Frank Nussbücker: Union schlägt Union - der 1. FCU zu Gast bei Royale Union Saint-Gilloise

Saint-Gilloise haut Union Berlin raus

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

Der alte wie oft gebrauchte Spruch: Union kann sich am Ende nur selbst schlagen, traf für mich bereits vor Anpfiff auf kein Spiel derart heftig zu wie auf dieses. Zweimal ekliger, unbequemer Konterfußball inklusive Dauerzweikampf an allen Ecken und Enden, wer würde der noch Ekligere sein? Immerhin gab es diesmal vorab kein Hin- und Her-Gezerre um die Auswärts-Karten. Um die 2.000 Unionerinnen und Unioner waren vor Ort, alles an Stimme raushauen, um die Mannschaft zu stärken – und keine zukünftige Auswärts-Kartensperre für Eiserne Reisekader riskieren.

Die Brisanz unserer bisherigen Begegnungen mit diesem Gegner war besonders aufm Platz eine Mächtige. Wie hatten uns die belgischen Unioner AdAF den Schneid abgekämpft, und wie kalt hatten wir sie im Rückspiel bereits nach 6 Minuten erwischt. Das alles war noch gar nichts gegen den dritten Fight: 3 Niederschläge erlitten, dreimal voll durch- und damit ins Spiel zurückgekommen. Diesmal würde der eine siegen, der andere fliegen – endgültig, vorerst!

Pressekonferenz unter Feldbedingungen

Die Pressekonferenz am Mittwoch lieferte den passenden Sound. Die Stimmen der Akteure klangen wie in einem Kellergewölbe unter Gefechtsbedingungen. Kein Mikro von Mund zu Mund, dafür die flinken Tippgeräusche der Feldberichterstatte…, ich meine der Journalisten. Aufm Podium ein gefasster Urs Fischer, welcher zwar kein einziges Mal das Wort kompakt in den Mund nahm, aber auch so ausgesprochen präzise rüberkam.

Unser Gesicht aufn Platz bekommen, … die Basics, … am Limit bewegen“, dazu Robin Knoches spröde Analyse: „Irgendwie ein Tor mehr schießen als der Gegner!“ Dessen Verhalten können wir nicht beeinflussen, stellte Urs nochmal klar. Das „zumindest nicht direkt“, brauchte er nicht über die Lippen zu bringen, ich las es auf seiner Stirn. Ein „Match auf Augenhöhe“, sah er voraus – und nur einer von beiden, Union oder Union, würde sich durchsetzen. Eisernes Fußballherz, was willste mehr!

Reisekader wie immer voll da

Die Antwort darauf, wer diesmal der Ekligere war, gaben die belgischen Unioner erstmalig in Minute 6: Konter nach Ballverlust 1.FCU – sofort sind sie vor unserem Gehäuse. Den ersten Ball wehrt Robin Knoche ab, den zweiten das Gebälk! Hundertprozentige Torchance? Da war sie! Unsere Antwort kurz darauf: natürlich ein Standard! Juranović und Michel stehen bereit. Sven schießt in die Mauer, den Nachschuss haut Josip nur knapp nebens Gehäuse!

Bereits vor dem Anpfiff hatten unsere Reisekader eine beeindruckende Choreo in den Farben unseres Vereins, unserer Stadt gezeigt. Nun waren sie bestens zu hören: „Und wir lieben unsern Club, und wir sind stolz auf ihn … Wir sind Unioner, wir sind die Kranken …“, kein Problem, daheim oder wo auch immer am Endgerät mitzusingen. Hin und wieder werden sie von den belgischen Unionfans übertönt, doch die sind nicht vollzählig. Ein Teil der Fanszene lehnte es ab, dieses Spiel im Stadion des Konkurrenten RSC Anderlecht auszutragen.

Royale Union nimmt Maß

Aufm Platz sah es weit weniger gut für uns aus. Kevin Behrens musste krank im Hotel bleiben, wir spielten ohne Mittelstürmer. Dass unsere Mannschaft vorn dennoch, wenn, dann mit hohen Bällen arbeitete, konnte Co-Kommentator Steffen Freund nicht verstehen. Vor allem aber ließen die belgischen Unioner unsere Mannen schon bald kaum noch in ihren Sechzehner. Aggressiv waren sie – am Ball und erst recht, beanspruchten wir mal das Spielgerät.

„Eisern!“ „Union!“, donnerte es von den Rängen, dann „1. FC Union Berlin – und alle!“ Angriff der Royalen, Leite klärt. Doch die belgischen Unioner bleiben dran, Flanke in unseren Sechzehner – ihr Stürmer kommt gerade so nicht zum Schuss, Abstoß und Durchatmen. Und schon wieder attackieren sie über den rechten Flügel unseren Kasten – abgewehrt, wir haben den Ball. Na und?, sagen sich die Belgier, holen wir ihn uns eben zurück!

 

 

Sie schlagen zu, es schlägt ein

Unglückspass von Knoche auf Leite, Royale sagt danke – und schon zappelt unser Tornetz. Mist verdammter, nach 18 Minuten liegen wir zurück gegen diesen so liebend gern elend tief stehenden Gegner. Unions Antwort: Natürlich ein Freistoß vorm gegnerischen Strafraum. Josip steht bereit, die belgische Mauer wie immer mit einem Liegenden hinter den Stehenden. Sie alle können den scharfen Ball nicht aufhalten, der da gnadenlos knapp am rechten Pfosten vorbeidüst. Mist verdammter, das wäre es gewesen, aber wir befanden uns hier nun mal nicht im Hinspiel.

Da hatte ich nach jedem unserer Ausgleichstreffer gedacht: Jetzt haben wir sie!, worauf mich die Belgier stets belehrten: Nee, ist nich! Gestern aber kam ich erst gar nicht auf derartige Gedanken. „Union muss den Mittelweg gehen“, verrät mir Steffen Freund, „weiter geduldig sein und trotzdem aufs 1:1 gehen.“ Das war ganz sicher auch die Absicht unserer Mannschaft samt Trainerbank, aber wenn du einen Gegner hast, der vor allem letzteres mit keiner Faser zulässt?

Die Royalen – die bessere Union-Crew

Als der Halbzeitpfiff ertönt, fühle ich mich eher erleichtert, dass wir keine weitere Bude kassierten. Freund Christian schreibt mir aus dem Gästeblock: „Sollte unsere Europareise tatsächlich in einem halbleeren Stadion in Anderlecht enden? Ich will noch nicht daran glauben. Auf geht’s Union, kämpfen und siegen!“ Steffen spricht von Leweling und Jordan als Optionen für die Offensive – und genau die schickt Urs aufn Platz, letzteren zusammen mit Haberer in der 57., Leweling in Minute 67.

Zumindest der Spielminuten-hungrige Jamie zeigte Aggressivität, in Ansätzen. Dass es nicht zu mehr kam, will ich ihm hier gar nicht ankreiden. Der hochgewachsene Jordan tauchte zwar im gegnerischen Strafraum auf und erzeugte dort zumindest gefühlt ein wenig Unruhe. Aggressiv am Ball, jeden Zweikampf suchen und finden, den Gegner derart stressen, dass der nicht mal ansatzweise zu sich selbst findet – diese Eisernen Tugenden zeigten gestern die belgischen Unioner.

Fußballgott fällt klares Urteil

Eine ganze Weile gab es zumindest noch die theoretische Möglichkeit zum Ausgleich, doch in Minute 63 folgte, was bereits lange in der Luft gelegen hatte: Ein Royaler arbeitet sich links durch etliche Berliner Unioner, flankt vors Tor, wo ein „einsamer“ Stürmer aufs Spielgerät wartet und es umgehend in die Maschen drischt. Wir liegen 2 Tore hinten – und doch gaben unsere Mannen auch dieses Mal eine Antwort. Jordan holte an der Sechzehner-Kante einen Freistoß heraus. Becker oder Roussillon?

Der Schuss kommt rein, die Tormaschen zappeln wie verrückt – leider nur Außennetz. Dass irgendwann das 3:0 fiel, zunächst Abseits – und in der Nachspielzeit in echt, geriet zur reinen Formsache. Ebenso die hanebüchen unsinnige Gelb-Rote für Janik Haberer. Dreimal folgte auch gestern Schlag auf Schlag, die belgischen Unioner ausm Spiel heraus, unsere nach Standards. Diese waren leider gefühlt unsere einzigen Chancen. Es war Fußballgottes verständlicher Wille, dass es die Attacken der Belgier waren, die zum Torerfolg führten.

Alle Eisernen sind gefragt

Dessen ungeachtet blieben unsere Reisekader bis nach Abpfiff lautstark und eng am Ball. Die Mannschaft trottet zu ihnen herüber, alle ballen auf Geheiß des Vorsängers die Fäuste. Laut schallend verabschieden sich alle mit unserem „Eisern Union!“ für heute voneinander, verabschieden wir uns für diese Saison aus dem Europapokal. Stand jetzt kommen wir bald wieder – aber das zu erreichen, liegt ein harter Weg vor uns allen, schon in drei Tagen.

„Der Gegner war zu gut, das Spiel zu deutlich, um sich ernsthaft zu ärgern“, schreibt mir Allesfahrer Christoph aus Anderlecht. „Ich habe keine Torchance für uns gesehen. Nun endet die Europa-Reise, wie sie begann – gegen unseren Namensvetter aus St. Gilloise. Allzu viel Übung haben wir in dieser Saison ja nicht, wie das eigentlich geht: verlieren.“ Die kritische Auswertung liegt in der Verantwortung von Trainerteam und Mannschaft – und wir? Die Antwort liefert Detlef im Mittellinien-Chat: „Mal sehen, was bis Sonntag gelingt. Wir müssen auf den Rängen viel für die Unterstützung bieten!“ Eisern heißt dit.


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