Frank Nussbücker: Der BVB schon wieder - Union Berlin vernascht die Pottler

BVB geht bei Union Berlin unter

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

Es hatte durchaus Witz, als Stadionsprecher Christian Arbeit am Donnerstag ankündigte, dass zum 10. Spieltag der Bundesliga der Tabellenführer auf den Vierten treffen würde – und erstgemeinter wir waren. Jedem dürfte klar gewesen sein, dass zwei Tage weniger Regeneration gerade gegen diesen Gegner ein mehr als ordentliches Handicap darstellten. Aber was solls, wir sind erstens Unioner und haben zweitens nichts zu verlieren.

„Lieber gegen Union verlieren als gegen Schalke“, vertrauten mir zwei BVB-Fans auf der Anreise zum zweiten Heimspiel unserer Bundesliga-Historie an. Dass es dann tatsächlich so kommen sollte, glaubten sie wohl ebenso wenig wie ich an jenem 31. August 2019. Du erinnerst Dich an jene irre Sommernacht, in der wir gegen den haushohen Favoriten mit 3:1 gewannen? Nun Favorit waren sie auch heute, doch dürften sie inzwischen mehr als gewarnt sein vor Urs‘ Jungs.

Erste Eiserne Attacken

Auf den Rängen trafen zwei sangesfreudige Fanlager aufeinander. Laut schallte das „Na und!“ für die Dortmunder Spieler übern Platz, noch lauter das „Fußballgott!“ für Nico Schlotterbeck, der ein starkes Jahr lang für uns gespielt hatte. Nico zeigte auf sein Herz und grüßte uns. Einen weiteren Tick lauter erklang das „Trainergott!“ für unseren Chefcoach, nun aber los! „Lasst uns denen die Lust am Spiel nehmen!“, gab Jürgen das Nordlicht die Marschrichtung für dieses Spiel vor.

Und Union marschierte, noch in Minute 1 konstatierte Steini Senior: „Hätte fast jeklappt!“ Wir klatschen, dann donnerts „Scha-la-la-la-la Eisern Union!“ Als wieder das Händeklatschen folgt, höre ich: Die im Gästeblock singen auf der gleichen Melodie, dann wieder wir! Kurz darauf Unsere fast blank vorm gegnerischen Tor, Schäfer schießt, schade! Immerhin Ecke, weil der Torwart prallen lassen musste. In ihrer Folge zwei weitere Torschüsse, letzteren setzt Becker knapp übers Gehäuse. Wackelt der BVB?

Ein Slapstick-Tor bringt uns in Front!

Dann aber verlieren wir den Ball, dringen die Dortmunder in unseren Strafraum. Rønnow kommt raus, verschätzt sich, der finale Kopfball des Gegners geht zum Glück weit drüber. „Sone Ballverluste dürfen uns heute nicht zu oft passieren!“, mahnt Steini Senior. Offenbar hören ihn unsere Spieler. Dortmund versucht es weiter, doch Unsere haben was dagegen. Rückpass auf ihren Torwart, doch der rutscht aus, wie es uns letztes Jahr im Oly passierte! Fast wäre der Ball allein über die Linie gerollt, doch Haberer geht auf Nummer Sicher und hilft nach – 1:0 für Union in der 8. Spielminute!

Und Unsere ackern weiter, holen sich die Bälle, greifen an. Eine Unsicherheit des Gegners bringt die nächste Ecke zum Klang unserer Bella Ciao-Version. Unsere Ecke mündet in einen Dortmunder Konter, aber schon wieder müssen sie den Ball hergeben. Bauen sie auf, müssen sie dies zumeist hintenrum tun. Dann gelingt ihnen doch mal ein Kopfball – in Frederik Rønnows Arme. Nach einer Viertelstunde bekommen sie einen Freistoß aus bester Position, der Ball pfeift knapp drüber.

Haberer legt nach

Zum Eisern-Union-Wechselgesang stürmt Sheraldo Becker auf halblinks vor, zieht ab, der Torwart hält, „Eisern Union!“ Auf der Waldseite verurteilen Banner den Polizeieinsatz gegen Pauli-Fans beim Hamburger Derby, während Unsere mal wieder fast durch sind. Der Dortmunder Aufbau verendet bei András Schäfer, der schnell raus zu Becker spielt. Der gibt ins Zentrum zu Jordy, welcher auf Janik Haberer zurücklegt. Der nämlich hat freie Schussbahn! Haberer zieht ab, die Maschen tanzen, Biere fliegen, die bessere Mannschaft führt verdient mit 2:0!

 

 

Union bleibt giftig, attackiert zumeist erfolgreich! Der Keeper muss rauskommen, köpft das Gerät gerade noch rechtzeitig gen Mittelfeld. Ecke Dortmund, rausgeköpft! Sie versuchen, aufzubauen, ins Spiel zu kommen, doch immer wieder bewahrheitet sich „Hier regiert der FCU!“ Fast eine halbe Stunde herum, da erklingt „Eine Abwehr aus Granit, so wie einst Real Madrid…!“, und ganz in echt wirken die Unioner aufm Platz geradezu intergalaktisch. Ein Dortmunder liegt – und steht schnell wieder, nachdem er seinen Freistoß bekommt.

Die stärkste Union-Halbzeit aller Zeiten?

Dann aber foulen die Gäste, zwei Unioner liegen aufm Boden. Der Schiri lässt den Vorteil laufen. Erst nachdem unser Schuss nebens Tor kracht, gibt’s die Gelbe für den Schwarzgelben Übeltäter. „Dem Morgengrauen entgegen“ geht es weiter. Immer wieder überrennt Sheraldo Becker auf den Außenbahnen die gegnerische Abwehr. Gelingt dem Gegner ein Torschuss, erweist sich unser Torwart als beruhigend sicherer Rückhalt. In Minute 39 schenken sie uns geradezu einen Eckball, offenbar herrscht in Schwarzgelb eine ausgewachsene Ehrfurcht vor Sheraldo Becker.

„Gebt einfach zu Haberer, der macht den dann schon rein“, kommentiert Nordlicht-Jürgen die Szenerie. Dann mal wieder fast ein Dortmunder Gegenzug, aber eben nur fast. Schönes Zusammenspiel von Becker und Jordan, warum pfeift der das ab!? In Minute 43 unser Westernsong, während Dortmund fällt, schließlich aber sogar eine Ecke rausholt. Zweimal schießen Unsere den Ball aus dem Sechzehner, dann ist Halbzeit – die womöglich stärkste, die ich je von einer Union-Mannschaft sah!

Ein janz alter Bekannter

„Dit kann nich sein!“ Steini Senior kann das alles offenbar genau wie ich nicht fassen. „Aber die kommen noch!“, fügt er hinzu. Dann gilt es, Unioner in Block H zu verabschieden. „Und wir lieben unsern Club, und wir sind stolz auf ihn!“, beginnen wir Halbzeit 2. Dortmund kommt nun wirklich, aber Rønnow hat ihn sicher! Sie bleiben am Drücker, wirken nun fest gewillt, doch noch immer zeigt unsere Mannschaft keine Unsicherheit. Was faselte ich da vorhin von Handicap?

Nun, diese effiziente Dominanz aus Halbzeit 1 zeigen sie nun nicht mehr, nicht mehr so doll, aber sie wackeln nicht, ist das irre! Die Zeit vergeht, und die Dortmunder „genießen“ ihren stetig steigenden Ballbesitz zunehmend fernab unseres Strafraums. Und dann passierts. Nach ewigen Zeiten erklingt wieder einmal: „Der Vater im Zuchthaus gestorben, die Mutter liegt todkrank im Bett…“, mit dem ich einst zu Töchterchens Spielplatz-Zeit schick gewandete Wessi-Mütter erfreute.

 

 

Dortmund macht Druck

Unsere Mannschaft erfreut mich derweil weiter mit der erfolgreichen Verwaltung ihrer Führung. Zu „He FC Union!“ schlägt ein Dortmunder einen Pass ins Leere, Einwurf Union! Haberer darf runter, für ihn kommt Thorsby. Union über links, Becker schießt, der Torwart hält. Dann bleibt Jordy liegen, das lässt Ungutes ahnen. Er steht wieder auf, doch nein, es geht nicht mehr, für ihn stürmt Behrens aufs Spielfeld. Dortmund sucht beharrlich wie erfolglos die Lücke, nix da!

Es dauert bis zur 75. Minute, dass sie mal wieder halbwegs gefährlich vor unseren Kasten kommen. Sie verstärken den Druck, wie gut tut da unser Bundesliga-Song. Die Arme vor und wippen zum Gesang, das lenkt wunderbar ab. „Das werden lange 20 Minuten“, hatte Nordlicht-Jürgen orakelt, und er sollte Recht behalten. Immer wieder ackern Unsere hinten, doch kaum noch Entlastung. Stürmt Becker nach vorn, fällt er nun öfters oder bekommt Pässe, nicht mehr, die er vorhin noch erreichte. „Nimm ihn runter!“, spricht Jürgen meine Gedanken auf. klar, all die Tempoläufe fordern ihren Tribut.

Deutscher Meister wird nur der FCU! – Herrliche Selbstironie

Endlich ist Sheraldos Arbeitstag zu Ende, gut gemacht! Zwischen mehreren Dortmunder Angriffen ein wüstes Hin und Her im Mittelfeld, ab der 88. Minute unser Mantra. Freistoß Dortmund, na und! Unser Torwart ist und bleibt hellwach, Robin Knoche spielt ihm per Kopf den Ball zu, wunderbar! 4 Minuten Nachspielzeit ziehen sich endlos, aber diese Union-Mannschaft ist und bleibt nicht zu knacken für diesen Gegner. Dann der Schlusspfiff, gefühlt das 3:0 Wir feiern unsere Mannschaft, derart lange, dass Christian Arbeit fast Wurzeln schlägt.

Er grinst wie wir, alle zusammen feiern wir diesen verdienten Sieg, 23 Punkte, Union Berlin! Ich sauge das alles auf, gibt schließlich sonst grad nicht so viel zu feiern. Nach dem Spiel am Ersatz-Barkas setzt sich der Eiserne Bus-Martin zu mir. Er grient mich an, schüttelt den. Kopf: „Da geht grad die ganze Welt krachen, und unsere Mannschaft spielt diesen irren Fußball!“ Genau so ist das, „Deutscher Meister wird nur der FCU“, klingt mir unser zumindest von meiner Seite hochgradig ironischer Gesang noch immer im Ohr. Auf alle Fälle ein weiterer, allzeit unvergessener Spieltag unseres geliebten Vereins, Eisern heißt dit!


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