Frank Nussbücker: Eine Mannschaft, fünf Tore – ein klarer Derbysieg - FCU schlägt Hertha

Klarer Union-Sieg bei Hertha BSC

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

Ich bin raus, sitze im fernen Meckpomm, mitten in der Natur, weil ich eine Pause brauche. Und doch, je näher der Beginn des Spiels rückte, fühlte ich mehr und mehr das Derbyfieber. Wenige Stunden vor Anpfiff ein Anruf meines Lieblingsfeinds Knut Beyer. Er macht sich Sorgen – um mich – ich muss ne Träne wegdrücken. Ja verdammt, ich wäre jetzt gerne am Ort des Geschehens, nen Zehner Extra für den Derby-Schal in der Tasche. Im Radio zwei „Kult“-Kommentatoren, oh je, sie kulten tatsächlich heftig.

Im Stadion höre ich die Unioner singen und den Stadionsprecher animieren. Dann die Hymne vom auch von mir sehr geschätzten Frank Zander, und die Kommentatoren vermelden: Alle im Stadion halten ihre Schals hoch. Ist dem so, würde mich das freuen. Das Spiel beginnt, für mich am Radio mit einem Hertha-Freistoß an der Mittellinie. Dann Taiwo am Ball – und Böller aus der Ostkurve. 66 Sekunden sind von der Uhr, da gibt’s die erste Ecke für Union. „Dem Morgengrauen entgegen“, vernehme ich Unsere von den Rängen.

Union am Drücker

Die Kommentatoren werden laut, doch Hertha kann klären. Dann schon wieder Taiwo, über links, Hertha klärt zum Einwurf. Doch unsere Offensive bleibt dran, Awoniyi auf Becker, Ersatz-Torwart Lotka wehrt ab, offenbar recht spektakulär. Zweite Ecke Union, Trimmi auf Becker, dann kommt Baumgartl 6 Meter vor dem Tor zum Kopfball – und Herthas Keeper klärt mit der nächsten Parade, verdammte Axt! Dritte Ecke Union. Kurz drauf langer Ball von Baumi auf Taiwo, und wieder wehrt Herthas Keeper ab!

Jetzt greifen auch mal die Charlottenburger an. Heintz klärt, doch Hertha bleibt am Drücker, der Schütze trifft den Ball nicht richtig – und doch, ein verdammtes Lebenszeichen! Jetzt höre ich klar und laut die Ostkurve, dann wieder Unsere, welche die Schönheit Köpenicks besingen. Nach ein paar ruhigeren Minuten aufm Platz baut Hertha hintenrum auf, doch schon sind unsere wieder am Drücker, aufm Platz wie auf den Rängen. Jetzt wird unser Gesang von der Ostkurve gekontert, aber nur kurz.

Hertha plötzlich vor unserem Tor!

Union über links mit Prömel auf Awoniyi, Hertha kann entschärfen. Jetzt wir mit dem langen Ball, daraus entsteht die 4. Ecke. Trimmi auf Gießelmann – und schon wieder wird nichts draus, dafür eine Gelbe für Hertha nach Foul an Prömel, vom Herthaner unter den Kommentatoren heftig kritisiert. Union über links, Becker auf Awoniyi, Trimmel – 5. Eckball. „Dem Morgengrauen entgegen…“ Kurz darauf wogt links und rechts des Marathon-Tors das „Eisern!“ „Union!“ hin und her, aus der Ostkurve begleitet von Pfiffen, der Sound des Fußballs!

Unioner stürmen vor, Becker über die rechte Seite auf Awoniyi, der leider einen Moment zu lange zögert. Und schon wieder die Unseren, jetzt mit Käpten Trimmel, doch Hertha klärt, kommt selbst mit einem langen Ball nach vorn auf Jovetic. Der hat jetzt Platz, doch es wird nichts draus. Im Gegenteil, er fasst sich an die Wade, kurz darauf muss er raus. Ein harter Schlag für die Charlottenburger, Urs redet derweil am Spielfeldrand mit Becker, sein Co Hoffi mit Grischa Prömel … Ich denke: Vorsicht, da waren wir hinten plötzlich offen!

Endlich schepperts

Hertha baut auf, es geht mit Fouls auf beiden Seiten im Mittelfeld hin und her, dann Hertha schnell über rechts. Heintz klärt auf Kosten eines Einwurfs, kurz erklingt das „Ha Ho He“. Dann übernimmt unsere Mannschaft wieder das Kommando, ab der 26. Minute begleitet vom Wechselgesang „Wir lieben Union, jawoll!“ Die Kommentatoren finden: „Es fühlt sich an, als führe Union.“ Und wir sind am Ball, Trimmi zu Becker, kurz darauf Eckball, mittlerweile der fünfte. Der Käpten bringt sie rein, Keeper Lotka klärt – auf Kosten des nächsten Eckballs.

 

 

Unsere müssen hintenrum spielen, über Rönnow. Doch schon stoßen sie erneut über rechts vor, wo sie offenbar den Schwachpunkt des Gegners ausgemacht haben. Der Torwart ist überwunden, ein Feldspieler klärt auf der Linie! Die folgende Ecke geht an Freund und Feind vorbei, doch Unsere holen sich das Spielgerät. Dauerangriff Union, aber kein Tor. „Nach 30 Minuten war es, als hätte sich das Ergebnis, das 0:0, in dieses Spiel verirrt, so unpassend erschien es“, schreibt mir Freund Christoph, „eine Großchance folgte auf die nächste, bis…“ Becker dieses Mal über links kommt, den Ball auf Genki bringt, der ihn per Flugkopfball in die Maschen befördert! Ich springe auf, das Stadion explodiert rechts und links des Marathon-Tors, endlich haben sich die Jungs belohnt!

Lotka hält Hertha im Spiel

Hertha startet einen Gegenangriff, Prömel klärt zum Einwurf, bald sind wieder Unsere am Ball. Von den Rängen klingt derweil unser Westernsong. Die Kommentatoren attestieren uns eine akustische Übermacht auf den Rängen, meinen Eindruck bestätigend. In Minute 36 Freistoß für Hertha auf der rechten Seite, plötzlich alle Blauen vor unserem Tor. Der Ball kommt – Rönnow hat ihn! Unser nächster Angriff bleibt stecken, in der 38. Minute eine Großchance für Hertha, knapp rechts vorbei – sie sind da!

„Wir sind Unioner, wir sind die Kranken!“, singen Unsere, während Hertha hintenherum aufbaut. Nicht lange, da sind wieder wir in Ballbesitz, die Statistik vermeldet bislang 2:8 Torschüsse. Jetzt wird die Ostkurve laut, die Unsere antworten mit dem ähnlich klingenden „F-C-U-Fußballclub Union Berlin“. Auf dem Rasen derweil Riesenchance für Käpten Trimmel, doch sein Kopfball streicht knapp am Kasten vorbei. Kurz drauf Taiwo und Sheraldo vorm gegnerischen Tor, der Angriff endet in den Armen von Torwart Lotka. Ihm ist zu verdanken, dass es nur 1:0 steht.

Wie antwortet Union auf ein Gegentor?

Mit dem Mantra singen die Unioner die Pause herbei, bestimmen auch nach dem Halbzeitpfiff die Szenerie im Stadion. Vor dem Spiel wurde der kürzlich verstorbene Herthafan Weini geehrt. Anderntags dankte uns ein Herthaner, dass auch die Unioner Weini im Stadion applaudierten. Hälfte 2 beginnt mit einem rot und weiß brennenden Gästeblock – und Hertha am Ball. Mitten in „Fußballclub Union Berlin, mein Lebenselixier“ ein Fehler in unserer Hintermannschaft. Hereingabe von außen, Baumgartl versucht zu klären – und befördert den Ball in unser Tor. Mist, es steht 1:1. „Alles muss man hier selber machen“, kommentiert Christoph.

„Ha Ho He“, skandiert die Ostkurve und Christoph verrät mir anderntags: „Auf den Rängen ignorierten wir das Gegentor und sangen weiter. Nach wenigen Strophen legte Grischa einen Kopfball ins lange Eck. Der Wetterbericht hatte 92% Regenwahrscheinlichkeit vorausgesagt. Dieser Regen setzte jetzt auch ein, in Form alkoholhaltiger Kaltgetränke.“ Bald nach Jubel inklusive Bierdusche präsentieren Unsere den Schal-Gesang, sehe ich vor meinem inneren Auge unseren Teil des Stadions mit Tausenden hochgehaltenen Derby-Schals. Richtig so?

 

 

Erste Hertha-Ecken

Hertha ist weiterhin um Etliches offensiver als in Hälfte 1. Urs Fischer redet am Spielfeldrand auf den Schiri ein, sein getreuer Co kann ihn schließlich beruhigen. Becker und Awoniyi wirbeln weiter des Gegners Abwehr durcheinander, zwischendrin hält unser Keeper einen Ball, kurz darauf einen in den Fünfmeterraum gebrachten Freistoß. Auf den Rängen noch immer der Schal-Gesang, während Hertha in Minute 60 die erste Ecke tritt. Ein Kopfball aus dem Fünfer – erst einmal geklärt, dann ein Doppelpass, der in einen Unioner Konter mündet. Taiwo stürmt vor, wird gelegt – Gelbe Karte Hertha für dieses taktische Foul.

Christoph nutzte die Zeit für einen Blick Richtung Ostkurve: „Windhorst und Gegenbauer raus", dieses riesige Transparent im Hertha-Block zeigt uns, welche Probleme wir lieber nicht haben wollen.“ Hertha auf dem Weg nach vorn, ein Schuss aus der zweiten Reihe geht weit vorbei. Tousart kommt gegen Prömel viel zu spät, zieht das Foul nebst gelbem Karton. Sheraldo Becker nimmt Aufstellung zum Freistoß, zieht den Ball über die Mauer – In Lotkas Arme, schade! Dann Hertha über rechts, ein Fehler von Trimmel, doch unser Käpten wirft sich sofort dazwischen, klärt zur 2. Ecke für die Hertha. Die aber bleibt folgenlos.

Nordpol und Äquator

Angriff Union über Gießelmann, Hertha köpft aus der Gefahrenzone. Ihr Konter wird abgelaufen, sie foulen Schäfer, der seit einigen Minuten in der Partie ist. Die Minuten vergehen, und Hertha wirkt nicht unbedingt gefährlich, im krassen Gegensatz zu einem unserer Neuen, wie Christoph bemerkt: „András Schäfer könnte der nächste große Coup von Oliver Ruhnert werden. Sein Max-Kruse-Gedächtnis-Pass auf Becker vor dem Tor darf als abgeschlossenes Kunstwerk angesehen werden. Der Rest war eine große Party in rot und weiß, Michels Premierentor inklusive.“

Auf den Rängen ruhige 60.000 – und ein tobender Union-Anhang. „Stadtmeister, Stadtmeister, Berlins Nummer 1!“, nach dem 3:1, „He FC Union“ zu Sven Michels Sechzehnmeterschuss, dem 4. Union-Tor dieses Abends. 4:1 für Union im Berliner Olympiastadion! Die Mannschaft feiert sofort nach Abpfiff mit den 14.000 Eisernen am Marathon-Tor, während Herthas Spieler vor der Ostkurve ihre Trikots ausziehen und niederlegen müssen. Nordpol und Äquator, nur 120 Meter voneinander entfernt, ich schwebe ein Stück überm Boden und brülle in den ländlichen Abend: „Eisern Union!“


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