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Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)
So wenig ich die UEFA und ihre heutigen Wettbewerbe mag, fieberte ich Unions erstem internationalen Pflichtspiel seit fast 20 Jahren von Stunde zu Stunde heftiger entgegen. Nein, ich halte nichts von einem weiteren Pokal-Gedöns, das Ganze erinnert mich unangenehm an die immer größer werdende Zahl sogenannter „Welt-Verbände“ im Berufsboxen. Das alles dient einzig dem Zweck, mehr Geld für Leute einzutreiben, die ohnehin schon viel zu viel davon haben. Bitte belehre mich, wenn Du es besser weißt!
Ist das Ganze am Ende lediglich ein weiterer Schritt zu dem, was ich von außen-unten die Katarisierung des Fußballs nenne? Meine Vorfreude auf das Qualifikations-Rückspiel im städtischen Stadion war zudem getrübt durch diese stundenlang vergebliche Online-Buchung. Und klar frage ich furchtsamer Mensch zudem, ob die Belastung für unsere Spieler durch all das zu groß wird. Alles Gedanken in meinem Kopf – die immer gegenstandsloser wurden, je näher der Anpfiff heranrückte.
Da waren zunächst die Ankündigung von Kumpels wie Christian Schnuppe: „Ick fahr da hin! Nich mit dem Flieger, sondern richtig, Kilometer für Kilometer im Kleinbus, eben ‘ne echte Auswärtsfahrt!“ Den altgedienten Schnuppe-Neuner kenne auch ich, und Christian ist längst nicht der einzige Unioner, der im Helsinkier Stadion unserer Mannschaft den Rücken stärkt. 300 Eiserne wurden vor Ort erwartet – und wer jetzt von „ungesetzlich“ redet, der kann mich mal. Ein Allesfahrer ist ein Allesfahrer ist ein Allesfahrer!
Mich alten Aberglaubler bewegte noch ein anderer Gedanke: Bitte nicht heute eine weitere globale Krise oder ein ebensolches Verbrechen wie 1968 oder 2001, wenn unser Verein international aufspielen soll. Bitte heute ein ganz normaler Anpfiff – und dann ein geiles Spiel unserer Fußballgötter! Der bedeutend höhere Marktwert – sonst fast immer Bürde unserer Gegner – liegt heute auf unserer Seite. Und wer, wenn nicht wir, sollte wissen, zu was der vermeintlich klare Underdog fähig ist …
Eklig unbequem seien die Finnen, weiß deren Landsmann Joel Pohjanpalo. Eklig unbequem zeigte sich letzte Saison auch unsere Mannschaft – vor allem gegen die Favoriten der Liga. Was geht also ab, wenn gleich Eiserne gegen womöglich ebenso Eiserne antreten!? … Das erste, was mir aus dem Rechner entgegenschallt, sind unsere Auswärtsfahrer: „… spielt Union auch international!“, sind sie bestens zu hören. Fanfreundliche Finnen haben sie alle zusammen in die Blöcke gelassen, statt sie wie in München auseinanderzusperren.
Kurz darauf leuchtet der Eiserne Block rot. „So begrüßt man Europa!“, kommentiert der Reporter, nicht ohne einen Funken Begeisterung für die wohl mindestens 500 Eisernen. Ecke Union – abgewehrt. Der zweite Ball landet in den Armen des Keepers. Kurz darauf Ecke KuPS, wie sich die Finnen nennen – Knoche klärt. Die Finnen stören früh, aus dem Union-Block erklingt das Schließerlied. Kurz drauf werden auch die Finnen laut – „Eisern Berlin!“ schallt es von links, ein echtes Fußballspiel auf Rasen und Rängen!
Angriff Union über links, und plötzlich geht es schnellstens nach vorn: Kruse auf Puchacz, der flankt in den Lauf von Awoniyi – und drin ist der Ball! 7. Minute, wir führen! Jetzt nicht dösen!, denke ich noch, da erfolgt schon der Gegenangriff der Finnen – Luthe hat ihn! „Fußballclub Union Berlin, mein Lebenselixier“, schallt es über den Platz, Fehlpässe auf beiden Seiten. Auch die Finnen singen – und ihre Spieler greifen an!
Die nächste Union-Ecke, alle getreten vom Käpten, sieht gefährlich aus. Nun stürmen auch unsere Fußballgötter früh, erkämpfen den Ball, Gegenangriff, Ecke. „Auf geht’s, Unioner schießt ein Tor!“ Der Sound des Fußballs rockt das Stadion. Schon höre ich das „F-C-U-Fußballclub Union Berlin!“, unterstützt durch Trommelschläge – was für wunderbare Klänge! Unsere Mannschaft setzt sich in der gegnerischen Hälfte fest. Mehrere Ecken, dann lupft Seeler-Enkel Öztunali aufs Tornetz – Eisern Union!
Die Finnen bleiben eklig – unsere nicht minder. Balleroberung, Gegenangriff Union: Haraguchi auf Awoniyi, der auf Kruse, und Max haut ihn zum 2:0 rein! Jetzt drehen unsere völlig auf. Kurz nach dem Treffer erneuter Ballgewinn, jetzt bedient Max Kruse Taiwo Awoniyi, der sich dreht, bevor er den Ball punktgenau an den rechten Innenpfosten setzt, von wo er gnadenlos die Torlinie überwindet! „Union am Ball, olé olé!“, bleiben auch unsere Auswärtsfahrer hart am Spielgerät.
Lange erschallt das Lied zum Thema „Die 1. Bundesliga ist nun endlich für uns da!“, während KuPS die erste von einigen Gelben kassiert. Ein wunderbar anzusehender Freistoß von Max, leider kriegt keiner den Ball. Hin und her wogen Spiel und Gesänge. Gierig saugen meine Ohren all das auf – als nächstes, absolut folgerichtig: „Wir fahren weit, wir fahren viel – und haben nur das eine Ziel …!“ Unioner stürmen vor, und der Kommentator sieht uns bereits in der Gruppenphase. Das Mantra von unserer Liebe führt uns in die Pause.
Nach einigen ruhigen Minuten drehen unsere wieder auf: Öztunali lässt durch zu Awoniyi – schade! Doppelwechsel und Ecke Union. In der 64. Minute „Dem Morgengrauen entgegen“, dann greift KuPS an. Ecke, zweite Ecke, die dritte hat Luthe sicher. Bei der nächsten Union-Ecke gibt’s ein österreichisches Duell: Trimmel tritt, Kreidl hält. Union wechselt erneut doppelt, auf den Rängen singen Rote gegen Gelbe – und KuPS erkämpft sich einen Freistoß.
Der sieht äußerst gefährlich aus. „Gut, dass da keiner stand“, spricht der Kommentator meinen Gedanken aus. Die Finnen werden lauter, das Spiel wirkt jetzt müde – nur nicht auf den Rängen! Becker stürmt nach vorn – leider Abseits. Weitere Ecken für KuPS, weitere Eiserne Angriffe: Becker über rechts, Teuchert serviert für Öztunali, ein schöner Schuss von Voglsammer – und die Zeit tickt herunter. Schon erklingt erneut unser Mantra, alles gelaufen?
Denkste! KuPS kommt über rechts, Flanke vors Tor – Luthes Parade entschärft die Situation fürs erste. Dann die Ecke – Lattentreffer, es brennt! Zum Glück brennt nichts an, dafür kurz darauf Balleroberung Union, Gegenangriff: Teuchert über rechts, bedient Voglsammer – und es steht 4:0! Der Drops ist gelutscht, und 5 Tore von 3 Torschützen in unseren ersten beiden Pflichtspielen fühlen sich für mich erst mal bestens an. „Als Unioner biste doch langsam schon der ‚neue Bayernfan‘“, witzelt Zimmi im Netz.
Was mich fast ebenso begeistert wie das Ergebnis, sind die Fans beider Mannschaften. Auch die Finnen gaben hier nicht klein bei, feierten weiter, sangen wie die unseren. Gratulation an alle, die im Stadion waren – und ganz besonders an unsere Mannschaft. Favorit hin oder her, auch gegen diesen Gegner musst du erst mal gewinnen. Da haben sich andere sogenannten Favoriten schon „wunderbar“ blamiert. Erinnert sich noch jemand an unseren Pokalauftritt bei Viktoria Köln? Lange her, und jetzt wird erst mal kurz gefeiert. Übermorgen wartet Favorit Sinsheim, und nächsten Donnerstag hören wir uns im städtischen Stadion zu Charlottenburg, Eisern Union!
Wer: Christopher Busse (35)
Wann:16.11.2024