Frank Nussbücker: Union Berlin steigt nach Erfolg über Bochum europäisch auf

Sieg für den 1. FC Union Berlin

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

Nein, ich brauchte nicht zu rechnen, um wie ein Flitzebogen auf das Finale dieser Saison gespannt zu sein. Selbst zum Ansehen unserer bisherigen Partien gegen den VfL Bochum war ich viel zu aufgeregt. Wie mochte es da erst unserem Torwart Andreas Luthe gehen, der in diesem letzten Spiel vor der Sommerpause auf seinen Heimatverein traf, dessen Fan er seit Kindheitstagen ist und für den er 157 Punktspiele bestritt.

Auch der Bochumer Zielspieler Sebastian Polter hatte mit beiden Vereinen bereits jede Menge zu tun. So sicher, wie ihm im Stadion unser aller „Fußballgott“ entgegenschallen würde, so heftig hoffte sicher nicht nur ich, dass er uns während der Partie keine Treffer reinhauen würde. Natürlich wären selbst 54 Punkte und die erneute Qualifikation zur Conference League-Quali ein riesiger Erfolg – aber wer von uns allen wollte dieses letzte Spiel verdammt nochmal nicht gewinnen?!

Entscheidendes Spiel gegen ekligen Gegner

Urs Fischer jedenfalls war heiß auf einen Sieg. Auf die von Matze Koch in den Konferenzraum gestellte Option, ein hohes Unentschieden könnte bei einem knappen Kölner Sieg ebenfalls noch reichen, ging er scherzhaft ein: „Ja, ein 5:5 vielleicht“, bevor er unmissverständlich klarstellte: „Wir wollen dieses Spiel gewinnen!“ Ein wenig staunte ich, dass sich zur Pressekonferenz zum Spiel nur 8 Journalisten eingefunden hatten.

Noch einmal wurde geplänkelt und fintiert – und ja, es ist höchste Zeit, dass diese irre aufregende und für Unions Kader und Anhang verdammt anstrengende Saison nun endlich ihr Ende finden würde. „Vielleicht hilft uns das Fürth-Spiel“, spendierte der Cheftrainer einen konstruktiven Beitrag, der mir Mut machte. Denn natürlich war dieser aggressiv aufspielende VfL Bochum alles andere als ein idealer Union-Gegner.

Warten aufs Christkind mitten im Frühling

Der Tag begann früh: Um 10.00 Uhr startete das erste Schiff der Eisernen Eddyline-Flotte vom Anleger am ehemaligen Meckidorf zur Vor-Spiel Runde auf Köpenicker Gewässern. Das Ganze hatte was vom wir warten aufs Christkind und haben verdammt nochmal keinen Fatz Ahnung, ob es uns Geschenke bringen oder die Rute spüren lassen würde – oder beides? Bei schönstem Wetter bestiegen um die 230 Unioner die Helgard und die Viktoria, um Kurs auf den Müggelsee zu nehmen. Vorbei an vielen Union-Fahnen – eine wurde von einer jungen Frau im Bademantel geschwenkt – vergingen die gut 3 Stunden Fahrt wie im Flug.

Schon fand ich mich im Stadion wieder, heute an der Seite von „Kapitänleutnant Heller“ auf der Tribüne. Niko Gießelmann auf der Bank? War Michels überhaupt im Kader – oh ja, da unten läuft er ja, Mann, war ich aufgeregt! Waldseite und Gegengerade, ja bis hin zu Sektor 4 ein rot-weißes Fahnenmeer, dazu das Zaunbanner: „Rot-weiße Fahnen und Lieder – Von Sevilla bis nach Riga!“ Klar, was sollen wir es verschweigen: Es ging um Europa – vor das mit unserem geliebten Verein!

Schlechtes Timing im Gästeblock

Widerstreitende Gesänge mit dem Gästeblock – vorm Spiel hatten wir uns mit etlichen Bochumern alles Gute gewünscht und dabei immer wieder gehört: „Wir kommen so gern hierher – echt Wahnsinn, was bei euch abgeht!“ Nur, dass der Gästeblock seine Pyro-Show samt Gesängen ausgerechnet während der Verabschiedung unserer Spieler zünden musste, fand ich unter aller Kanone. War das nur blöd getimt, oder ne noch blöde Absicht? Egal, die Anti-Gegner-Motivation stimmte jetzt ganz gut!

 

 

Grischa Prömel!“, skandierten wir zu Ehren unseres Aufstiegshelden, auch sein Helden-Kollegen Jakob Busk, Manni Abdullahi, Anthony Ujah und dazu Bastian Oczipka bekamen ihren Applaus. „Wir sind Unioner, wir sind die Kranken!“, eröffnete die Waldseite das Spiel – und nun, im steil passenden Augenblick, gab es auch rote Pyro, und der Ball rollte. Unioner stürmen vor, Becker über rechts, wird vom Torwart angegangen, liegt am Boden. In der 4. Minute blieb Genki in der gegnerischen Hälfte noch stecken.

Frühe Führung – früher Wechsel

Doch schon wühlte sich der freundlich aussehende Japaner erneut über rechts heran, flankte beherzt ins Zentrum auf Grischa Prömel, der per Kopf zum 1:0 einnetzte! Jubelnder Aufschrei, Abklatschen, Spielstand feiern – „Und wir lieben unsern Club, und wir sind stolz auf ihn, FC Union aus Berlin!“ Der Käpten lief hinten jede Lücke zu und stieß schnell nach vorn, wenn es die Situation erforderte. „Eine Abwehr aus Granit, …!“ Dann Becker wieder über rechts, erneut so gestoppt, dass er am Boden lag. Das sah nicht gut aus. Susi warf ihren Jungs Trinkflaschen zu, Sven Michel machte sich warm. 18. Minute, verdammt früher Einsatz!

Sebastian Polter mit Union-Fan Kevin

Bildquelle: Frank Nussbücker [], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)

Union über rechts, Trimmel-Flanke – schade, ein Bochumer kam noch dran, bevor es richtig heiß hätte werden können. Sven Michel warf sich mächtig rein. Man sah ihm an, er will weitaus länger mitspielen, als jeweils ein paar Joker-Minuten. Der Schiri mochte den Einsatz unseres Stürmers nicht ganz so gern … Einige Freistöße gegen uns, dann der „Eisern! „Union!“ Wechselgesang, und nun vernahm ich auch „meine“ Gegengerade recht deutlich. Unsere griffen derweil weiter munter an. Trimmel-Michel-Ecke, oder?

Nicht mal 30 Michel-Minuten!

Keine Ecke, stattdessen ging der Schiedsrichter Fernsehen gucken. Was war jetzt los? Foul- oder Handspiel, Bodennebel? In jedem Fall: Elfmeter für Union! Die Spieler jubeln, von den Rängen „Scheiß DFB!“ – und beide haben in meinen Augen Recht! Taiwo tritt an, der Torwart hat die Ecke – aber am Ende doch keine Chance, wir führten 2:0! Das war zumindest vom Spielverlauf her verdient. Wurde das heute etwa unerwartet leicht? Union attackierte weiter, jetzt zum Schal-Gesang der Fans: Freistoß Prömel, abgewehrt, der Nachschuss geht übers Tor.

Schließerlied, Mantra, Bochum kommt über die Mitte – Luthe! Michel sieht Gelb und bekommt kurz drauf nochmal eine Ermahnung, offenbar ist er ordentlich übermotiviert. Schade, denn er arbeitete für mich wunderbar im Sturm! Urs Fischer nahm ihn zur 2. Hälfte vom Platz und ersetzte ihn durch Offensiv-Kollege Voglsammer. Offenbar sah er die Gefahr als zu groß, dass seine Mannschaft alsbald nur noch zu zehnt spielen würde. Verständlich und womöglich goldrichtig, denn Bochum kam in Hälfte 2!

Bochum marschiert und trifft

Zunächst aber gewann Taiwo einen wichtigen Zweikampf – Attacke Union! In der 50. trifft der Nigerianer aus spitzestem Winkel das Außennetz. „Das wäre Tor des Monats geworden!“, souffliert mir der Käpten. Dann Bochum mit Polter – sein Schuss geht rechts vorbei, Urs wirkt sofort nervös, steht auf, gestikuliert. Die Gäste bleiben am Drücker, und in Minute 55 ist es passiert. Unser Tornetz zappelt, die Gäste auf Rasen und Rängen jubeln, nur noch 2:1! Schenkte Union das jetzt her? Aber nicht mit Taiwo! Er erkämpft den Ball, erzwingt einen Konter.

 

 

Und schon wieder der nigerianische Wirbelwind, über rechts, Pass auf Prömel, dessen Schuss leider in die Arme des Tormanns. Der nächste Eiserne Angriff bringt eine Ecke: Kopfball, Torwart hat ihn, „Wir lieben Union, jawoll!“ 71. Minute: Bochum über rechts, Union ist blank, zum Glück kommt kein Gegenspieler an den Ball! Union attackiert weiter, der Käpten verdient sich seine Gelbe – und wieder mal greift Bochum an. Sie kommen über links, Luthe kommt raus, bekommt den Ball aber nicht, welcher sich kurz drauf in unser Tor senkt – Mist, es steht 2:2, muss ich jetzt doch mal „auf die anderen Plätze“ kieken?!

Eiserner Triumph und Poltis Treffer

Der Gästeblock skandiert den Namen ihrer Stadt, sofort erwidert von „Auf geht’s Union, Kämpfen und Siegen!“ Ecke Bochum, eine echte Zerreißprobe! Union am Ball und im Vorwärtsgang. Mehrere Chancen, keine zwingend, aber sie sind dran! Dann ein Gewühl im Sechzehner, Taiwo Awoniyi will unbedingt den Ball, überwindet alles, was sich ihm an Gegenspielern entgegenstellt – und schließlich auch den Torwart. Irrer Jubel, mir wird schwindelig – wir führen wieder, verdammt nochmal! Bochum greift an, doch jetzt ist Andi Luthe zur Stelle! Urs und Hoffi winken die Mannschaft nach vorn: „Kommt, Männer!“

Attacke hier, Attacke dort. Luthe pflückt den Ball aus der Luft, später noch eine Ecke gegen uns – dann endlich der Schlusspfiff dieser irren Saison. Der Mini-Platzsturm kann die Freude nur kurz trüben, bald feiern alle. Fleißige Hände befördern Bierkästen aufs Feld, deren Inhalt in Spieler-Kehlen und auf die Köpfe von Mannschaftskollegen und des Trainers entleert werden! Das Team tanzt und singt mit den Rängen – und auch Sebastian Polter landet seinen Treffer. Nicht in unser Tor, aber mitten ins Fußballherz unseres Handicapers Kevin. Der ist Polti-Fan, hatte sich so sehr dessen Trikot gewünscht. Nach einer festen Umarmung und ein paar lieben Worten mit seinem Helden hält er es in seinen Händen. Der Rest ist Eiserne Party, wir sind 5. der Tabelle, UNVEUROPA!


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