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Bildquelle: VfLWolfsburgFußball [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)
Ein Schuss Langeweile und meine Tiefen-Entspanntheit bezüglich dieser Spielzeit meines geliebten 1. FC Union Berlin lassen mich auf unsere bisherigen Begegnungen gegen die VW-Werkself werfen. Allein schon die Tatsache, dass wir von 2004 bis 2010 unsere Pflichtspiele gegen deren 2. Mannschaft auszutragen hatten, lässt mich diesen Spieltag lange vor Anpfiff als Erfolg feiern. Damals standen 2 Siege, 2 Unentschieden und 2 Niederlagen zu Buche.
Mit der 1. Herrenmannschaft aus der Radkappen-Kleinstadt maßen sich unsere Eisernen Recken bereits 1992 in der Relegation zur 2. Bundesliga. Wir unterlagen in beiden Begegnungen. Dem folgten 5 Testspiele, wo wir, wären das Punktspiele gewesen, mit 3 Punkten vorne lägen, was jetzt hoffentlich kein böses Omen ist. Seit etlichen Jahren bin ich Anhänger eines fundierten Aberglaubens, was Unions Testspiel-Ergebnisse betrifft …
Unsere beiden Heimspiele gegen die 1. Mannschaft des VfL endeten nach hartem Kampf 2:2, während wir in der Mittelklassewagen-Metropole mit Bahnhof nach ebenfalls beherztem Auftritt mit 0:1 unterlagen. Ich sah das Spiel in einer gastronomischen Einrichtung, in welcher auch gern Anhänger eines Hohenschönhausener Regionalligisten verkehren. Als die über das Gegentor jubelten, wollte ich schon in Wut geraten. Dann jedoch fragte ich lieber in die Runde: „Und bei euch so? Wie liefs eigentlich gegen Rathenow?“
Warum ich hier so schamlos schwadroniere? Einfach, weil mich mit – oder sagen wir besser: gegen diesen Gegner nichts umtreibt. Seine Fan-Szene lernte ich nie kennen, weil ich während unseres letzten Heimspiels vor vollem Wohnzimmer mit Liebe und Tochter zum seither letzten Mal ins Kino ging. Klar, die für die Wolfsburger Auto-Bude auflaufende Mannschaft ist stark, aber das können andere besser beschreiben als ich. Außerdem gehe ich zum Fußball, weil ich den Fight im Stadion liebe. Den auf dem Rasen und den auf den Rängen!
Immerhin sehe ich anlässlich des Spiels meinen Eisernen Freund Robérto wieder, also will ich gar nicht erst anfangen zu meckern. Ginge es nach der Statistik, wäre heute ein knapper Sieg ohne Gegentor fällig. Würde ich Andi Luthe gönnen! Ich hoffe nur, unsere Mannschaft ist nicht so entspannt wie ich. Bevor der Ball rollt, meldet sich erst mal Robert Andrich ab. Ein weiteres Handicap, und auch Max Kruse sei nur für maximal 30 Minuten fit.
Der VfL Wolfsburg greift an, wie sonst unsere Mannschaft. Zweite Spielminute, Andi Luthe faustet den Ball beherzt aus seinem Strafraum. In der 4. Minute ein guter Pass in die Spitze – schade. Die Wolfsburger suchen Lücken – und finden sie. Unsere laufen viel, aber zumeist hinterher. In der 9. Minute sind die Grünen schon wieder durch, aber der tödliche Pass kommt zum Glück nicht an. Immerhin Ecke, doch Jolle haut die Kugel raus. Auch der 2. Eckball, 2 Minuten später, ist nicht drin.
Dann aber passierts. Schneller Angriff, ein Gegner in guter Schussposition nahe der Strafraumgrenze, schon lässt ein Schuss der Marke „Unhaltbar“ unser Tornetz zappeln. Augenblicklich erschallt lautes 0815-Konservengedudel und ein sonst wohl vor allem bei Werbeverkaufs-Shows am Rande der Stadt arbeitender Sprecher präsentiert der leeren Arena den Torschützen. So lächerlich das ist, die Leistung der Heimmannschaft ist alles andere als das.
Sie bleiben es gnadenlos, und mich beschleicht der Gedanke: Hauen die uns heute weg – wie bislang kein Gegner in dieser Saison? Was unsere auch versuchen, VW ist schneller. In der 26. sorgt eine Glanzparade unseres Keepers dafür, dass es nicht 2:0 gegen uns steht. Dann Union über Jolle – daneben. Na, immerhin mal ein Schuss Richtung Tor! Freistoß Union, Kopfball, drüber. Gegenrichtung, ein VW-Mann hebt ab, bekommt einen Freistoß geschenkt. Er bleibt folgenlos, genau wie die nächste Ecke und ein weiterer Freistoß, endlich Pause.
Weiter geht’s, Union über rechts – schade! Robértos Internetverbindung schwächelt, dann ist auch das laufende Bild wieder da. Allerdings scheint in Golfsburg gerade ein mächtiger Schneesturm zu toben. Dessen ungeachtet rettet uns Andi Luthe mal wieder. Eine Minute später Ecke Union, zwei Sekundenzeiger-Umdrehungen drauf haut Jolle den Ball an den Pfosten! Wäre ohnehin Abseits gewesen. Noch ein weiterer Eiserner Angriff, dann dringen Fußball-Gesänge zu uns in die Stube.
Offenbar hat sich vor dem Stadion mindestens eine Hundertschaft Unioner eingefunden, unsere Leute sind verdammt gut zu hören. Aufm Platz kassiert unsere Mannschaft derweil, mitten in dem auf dem Bildschirm noch immer andauernden Schneesturm, das 2:0. Die Antwort aus dem Off folgt auf dem Fuße: „Auf geht’s Union, kämpfen und siegen!“ Wir singen mit, und Robérto fällt ein: „Das müssen die Eisernen Biker sein!“ Sie sind es, und Ecke Nord liefert später die Bilder dazu, einen Lehrfilm für beherzten, disziplinierten Support!
Dieser Hauch von echter Fußball-Atmosphäre macht, dass ich die erste klare Niederlage dieser Saison in einem anderen Licht sehe. Daran ändert auch das Kacktor zum 3:0 in der 89. nichts mehr, und die Eisernen Biker geben von draußen die einzig richtige Antwort: „Und wir lieben unser Club, und wir sind stolz auf ihn, FC Union aus Berlin!“ Der Schlusspfiff am Ende der Nachspielzeit ertönt mitten im: „Wir sind Unioner, wir sind die Kranken, wir durchbrechen alle Schranken …!“
Unsere Mannschaft war dann wohl doch ähnlich entspannt wie ich. Sind einige schon mit halbem Fuß bei ihrem zukünftigen Verein? Nun, Urs wird ihnen schon was geigen – und Oliver arbeitet an der Besetzung des nächsten Eisernen Teams. Klar und deutlich sah ich heute im unscharfen Schneesturm-Bild: Nur, wenn Unions 1. Herrenmannschaft alles reinhaut und obendrein eine Prise Wettkampfglück hat, können wir gegen all die finanziell in einer anderen Welt spielenden Vereine der 1. Bundesliga punkten. Das wird nächste Saison wieder elend schwer, aber egal. Eisern heißt dit!
Wer: Martin Krüger (45)
Wann:26.11.2024