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Bildquelle: Z thomas, [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)
Wieder einmal ist der Fußball vorab zur blassen Nebensache geschrumpft. Bis kurz vor Anpfiff Fragen wie: Dürfen überhaupt noch Fans ins Stadion? Wird es die letzte Partie vor erneuten Geisterspielen sein? Muss das Spiel aufgrund dieser oder jener Infektion eines Spielers womöglich ganz abgesagt werden? Immerhin eines ist klar: Unioner sammeln und spenden in den nächsten Wochen wieder Wintersachen und Hygiene-Artikel für Obdachlose. WINTER MOLLIG WARM geht in sein 4. Jahr!
Denen nämlich geht es dieses Jahr noch schlechter als sonst. Denn sie leiden am heftigsten unter all den anstehenden Restriktionen. Ein Einschnitt indes trifft die Seele unseres Fan-Daseins: Singverbot im Stadion. Dass man daselbst nun die ganze Zeit Mund und Nase bedecken muss, gerät da fast zur Nebensache. Beides letztlich Luxusprobleme, gemessen an dem, was dieses Kaltjahr auf die Obdachlosen unserer Stadt zukommt. Aber gut, die meisten von uns haben ja noch ein Dach überm Kopf.
Genug vorgeplänkelt. Am Ende kann ich ja doch nicht anders, als das Spiel auf irgendeine Weise zu verfolgen. Leider mit verdammt viel Abstand zu unserem heiligen Rasen, weil mein Los mal wieder nicht gewann. Für mich die spannende Frage vor Anpfiff: Wie begegnen die Unioner im Stadion besagtem Singverbot? Würden Topfdeckel, Kochlöffel oder welche Trommeln auch immer den Ton angeben? Zumindest einen Bruchteil davon würde ich mit etwas Glück am mir eigentlich so vergällten Kneipen-Fernsehbildschirm erleben.
Zwischenstopp bei Ronny am Imbisswagen bei Empor im Jahn-Tierpark, dann zu Herti in die Sportsbar. „Hier hat Corona keinen Zutritt“ steht draußen dran, also hinein. 4.300 Unioner seien im Stadion, und man hört sie bestens. Kochlöffel auf Topfdeckel, alte Ost-Tröte und ähnliche Varianten, dazu am Zaun der Gegengerade die Fahne: WIEDER MAL KLAR ZU SEHEN, KRIMINELL SIND VERBÄNDE, NICHT DIE, DIE IN DER KURVE STEHEN.
Die Unioner auf dem Platz stehen dem Support in nichts nach, in der 4. Riesenchance, unser Finne setzt sich gegen 2 Freiburger durch, leider nicht drin. Eine Minute später bestens herausgespielte Torchance, leider im Abschluss zu harmlos, na und? Ein ums andere Mal wirbeln Becker und der nordische Brecher Pohjanpalo die gegnerische Abwehr durcheinander. Sobald Union am Ball ist, scheppern die Deckel, hält Freiburg die Kugel in ihren Reihen, gellende Pfiffe!
7.48, schon wieder Pohjanpalo, der Keeper muss nachfassen – schade, es gelingt ihm. Ecke, nochmal Ecke, Union völlig entfesselt. Auch in der Kneipe wird’s lebendig. Nur am Tresen sitzen drei junge Menschen und unterhalten sich mit monotonen West-Studi-Stimmen. Es tut mir leid, dass ich ihnen wohl zu laut bin. „Bleib liegen, du Penner!“, brülle ich in Richtung eines Freiburgers, der unseren Rasen vermisst. Sorry.
Dann kommt auch mal Freiburg in unserer Hälfte. Fast ne Ecke, aber Andoras „Der kleine Biss“ hält den ball im Spielfeld. Ein Freiburger schnappt sich das Ding, flankt nach links. Kurz darauf ein Schuss aus fast unmöglichem Winkel, der dennoch geradezu unhaltbar übers lange Ecke in unseren Maschen zappelt. Ein Gegentor aus dem Nichts, wie oft habe ich, haben wir alle das schon erlebt?
Und wie oft zeigte unsere Mannschaft eine derartige Reaktion? Nahezu postwendend Angriff Union, beherzter Schuss aus der zweiten Reihe – und DRIN IST DAS DING! Aufspringen, schreien, jubeln, fast wie im Stadion. Kleiner Wermutstropfen die Gelbe für Ingvartsen für Nichts. Nach dem Hausbrüllen meines Frusts gewahre ich: Der Tresen ist frei, die Studis diskutieren offenbar woanders.
Freiburg greift an. Mist, sie sind durch, aber Luthe hat ihn! Karius und Busk verletzt, wie gut, dass wir gerade 4 Torhüter haben. Überhaupt, fast schade, dass wir gerade jetzt eine derart starke Mannschaft für uns auf dem Platz steht. Aber hätte-hätte, Fahrradkette. Der Ball ist nahe an unserem Tor, da ist Halbzeitpause.
Weiter geht’s, Union prüft gleich mal das Außennetz. Schade, es hält, der Ball ist nicht drin. Schon wieder unsere, aber weit übers Tor. Freiburgs Konter gefährlicher, es gibt Ecke und im Stadion massenhaft Pfiffe. Sowohl diese wie die markant klingende Ost-Fußballtröte sind womöglich nicht viel unergiebiger als Gesänge, was die Verbreitung von Viren angeht. Und doch bin ich einfach nur stolz auf diese über 4.000 Unioner da im Stadion, die gerade für uns alle Krach schlagen.
Dazu die lange Zaunfahne an der Gegengerade. Der Sport, den ich so liebe, er lebt! Und er wehrt sich gegen all den Mist, der da in zwei Jahren seinen unrühmlichen Höhepunkt beim Turnier im Heimatland des „modernen“ Fußballs erfahren soll. Union durch – schade, das Durchstecken klappt nicht. Wäre eine geniale Idee gewesen. „Ich warte auf meinen Corona-Test“, reißt mich mein Nachbar aus dem Spiel.
Nein, er hat keine Symptome. Er macht nur, um Geld zu verdienen, an einer medizinischen Studie mit. Fast alle Hürden hat er schon genommen – fällt der Test negativ aus, hat er den Job. Union greift an, begleitet von einem neuen Topfdeckel-Rhythmus. Die Freiburger stehen leider gut. Schon greifen sie an, Luthe hat ihn sicher. Und doch entgleitet uns das Spiel …
Oder geht es nur mir so? Es ist einfach zu viel. Ich hier, statt im Stadion, wo man aber nicht singen darf. Gibt bestimmt gleich wieder Geisterspiele, mit all ihren Konsequenzen. Nicht nur, dass unsere Mannschaft zu denen gehört, die mit Fan-Support im Rücken besser spielen als ohne. Wie überall werden die Einschränkungen vor allem jene Clubs treffen, die noch immer oder ganz bewusst ohne Milliardenschwere Scheichs und sonstige Super-Sponsoren an den Ball gehen.
Als wolle mich unsere Mannschaft partout von derartigen Gedanken wegholen, reißt unsere Mannschaft das Spiel wieder an sich. Union am Ball – leider streicht er am linken Eck vorbei. Gelb Freiburg, Freistoß Union, jetzt aber! Kruse tritt das Ding. Was, er spielt immer noch? Trimmel ist raus – hoffentlich nichts Schlimmes! Hatte unser Käpten heute gar keine Karte bekommen? Schade, der Freistoß geht rechts vorbei.
Freiburg presst uns hinten rein, die Töpfe scheppern, der Schlusspfiff ertönt. Wieder ein Fernseh-Spieltag vorbei. Wieder nur ein Punkt nach einem weiteren Spiel, das unsere Mannschaft als angekommen in der obersten Spielklasse ausweist. Schade bleibts, immerhin gewannen wir letzte Saison gegen Streichs Truppe – nicht zum ersten, erst recht nicht zum einzigen Mal!
Was mir weit heftiger aufstößt: Bereits jetzt aus Gründen wieder etliche Stadien ganz leer, wie lange halten Vereine wie der unsere all das noch durch? Red Bull und all den (anderen) Scheich-Firmen juckt das nicht. Fans sind denen eh nichts anderes als Firmenlogo tragendes Fußvolk, das gern auch nur am heimischen Fernseher sitzen mag. Und wie lange halten das Coé und etliche andere unserer Kneipen das noch durch? Es liegt auch mit an uns, Eisern Union.
Wer: Laurenz Dehl (23)
Wann:12.12.2024