Frank Nussbücker: Schade, aber immerhin: Union punktet gegen Heidenheim

Union Berlin und Heidenheim trennen sich 2:2

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

Endlich wieder Heimspiel im Wohnzimmer, doch erst einmal hieß es: Wochenend‘ und China-Satz! Immerhin war der Ausbau des S-Bahnhofs Köpenicks der Grund für den angesetzten Ersatzverkehr. Zunächst hieß das: in der Party-Tram bis zum Frankfurter Tor. Um mich junge Frauen, die im perfekten Denglish über Locations, Events & Co parlierten, bis sie schreiend ausstiegen. Sie hatten sich wohl verfahren. Immerhin schien da draußen die Sonne, und da spielte unsere Mannschaften die letzten Jahre gefühlt immer gut!

In der U-Bahn zum Tierpark ein paar Gästefan-Familien. Auf meine Frage, wie es ihrer Meinung nach heute ausgeht, sagte ein Herr in meinem Alter oder drüber hinaus: „Halt schon mal die Taschentücher bereit!“ Auf meine Antwort: „Ich hoffe, eure Mannschaft ist sich da auch so sicher, dann gewinnen wir nämlich!“, erntete ich jede Menge anerkennendes Lachen. „Erst kommt Heideheim, dann kommt gleich Union!“, gestand mir eine Frau, was ihre Nachbarn nickend als auch ihre Meinung bestätigten. „Danach wieder Kumpels!“, schieden wir voneinander.

Was lange fährt, wird endlich Bier!

Am Tierpark würde ich gerade noch die die 27er Tram erreichen, was mich dazu bewog, daselbst auszusteigen und die Treppen rauf zu wetzen. Da kam sie auch schon – allerdings fuhr sie aufgrund eines Verkehrsunfalls auf der Strecke nur bis zum S-Bahnhof Karlshorst. Mist verdammter, aber hier startete ja immerhin der Shuttle-Bus zum Stadion. Dessen Haltestelle fand ihn nach kurzer Suche. Zwei Busse standen hintereinander, die Busfahrer rauchten eine. Die Frage: „Wann fahrt ihr denn los?“, beantworteten sie mit: „Wenn ihr eingestiegen seid!“

Das taten wir und links von mir motzte sogleich ein Jungscher: „Maaaaan du Spast, fahr endlich!“ Inmitten des berlinisch dichten Verkehrs zuckelten wir Richtung Stadion, wo ich via Straßenbahn und per Pedes endlich doch noch bis zum Deftig kam, um das lang ersehnte Spielvorbereitungs-Bier mit meinem U-Boot-Kapitän zu zischen. Von nun an war vieles „wie immer“. Die Heidenheimer sind alte Bekannte, die uns weit mehr Niederlagen einschenkten als alles andere. Zwar hatten wir sie als letztes im Pokal geschlagen, aber gerade spielen sie eine erstaunlich starke erste Erstliga-Saison …

„Lennard Maloney Fußballgott!“

Die erinnern mich an unsere zweite Spielzeit in der Bundesliga!“ gestand mir der elegante Schotte der Ü-55-Oldies, welcher unseren Verein von Anfang an begleitet. Die von ihm angesprochene Saison beendeten wir dank Max Kruses Kopfballtor in letzter Sekunde sensationell auf Platz 7! Auch ohne diesen Hintergrund war klar: Auf uns wartete heute ein hartes Stück Arbeit. Applaus brandet auf, als sich der Heidenheimer Lennard Maloney beim Warmlaufen der Gegengerade nähert. Er applaudiert uns, hat uns verstanden.

Als ich dereinst beim Freundschaftsspiel gegen Union als Empor Berlins Stadionsprecher fungieren durfte, diktierte mir Christian Arbeit auf dem Balkon den Namen Maloneys in die mir gereichte, offenbar unvollständige Aufstellung der für mich an jenem Tag offiziellen Mannschaft. Damals hörte ich ihn zum ersten Mal. Etliche Jahre später bin ich nun traurig, dass der mittlerweile US-amerikanische Nationalspieler nicht bei uns seinen Weg in die Bundesliga fand. „Zur falschen Zeit am falschen Ort!“, tröstete mich Freund Robert. Als Lennard soweit war, gabs auf seiner Position Stärkere.“

Erstmal Tschüss, Saudi-Arabien!

Ich bin dennoch traurig, dass dieser Köpenicker Junge, genau wie etliche andere bei uns heranreifende Jungsche, heute nicht unsere Farben trägt. András Schäfer grinst, als wir ihn wie gewohnt bei jeder Annäherung bejubeln, auch Herr Aytekin bekam hier noch seinen Applaus, womöglich letztmalig. … Damit endgültig genug mit höflicher Freundlichkeit. DOCH BEIM NÄCHSTEN AUFSCHLAG STEHEN WIR BEREIT, vermeldete das große Banner auf der Waldseite, dass der Kampf um unseren Fußball notfalls weitergeht.

Eine schier endlos lange und äußerst kunstvoll drapierte Tennisball-Kette erinnerte an den ausdauernden friedlichen Protest gegen den geplanten und in einer fragwürdigen Abstimmung beinahe durchgesetzten Investoren-Einstieg. Dieser Protest wurde glücklicherweise nicht nur in unserem Stadion von einer Mehrheit der Zuschauer getragen – unter ihnen jene, die weder zukünftige Auswärtsfahrten nach Saudi-Arabien, Katar, China oder Nordamerika unternehmen, noch den Spieltag aus Gründen eines profitablen Invests über die gesamte Woche aufgesplittet haben wollen.

Früher, unglücklicher Gegentreffer

Heidenheim hat Anstoß, schießt gleich mal auf Frederik Rønnows Tor! Und die äußerst unbequemen Gäste drücken weiter. Ein Rückpass auf unseren Keeper, der den Ball unter Bedrängnis ins Aus befördert. In Minute 3 ein weiterer Ball nach hinten, per Kopf und verdammt unglücklich in den Lauf eines gegnerischen Stürmers, welcher daraufhin unser Tornetz erzittern lässt. „Wir sind Unioner, wir sind die Kranken!“, singen wir nach kurzer Schockstarre unbeirrt weiter. „Tor durch Zurückspielen ohne Not!“, schimpft einer hinter mir. Lasst euch nicht kirre machen, ihr schafft das noch, schießt es durch meinen Kopf.

 

 

Union attackiert über links. Hollerbachs Flanke findet zwar keinen Mitspieler, sorgt aber für unsere erste Ecke. Es bleibt mühevoll, und wir singen nach dem von der Spielsituation diktierten „Auf geht’s Union, kämpfen und siegen!“ endlich mal wieder „FC Union Berlin, wir woll‘n dich siegen sehn, … Union ist wieder da!“ Bei der zweiten Ecke ist schon fast eine Viertelstunde herum – war das eben Elfmeter?! Ganz ehrlich, ich möchte es nicht wissen, der Schiri war anderer Meinung und im Kölner Keller womöglich gerade Kaffeepause.

Wir sind wieder hier!

Wir singen uns „dem Morgengrauen entgegen“, und Weihnachtssingen- wie Stadionbegleiter-Initiator Torsten Eisenbeiser lässt mich wissen: „Scheißegal wie es steht, wir sind wieder hier!“ Vor Anpfiff hatte er mich noch scherzend gemahnt, dass ich schon wieder mal falsch stehe, zu weit links und eine Stufe zu tief. Jetzt aber spricht er das, was da wohl nicht nur in meinem Herzen „geschrieben“ steht. Angriff Heidenheim, Rønnow, pflückt die Kugel aus der Luft.

Was für ein geiler Spielzug: Wieder passt Hollerbach von Außen, der Abschluss streicht knapp am Kasten vorbei, Eisern Union! Mühsam bauen Unsere auf, „Anbieten!“, brüllt Lothar hinter mir. Versuchtes Umschaltspiel, leider inklusive Missverständnis. Für das Waldseitenbanner „Ruhe in Frieden Aaron – Ultras sterben nie“, beschirmt von einem einsamen Licht, gibt’s auch Applaus aus dem Gästeblock, bevor sie dort den nächsten Angriff ihrer Mannschaft befeuern.

Im Handumdrehen den Spielstand gedreht

Heidenheim sichert gut und lauert auf Konter. Für ein klares Foul sehen sie nicht mal Gelb. Unsere erkämpfen den Ball, auf geht’s nach vorn, leider verstolpert. „Eisern!“ brüllt einer rechts vor mir, „Union!“, geben wir die Antwort – immer weiter, immer lauter, bis das „Eisern!“ mit geballter Waldseiten-Kraft zu uns herüberdröhnt. Zumindest auf den Rängen stimmt die Abstimmung gerade sowas von! Aufm Platz holen Unsere immerhin die nächste Ecke heraus. Begleitet vom Western-Song geht das Dig aufreizend knapp vorbei.

„Pech musste haben!“, kommts von Torsten, „uns fehlt bislang das Ballglück.“ Unsere Mannschaft ackert weiter. Bald nach einem „war-das-wirklich-Abseits!?“ von Robin Gosens gibt’s ein heilloses Gestocher im gegnerischen Sechzehner – und siehe da, Gosens drückt den Ball über die Linie! Biere fliegen, Stimmen schreien, Hände schlagen ineinander – ein typisches Alt-Unioner-Tor, obendrein ein typisches gegen diesen elendig kampfstarken Gegner. Das Ganze kurz vor der Halbzeit, doch die Nachspielzeit beträgt ja 5 Minuten. Genug für unser Team und András, auch noch das 2:1 zu erkämpfen, was für ein irre-schöner Tag!

Und wieder schlägt der Gegner zu

Heidenheim schwamm am Ende kurzzeitig, und Union legt auch zu Beginn von Hälfte 2 fast noch mal nach – schade, ein 3:1 wäre…, Du weißt es selbst! Die Waldseite intoniert den neuen Stadiongesang, und unsere holen die nächste Ecke. Herr Aytekin ist anderer Meinung, zeigt dem aus meiner Sicht zurecht erbosten Josip Juranovic Gelb – und hätte wohl eine Ampelkarte draus gemacht, wäre Käpten Rani nicht moderierend herbeigesprungen. Seht es meinetwegen anders, aber ich sage: Nee, Herr Schiedsrichter, das war heute nix!

Weiter wogt der Kampf. Greift Heidenheim an, ist immer mindestens ein Unioner-Bein im Wege. Es ist das elendige Kampfspiel, welches ich erwartet hatte – und nein, was für ein Mist: Ein weiter Pass foppt unsere gesamte Abwehr, und der gefährlichste Heidenheimer trifft in unser quasi leeres Tor – was für ein verdammtes Gastgeschenk! „Union, Union!“, beschwören wir unsere Mannschaft, nochmal alles reinzuhauen. Doppelwechsel, für Hollerbach und Juranovic kommen Kaufmann und Geburtstagskind Käpten Trimmi!

Ein neues Lied – und weiter geht’s!

Der führt sich gleich mal mit einer steilen Flanke ein, der Abschluss geht knapp daneben. Hin und her wogt der Kampf, doch irgendwie scheint das Pulver auf beiden Seiten verschossen. Dennoch blieb es bis zum Schluss ein harter Fight – wohl auch deshalb erklang unser Mantra heute erst nach Abpfiff. Die Ehrenrunde unserer Mannschaft wurde gekrönt durch ein weiteres Hochleben-lassen unseres nunmehr 37jährien Kapitäns: „Christopher Trimmel!“ Danach war auf der Waldseite noch lange nicht Feierabend, und immer wieder hieß es:

„Man hat mir gesagt / Es gibt noch mehr als Union /Denk an die wichtigen Dinge im Leben /Dann wirst du belohnt“, gefolgt von der 2. Strophe: „Aber für mich / Gibt’s nicht Größ‘res als Dich / Stundenlang Zugfahren durch Europa / Ich lass Dich nicht im Stich.“ Ich für meinen Teil genoss es, dank Trucker Matthias Olafsohn die gesamte Rückfahrt im Union-Barkas zu erleben, innen und nach draußen erklangen einige unserer schönsten Lieder. Dazu die Blicke, das Lächeln all der Leute auf Berlins Straßen – Union, ick liebe Dir, und auch dieser Punkt ist einer auf unserer Habenseite!


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