Siegern gehören?

Zwei noch Kleine zwischen den Finanzriesen

Ich weiß es nicht, und ich habe noch zu wenig Ahnung von der Materie. Fahre ich also wie immer gen Köpenick, um dort ein paar alte Freunde, Bekannte und diesmal auch zwei Menschen zu treffen, denen ich bislang noch nie persönlich begegnete. Dabei steht Marén im Block lediglich ein paar Meterchen von mir entfernt? Ich lernte sie – via Messenger und Telefon – kennen, als sie mir half, den Pflegegrad für mein Muttchen zu bekommen – eine Unionerin, die hilft, dafür meinen und Muttchens herzlichen Dank!

Und dann ist da mit dem SC Freiburg ein Gegner, der genau wie wir als noch Kleener mang den ganzen Finanzgiganten oben in der Tabelle steht. Die Freiburger, die ich in der S-Bahn und auf dem Fußweg zum Stadion treffe, sind gut drauf. Sie bieten mir ein Unentschieden an, „ein geiles 4:4!“, sagt einer. Ich hätte es fast genommen. Bei der Verlesung der gegnerischen Aufstellung befinden sich mit einem Spieler und einem Athletiktrainer zwei Fußballgötter unten all den „Na und?“ Der Gästeblock singt in unsere Hymne rein, danke für die Motivation!

Eiserne Attacke

Die zweiteilige Zaunfahne auf der Waldseite vermeldet: „UNIONER, BLEIBT KRITISCH!“ „NEIN ZU INVESTOREN IN DER DFL“. Mit einem mächtig vorbereiteten Gesang unseres Bundesliga-Aufstiegslieds beginnt das Spiel. Der Ball rollt, Unioner stürmen vor – und in Minute 5 haut Kevin Behrens das Ding für uns in die Maschen! Wir hielten gerade eine Tapete hoch und Nachbar André haut sein halbvolles Bier kurzentschlossen nach vorn. Auf direktem Wege schwappt es von dort zurück, wir führen!

„FCU, FCU in Europa / FCU, wir sind da, na klar!“ Neun Minuten vorbei, Ecke Union, „hinein!“ Der Kopfball streicht knapp am Tor vorbei. Angriff der Breisgauer, Käpten Trimmi löst das Ganze per Kopf. Kurz vor Anpfiff ehrten wir ihn für sein heute 300. Pflichtspiel für Union. Minute 14 beginnt mit „Dem Morgengrauen entgegen!“ Früher kassierten wir bei dem Gesang Gegentore, das ist längst nicht mehr so. Auf Rasen und Rängen weiter Attacke in Rot und Weiß. Mist, Rani kassierte grad Gelb.

Sherri lässt es klingeln

„Endlich mal wieder ein Torschuss für Union!“, vermelden meine Notizen, offenbar hatte unser Gegner also zuvor selbst einige Angriffe gestartet, uns zumindest nicht an sein Gehäuse herankommen lassen. „1. FC Union Berlin, und alle!“ András wird gefoult, hoffentlich nicht seine alte Verletzung! Auch Behre ist mittlerweile verwarnt. „Das muss er nicht machen, den Torwart so angehen“, hilft mir Nordlicht Jürgen, das Ganze zu verstehen. Trotzdem teilt dieser Schiri aus meiner Sicht auffallend einseitig aus.

Dann nimmts Sheraldo Becker gleich mit vier Gegenspielern auf, behauptet den Ball. Kurz zuvor war er noch gescheitert, aber jetzt setzt er das Ding eiskalt ins gegnerische Tor! Unser Jubel kennt keine Grenzen, wieder ist die Luft über unseren Köpfen erfüllt von Flugbieren. Warum der Torschütze nun auch noch die Gelbe sah, kann ich Dir leider nicht sagen, weißt du es? „Weil er ein Tor geschossen hat!“, mutmaßte einer neben mir. Foul Freiburg – nichts passiert, immerhin gibt’s jetzt mal einen Freistoß für uns.

 

 

„So ‘ne Scheiße, Champions League!“

Eine Sache für Käpten Trimmel. Er bringt ihn in den Strafraum, wunderbare Verlängerung, Robin Knoche spielt ihn zu Sherry, und der lässt es gleich nochmal klingeln! 3:0 Union, wann gabs sowas zum letzten Mal? Einfach nur irre! „Damals mit Damir Kreilach noch 2. Liga / Heut kennt ganz Europa unsere Lieder!“ Freistoß Freiburg – Frederik sicher auf dem Posten! „So ne Scheiße, so ne Scheiße, so ne Scheiße, Champions League!“ erlebt ein nun schon fast alter Aufstiegsgesang seinen aktuellen Text.

Wir bringen das Ding glatt in die Pause. Zwei mir bis dato Unbekannte stehen bei uns, beide tragen ihren Schwerbeschädigtenausweis um den Hals. Er und sie hatten Blutkrebs, ihr Stammzellenspender kam aus Freiburg. Wir alle drei freuen uns des Lebens – später auf dem Heimweg sollte ich vom Tod eines NEMO-Kumpels lesen … Die Mannschaften steigen aus den Katakomben hervor, und Jürgen sieht: „Die Freiburger haben jetzt ne ganz andere Körpersprache!“ Klarer Fall, da kommt was auf uns zu.

„Keiner wird es wagen, …“

55. Minute, Ecke Freiburg, da war doch was, oder? Ja klar, die können Standards, und schon steht es nur noch 3:1. „Eisern!“ „Union!“, brandet es zwischen Waldseite und Gegengerade hin und her, gefolgt vom ASK-Song, auch der erklingt mit mächtigem Schall. Dann checkt der VAR, ob es einen Elfer geben soll, nix da! Und dann, etliche Minuten schließlich doch, nach Foul an einem Breisgauer in unserem Sechzehner. Der Vorlagengeber von vorhin läuft an und vollstreckt, nur noch 3:2!

Wie oft erlebten wir so etwas, und wie zitterten und fluchten wir allzeit darüber. Heute jedoch ist mir seltsam schwerelos zumute. „Kämpfen und siegen!“, schicken wir hinunter auf den Rasen, wo der SC jetzt zum Sturm anläuft. Betteln wir um den Ausgleich? Sie erkämpfen Ecken, bekommen Freistöße, doch noch steht unsere Abwehr. „F-C-U-Fußballclub Union Berlin-F…“ Nächste Ecke Freiburg: „Keiner wird es wagen, keiner wird es wagen, unsern FCU zu schlagen!“

„Hier ist meen Zuhause!“

Fast hätte ich es vergessen, auch „Der Vater im Zuchthaus gestorben“ erlebte einen weiteren Auftritt, und in Minute 80 endlich die Erlösung durch unsere Mannschaft: Jordan schickt Becker, der wie so oft vors gegnerische Tor fliegt, zu Aïssa Bilal Laïdouni passt – und schon liegen wieder 2 Tore zwischen uns und dem Gegner, erlebt die Luft überm Block erneut eine ordentliche Bierbrise. Wie irre ist das, und nun gibt’s kein Halten, noch Vertun. Der 1. FC Union Berlin hat 59 Punkte und mindestens die Europa League sicher!

Wir feiern die Mannschaft, Union und das Leben. Der Gästeblock bleibt prall gefüllt, sie gucken und hören sich das an. Zwei spielfreudige Mannschaften hatten einen tollen Fight hingelegt und die unsere in der Summe die besseren Argumente parat gehabt. Ich beschließe, jeden dieser Momente zu feiern und zu genießen. Wir werden sehen, welche Investoren und Ergebnisse die Zukunft bringt, heute und hier heißt es für mich: „Hier ist meen Zuhause, hier krichtma keener weg!“ Hab einen schönen Sonntag und eine gute Woche, Eisern heißt dit!“


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