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Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)
Zwischen zwei Europapokalspielen gegen einen mehrfachen Cupgewinner spielte mein Verein gegen das Schlusslicht der Bundesliga. Das irre an diesem lapidaren Satz ist, dass ich ihn weder als Bayern- noch als BVB- oder Fuschl-Fan, sondern als Unioner schrieb. Ebenfalls erwähnenswert, dass es sich bei besagtem Schlusslicht in Tabelle wie Marktwert ihrer 1. Herren um den legendären den FC Schalke 04 aus Gelsenkirchen handelt.
Unioner-sein hieß für mich, dieses Spiel zumindest bis kurz nach Abpfiff so ernst zu nehmen wie kein anderes auf dieser Welt! Als professioneller Pessimist verwies ich natürlich mahnend ohne Ende auf zahlreiche Spiele gegen sogenannte „Kleine“ und ganz besonders auf unser Heimspiel der letzten Saison gegen Tabellenschlusslicht Greuther Fürth. Einfach nur als Eiserner denke ich an Urs‘ Worte, dass wir in jedem Spiel alles geben müssen, um in dieser Liga zu bestehen.
Dümmliche Überheblichkeit überlasse ich gern anderen. Auch mit Häme ob des Absturzes der legendären Revierclubs hab ich so gar nichts an der Melone. Denke ich hier doch vor allem an Schalker Unterstützung bei „Bluten für Union“. Noch länger her ist jenes Pokalfinale, bei dem sich mit den Knappen nach kämpferischem Auftreten unserer Mannschaft der damalige Favorit mit 2:0 durchsetzte. Dass spätestens nach dem 6:1 in der Hinrunde wir als der Favoriten gelten, beruhigte mich kein bisschen.
„Kämpfen und Siegen“, musste unser Motto auf Rasen und Rängen lauten. Gerade, da unseren Fußballgöttern der harte, überaus laufintensive Fight vom Donnerstag in den Knochen steckte. Auf dem U-Bahnhof wünscht mir ein Mann im Schalke-Pullover „viel Spaß.“ Wir kommen ins Fachsimpeln, und er lässt mich wissen: „Egal, in welcher Liga sie herumgurken, wir stehen hinter ihnen.“ „Du sprichst wie ein Unioner“, entgegne ich, und er: „Sind halt Arbeitervereine.“
Wir trennen uns mit den Worten: „Nachher schreien wir uns an, danach wieder Kumpels. Eisern und Glück auf!“ Da wusste ich noch nicht, dass gut neun Stunden vor Anpfiff mindestens 150 Schwachmaten, offenbar aus der Fanszene des BVB und von Rot Weiß Essen, Richtung Berlin anreisende Schalke-Ultras brutal niedergeknüppelt hatten. Der Gästeblock sah voll aus und zeigte sich überaus lautstark. Marius Bülter kommt beim Einlaufen zu uns herüber, sich seinen verdienten Applaus abzuholen. Ihn und Simon Terodde begrüßen wir mit ihrem Zweitfamiliennamen Fußballgott!
Sven Michel und Kevin Behrens stürmen für uns, auch Timo Baumgartl, Aïssa Laïdouni und Nico Gießelmann in der Startelf, Juranović, Roussillon, Thorsby, Becker, Jordi und unsere beiden Pauls auf der Bank, das nenne ich eine Rotation! Als unsere Hymne beginnt, zieht Ruhe im Gästeblock ein. Danke für Euren Respekt, Schalker! Zur zweiten Hälfte würden sie eine beeindruckende Fahnen-Choreo zeigen. „Viele Tore wird’s heute nicht geben!“, hatte mir der Schalker am Bahnhof mit auf den Weg gegeben, womit er keineswegs gemeint hatte, dass sich beide Teams hier etwas schenken würden.
Ich genoss es mit jeder Faser, dass ich nach zwei verpassten Heimspielen endlich wieder im Stadion war, inmitten meiner Blocknachbarn singen, bangen, schreien: „Und wir lieben unsern Club, und wir sind stolz auf ihn, FC Union aus Berlin – Köpenick!“ Den Liedanfang aus dem Gästeblock verpassen wir mit „Eisern Union!“ den uns gemäßen Folgetext, bevor wir wieder mit der Waldseite mitsingen. Der Beschwörung unseres Vereinsnamens folgen „Kämpfen und siegen!“ sowie „Oh FC Union, wir wollen den Sieg!“
Den wollten wir, und wie wir ihn wollten, und unsere Mannschaft ganz sicher nicht minder – und doch sah aufm Platz nicht viel danach aus. Dort nämlich entwickelte sich mehr und mehr das, was mich, genau wie viele andere nahe der Mittellinie und garantiert nicht nur uns an „gute, alte“ Zweitligazeiten erinnerte. Da war Kampf, da war durchaus Wille – und mit den Schalkern ein Gegner, der offenbar nichts dagegen hatte, uns das Spiel machen zu lassen. Du weißt so gut wie ich, dass das nicht gerade unsere schärfste Waffe ist.
Immerhin kam der Gegner gefühlt nie gefährlich vor unser Tor, doch wissen unsere Spieler spätestens seit gestern, dass dieser Gegner zugleich ein Abo auf ein sauberes Tor abgeschlossen hat. Michel wuselte, kratzte, rannte – und doch wollte uns vorn nicht viel gelingen. Dann jedoch ein Freistoß Marke Trimmel, der Ball kommt zu Doekhi, der Schalkes Schlussmann zu einer Parade zwingt. Immerhin! Es gab noch ein paar wenige Chancen, und nach dem Pausentee ließen sich sogar die Knappen mal vor unserem Gehäuse sehen.
Zweikämpfe, lange Bälle und eine bleischwere Zähigkeit blieben die bestimmenden Elemente aufm Rasen, von uns unermüdlich in Szene gesetzt. Auch „in unserm Stadion, in der Hauptstadt, in der wunderschönen, immergrünen Alten Försterei“ wachsen die sprichwörtlichen Bäume nicht in den Himmel. Früher hätten wir ein solches Spiel verloren. Gestern erkämpfte unsere Mannschaft einen Punkt in unserem geliebten Stadion, das uns mittlerweile zu klein und die längste Zeit auf drei Seiten von echten, lebenden Bäumen umgeben ist. Wir hören uns Donnerstag, Eisern heißt dit.
Wer: Jérôme Roussillon (32)
Wann:07.01.2025