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Bildquelle: Harleypaul on Tour [], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)
Wir waren nur ein kleines Grüppchen Eiserner, dazu ein paar Gäste in Schwarzgelb, die sich gegen 10.00 Uhr am Anleger Fennbrücke versammelten, um mit unserer geliebten Viktoria entschleunigt gen Köpenick zu schippern. Die Spree führte eine Menge Wasser, sodass es unter so mancher Brücke sehr, sehr eng wurde zwischen Brückenbestandteilen und unseren Köpfen. Würde es nachher auch derart knapp gutgehen, oder hauten uns die Schampusliga-euphorisierten Ruhrpottler ordentlich einen rein?
Zusammen mit Viktoria-Pionierin Sabine, Zwilling Sam, meinem U-1966-Käpten Christian und Metze prosteten wir auf dem Oberdeck, bis uns die Arme wehtaten. Überhaupt nutzten wir die uns hier gegebene Zeit, uns beim Blick auf Berlins an einigen Stellen noch immer herrlich verwunschen wild aussehende Ecken auf das Kommende gebührend einzustellen. Dann tauchte Köpenicks unvergleichliche Silhouette vor uns auf, Jetzt gabs kein Vertun mehr: Danke Captain Guido fürs Herbringen!
Beim Einlass gings ausgesprochen schnell, war ich etwa schon zu spät? Aber nicht doch, nach einer kurzen Stärkung am Imbisstand mit der kürzesten Schlange war ich anderthalb Stunden vor Anpfiff im Block. Nahezu unbedrängt erreichte ich meinen Platz an der Mittellinie, Waldseite wie Gästeblock sah ich bereits gut gefüllt. Nicht lange, da trommelten sie auf der Wuhleseite derart laut, dass wir mit „Union, Union!“ gegenhalten mussten. In der gegnerischen Mannschaft gabs zwei Fußballgötter zu begrüßen. Vor allem bei Julian Ryerson wurde es mächtig laut.
Wir hatten heute Rani und Käpten Trimmi in der Startformation, dazu Yorbe Vertessen und, sicher nicht zu meiner unbändigen Freude, unser Eigengewächs Aljoscha Kemlein! Nicht allzu oft haben wir so etwas zu feiern, also los! Zur Hymne erwuchs auf der Waldseite ein gewaltig großes FCU-Logo, dazu der komplett ausgeschriebene Name unserse Vereins. Eine derart breite Brust, nunmehr mit unserer hauseigenen Marke „proAF“ verziert, wünschte ich unserer Mannschaft in diesem aufm Papier wahrhaft ungleichen Kampf aufm Heiligen Rasen.
„Und wir lieben unsern Club, und wir sind stolz auf ihn!“, sangen wir zu den Angriffen der Dortmunder. Sie rannten an über rechts, doch die Flanke kam nicht an. Den nächsten Angriff fängt Freddy ab. Zwischendrin bejubelten wir jedweden Ballgewinn, jeden gewonnen Zweikampf unserer irdischen Fußballgötter wie ein Endspieltor – und blieben dabei, unseren Club lautstark zu lieben und verdammt stolz zu sein auf ihn. Rothe über links, leider wurde nichts draus. Dortmund erschien mir besser, aber wie hatte der Lange vorhin gesagt: „Wir müssen kämpfen, denen die Laune am Fußball verderben!“
Das gelang uns, zumindest zunächst. Unioner stürmen vor, Dortmunds Keeper kommt raus, klärt außerhalb seines Sechzehners per Kopf. „Da war er sich nicht sicher!“, bemerkt Nachbar Andy grienend und kredenzt mir ein Bier. In Minute 8 unser erster echter Abschluss durch Rothe, der das Tornetz zumindest von hinten zappeln lässt. Zwei Minuten später kommt die Hereingabe nur äußerst knapp nicht an, das wär‘s gewesen! Verdammt, wir haben eine Offensive! Den nächsten Dortmunder Angriff kontern Unsere ab, der Abschluss geht nebens Tor. Wäre Abseits gewesen, aber Union ackert nach vorn!
„Auf geht’s Union, Kämpfen und Siegen!“, heißt es passgenau von den Rängen. Kevin Vogt fängt sich eine Gelbe – Mist, verdammt früh! Im Handumdrehen gleicht Dortmund aus beim Kartensammeln. Trimmis Freistoß landet in den Armen des Keepers, und Dortmund kommt! Erst muss Freddy halten, dann streicht ein Schuss beunruhigend knapp über unseren Querbalken. Dann wieder Union, Hollerbach im gegnerischen Strafraum, Zweikampf, ein Pfiff. Ich schaue fragend zu André.
„Er trifft ihn … da muss er zwar nicht hinfallen, aber ne Berührung gabs.“ Es ist einer jener Elfer, wie sie gefühlt unzählige Male gegen uns gepfiffen wurden – und ja, auch schon ab und zu auch für uns. Große Frage: Wer macht das jetzt? Kevin Vogt hält das Spielgerät in Händen, das gegnerische Theater scheinbar unberührt hinnehmend. „Würden wir genauso machen!“, gibt André zu. „Halt dein Bier fest!“, mahnt der Lange. André will nicht hinkieken, ich schreie innerlich „Nein!“, weil Kevin den kurzen Anlauf wählt. Doch auch von unseren Ängsten lässt sich dieser Haudegen nicht beeindrucken und zimmert die Kugel in die Maschen!
Jubel, Pogo, Abklatschen, weiter geht’s mit der Eisernen Bella-Ciao-Version. Union wehrt ab, Dortmund foult. Unserem Freistoß folgt ein Geflipper im gegnerischen Strafraum – „Hinein, hinein!“, begleiten wir die nachfolgende Ecke. Die erstirbt in einem Offensivfoul, aber weiter stürmt Union, über links, schade! Zum Wechselgesang „Wir lieben Union, jawoll“ erneut ein Angriff der Unseren, knapp vorbei! Dortmund muss hintenrum spielen, unsere zeigen gerade deutlich mehr Biss als der Gegner. Dann aber holen die Gelben eine Ecke, zeigen eine Super-Kombination, deren Abschluss dramatisch knapp neben den rechten Pfosten geht!
„Jetzt müssten wir mal langsam das 2:0 machen!“, steckt mir Lieblings-Italiener Helmut bei unserer nächsten Ecke. Das Spielgerät kommt in den Sechzehner, die Kugel flippert, da nimmt sich Vertessen ihrer an und bittet die Tormaschen zum Tanz. Mein Bier war bereits leer, die Becher einiger Unioner weiter vorne sind es jetzt. Ich bekomme die letzten Ausläufer des Hopfen-Niederschlags ab, liege meinen Nachbarn in den Armen – es ist einfach nur irre, aber die 2:0 Führung knallhart erarbeitet, „Oh Köpenick, du bist wunderschön!“ Denen die Lust am Fußball nehmen? Genau das! Drei Minuten Nachschlag, dann ist Pause.
9:4 Torschüsse, 4 Kilometer mehr gelaufen, 3:1 Ecken – aber was kommt jetzt? Zu „Wir sind Unioner, wir sind die Kranken“ stürmt zunächst Union, dann holt Dortmund eine Ecke. „Ein Durchläufer, Herr Orlowski!“, kommentiert André deren Gefährlichkeit. Beim nächsten Angriff muss Freddy den Ball aus der Luft pflücken. „Union, Union!“, beschwören wir unsere Mannschaft. Konter Dortmund, Konter Union, doch mehr und mehr verlagert sich das Spiel in unsere Hälfte. Kollege Männersport schreit mir zu: „Schreib uff, 56.Minute, Aachen kann nach Hause fahrn!“ Ich beneide ihn um seinen Optimismus.
Keine 6 Minuten später setzt sich Dortmund rustikal kämpferisch im Mittelfeld durch. Schon sind sie vor unserem Tor, und ausgerechnet Julian haut uns die Kugel in die Maschen. Mist verdammter, das Spiel ist noch so lang! „Auf geht’s Union, kämpfen und siegen!“ Freistoß Union durch Vertessen. Der Ball kommt zu einem Mitspieler, knallt an den Pfosten, was wäre das für eine Antwort gewesen! Bo wechselt durch, nachdem er zuvor schon Kevin Vogt herausnahm und durch Leo Querfeld ersetzte. Nun holen sich auch Aljoscha und Yorbe ihren verdienten Applaus ab.
Dortmund drückt, doch immer wieder hält unsere Defensive stand oder pflückt Freddy die Kugel, bevor er sie unter sich begräbt. „Kämpfe Union, kämpfe!“, unser Schlachtruf oder einfach nur „Union“ als Wechselgesang, es ist verdammt laut in unserem Stadion. Gerade so, als wollten wir den Ball allein durch den Schalldruck am Überqueren unserer Torlinie hindern. Keiner meckert, dass der Gegner jetzt so stark ist und uns immer wieder hinten reindrückt. Denn auch aufm Rasen kämpfen die Unseren ohne Unterlass. Wieder einmal erlebe ich diese vielbesungene Festung Alte Försterei als Teil ihres Mauerwerks, ihrer wehrhaften Zinnen.
Spaß am Fußball dürfte die 461,90 Millionen Marktwert-Truppe jetzt kaum noch haben, und immer wieder wirft sich ihnen mindestens ein Unioner zu viel in den Weg. Immer knapper wird dem Gegner die Zeit, da packt der Schiri satte 6 Minuten obendrauf. Freistoß Dortmund – abgewehrt, das Ganze in gefühlter Endlosschleife. Aber was sie auch versuchen, Unioner wissen es zu verhindern, bis nach gefühlten 12 Minuten Nachspielzeit der Schlusspfiff ertönt. Auch wenn mich unser 4. Pflichtspielsieg gegen den BVB erneut rapide altern ließ – ich bin noch immer glücklich wie lange nicht mehr, Eisern heißt dit!
Wer: Martin Krüger (45)
Wann:26.11.2024