Frank Nussbücker: Union Berlin ringt Darmstadt 98 im 6-Punkte-Spiel nieder

Knapper Sieg für Union Berlin über Darmstadt 98

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

Nein, es will partout nicht ruhiger werden bei uns. Als der Verein die Vorspiel-PK um einen Tag verschob, bot dies allerlei Spielraum für deftige Spekulationen. Nicht ohne Liebe und für mich mit einer angenehmen Prise Humor kam die meines Kolumnen-Arbeitskollegen Harley-Paul daher: Baumi kriegt einen befristeten Vertrag bis Saisonende, weil man unter Freunden nur ungern Geschäfte macht und es oberblöd wäre, ihm eines Tages zu sagen: „Wir nehmen jetzt doch mal ‘nen anderen Trainer.“

Nach der Saison oder wann auch immer übernimmt dann unser spezieller „Freund“ Kloppo, die ab Sommer arbeitslose Fachkraft aus dem Ausland. Dann aber kam doch alles anders: Nenads Co übernimmt den Job an der Seitenlinie und unsere Eiserne Loui verantwortet die allseitige Kommunikation. Damit ist sie auch Unions Gesicht auf den Pressekonferenzen. Diesen Job meisterte sie souverän, nicht ohne Liebe und mit unverkennbarer Freude an ihrer Arbeit. Ich für meinen Teil hoffte, dass unsere Mannschaft auch für sie alles geben würde an diesem Sonntag Ende Januar 2024.

Bretternder Glühwein und verdienter Applaus

Schließlich stand gestern das vielleicht wichtigste Sechspunktespiel unserer jüngeren Vergangenheit an. „Mit aller Gewalt Klassenerhalt“ lautet weiterhin unser altbekanntes Motto. Apropos, den Geburtstagsschal zu Unions 58. gab es nun endlich auch, dazu für mich das Glühwein-Ritual mit Torhüter Marcus am Barkas-Ersatzfahrzeug. Und noch ein gutes Omen: Frederik Riis Rønnow, dänischer Nationaltorwart und unser eiserner Rückhalt hatte soeben seinen Vertrag verlängert!

Beim Warmmachen der Mannschaft brandete Applaus auf, sobald sich András Schäfer der Gegengerade näherte. Irgendwann verriet sein Grienen, dass er das mitbekam. Die 2.100 Darmstädter, die trotz weiter Strecke & Bahnstreik den Weg zu uns auf sich genommen hatten, bekamen auch von mir ihren wohlverdienten Applaus. In der S-Bahn hatte ich ein Lilien-Paar kennen gelernt, die mir verrieten: „Unsere können auch zig zu Null verlieren, wenn sie gekämpft haben, feiern wir sie.“ Woher kennen wir das?

Attackieren und frotzeln

Wir waren uns einig, dass das ein dreckiges Kampfspiel ums Überleben in der Liga würde, im Grunde ein echter Zweitliga-Fight! Es tat mir gut, mit Gleichgesinnten in den gegnerischen Farben zu fachsimpeln. Im Block angekommen, übte ich mit den Steinis erst mal unsere neue Form der Begrüßung: Ansatzloses gegenseitiges ans-Ohr-Fassen. Humor ist, wenn man‘s trotzdem macht. Unsere Mannschaft attackierte wie nahezu immer gleich zu Anfang. Meine große Hoffnung war, dass sie ebendas heute auch weiterhin taten.

Jawollja, Hollerbach stürmt in die gegnerische Hälfte, bedient Schäfer, doch ein Darmstädter Verteidiger ist zur Stelle. Nach 10 Minuten stoßen die Lilien erstmalig in unseren Strafraum vor, holen zumindest eine Ecke. Hollerbach bedient Behrens, dessen Schuss streicht am Tor vorbei. Wir intonieren derweil unser Liedgut. Freund Filip steht neben mir, so geht manche Frotzelei hin und her. Torsten Eisenbeiser reicht mir derweil ein Bier. Heißt das, wir sollen unsere Klappe halten? Egal, danke und Prost!

 

 

Union lebt, offenbar auch in der Kabine!

Ich bin dankbar für jede Abwechslung. Zu ernst wäre mir sonst das Geschehen da unten, dieser Kampf um die so irre wichtigen wie vermaledeiten Punkte. Meine Notizen sind ein pures Gekrakel – und ja verdammt: „Oh FC Union, wir wollen den Sieg … 1, FC Union Berlin – und alle!“ Freistoß Trimmi, doch der Angespielte kriegt den Ball nicht gedrückt. Ähnlich ergeht es uns bei einem Eckball, während ein Darmstädter Konter glücklicherweise weit neben unser Tor geht.

Einmal treffen sie das Außennetz, während auf der Gegenseite Kevin Behrens auch weitere Chancen nicht nutzen kann. In der Kabine indes habe er eine flammende wie aufbauende Rede gehalten, lese ich anderntags hocherfreut. Hatte die Kabine doch immer wieder maßgeblichen Anteil an unseren Erfolgen der letzten Jahre. Zweifellos brauchen wir den dort gelebten Zusammenhalt unserer Mannschaft auch und gerade jetzt, da es gegen dieses fiese, hässliche Abstiegsgespenst geht.

Und endlich schlägts dann doch ein

Zweite Halbzeit, Union attackiert nach wie vor: Behre, Král, Fernschuss von Kapitän Trimmel – der war nicht schlecht! Weiter geht’s, jetzt fast nur auf das nach wie vor zugenagelte gegnerische Tor. Immer wieder Hollerbach, doch scheitert er direkt vorm Gästekeeper an eben dem. Schließlich aber klingelt es dann doch. András Schäfer bedient den quirligen Lockenkopf, und der erlöst uns alle mit seinem Treffer! Biere fliegen, Unioner liegen einander in den Armen – ja verdammt, wir führen!

 

 

Wie viele echte Chancen wir noch hatten, dieses Match durchaus höher zu gewinnen, sehe ich so richtig erst heute beim Betrachten der Spielzusammenfassung. War mir gestern, Glühwein sei Dank, gar nicht so recht aufgefallen, was meine Nerven ordentlich geschont haben dürfte. Was ich bis tief ans Herz spürte, war diese irre Erleichterung, dass wir dieses Gegurke, von einer Unioner-Kollegin „Not gegen Elend“ genannt, am Ende tatsächlich mit diesen drei so unendlich wichtigen Punkten beendeten.

Zusammen kommen wir weiter

An Positivem nehme ich dazu etliche kleine Details abseits des Heiligen Rasens mit. So reichte mir Blocknachbar Tom, Kampfname „Der Lange“, nicht nur ein kühles Getränk, sondern dazu seinen Becherhalter. Meinen hatte ich in der Aufregung zuhause vergessen, und Tom sah genau, dass meine Hände mit Buch und Stift bei jedweder Zeile voll ausgelastet waren. Das Gespräch mit den zwei Darmstädtern auf der Hinfahrt zählt ebenso dazu wie Kevin Berens‘ Kabinenansprache, die aufmunternden Worte einiger Leserinnen und Leser am Barkas.

Wir haben noch nichts gewonnen, sind weit, weit vorm Ziel, doch kann ich Freund Christoph einfach nur beipflichten, was sein Fazit des gestrigen Kampftags betrifft: „Ertragreicher kann so ein Sonntag kaum sein: Sieg im 6-Punkte-Spiel und fast noch wichtiger, die Vertragsverlängerung von Rønnow. Auf die Frage, was uns momentan von Mannschaften wie Köln, Mainz oder Darmstadt trennt, lässt sich antworten: 5 bis 6 Punkte oder, genauer gesagt: Rønnow.“


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