Frank Nussbücker: Gebrauchter Wohnzimmerabend – Union holt vielleicht Punkt gegen 10 Bochumer

Union Berlin unentschieden gegen Bochum

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

Letztes Heimspiel des Jahres, da gibt es trostarme wie wundervolle Erinnerungen. An diesem Abend sollte eine der ersteren Sorte dazukommen, aber von vorn: Stadionsprecher Christian eröffnete den offiziellen Teil mit der Geschichte von Per. Das ist der Unioner, der beim Spiel in Stuttgart zusammenbrach und von zwei Unionern mittels Herzdruckmassage ins Leben zurückgeholt wurde. Alle Kraft dem noch immer in Gefahr schwebenden Per und seinen Lieben – und Dank an alle, die auf den verschiedensten Wegen spontan halfen.

Nach einem dreifach mächtig schallenden „Eisern Union“ folgte unsere Mannschaftsaufstellung – und hinein gings in das Spiel gegen einen für uns zumeist äußerst unangenehmen Gegner. Immerhin stand unsere gewohnte Dreier-Abwehr, vor ihr Käpten Khedira, und Union legte sofort los. Unser Schlachtruf von den Rängen, begleitet vom ersten Torabschluss übers gegnerische Gehäuse, „Eisern Union!“

Rote Karte, Gegentor!

Dann Bochum, gleich drei Ecken hintereinander, na – „Und wir lieben unsern Club, und wir sind stolz auf ihn, FC Union aus Berlin-Köpenick!“ Es folgt, angestimmt unweit von uns Mittellinien-Stehern auf der Gegengerade: „Wir singen Rot, wir singen Weiß…“, die Waldseite stimmt mit ein – ja verdammt, wir alle singen zusammen für unseren Verein! Keine 13 Minuten sind von der Uhr, da grätscht ein Bochumer unseren András um. Der Schiri zögert keine Sekunde: Glatt-Rot gegen den Sünder, unser Gegner 77 plus x Minuten in Unterzahl – geht das gut?

Erst einmal dominierten Unsere auf Rasen wie Rängen: Schal-Gesang, Eckball – und erneut schwillt unser Gesang an, dann aber kam der Gegner: Zunächst einmal schießen sie weit über unser Tor, bevor sie nachträglich einen Freistoß zugesprochen bekommen, der für mich zu keiner zeit ein solcher war. Seis drum, sie führen ihn aus, eins-zwei Spielstationen – und schon zappelt das olle Spielgerät in unserem Tornetz, nee, oder?! „Auf geht’, Union, Kämpfen und Siegen!“

Erkämpftes Kullertor zum Ausgleich

Unser direkt folgender Angriff landet in den Armen des gegnerischen Torwarts. Dem „He FC Union“ folgt jener Wechselgesang, der einzig aus dem Kurz-Namen unseres Vereins besteht. Alle zusammen singen wir uns und unserer Mannschaft mit aller Kraft zu: „Union!“ „Union!“ Ich liebe diese fokussierte Klarheit in Momenten, in denen keine Zeit ist für ausufernde Wortkaskaden. Es geht hier einfach nur um uns, um Union eben! „Union!“, heißt es auch nach unserem nächsten Abschluss.

Dann kontert Bochum – Ecke? Nee, doch nicht, dafür: „Fußballclub Union Berlin, mein Lebenselixier.“ Zusammen mit Feuerwehrmann Jo brülle ich die vierte Zeile: „Und stehen an für Bier!“ Das hilft manchmal, heute zumindest fast. Schon tanzt das gegnerische Tornetz, leider traf es der Ball von hinten, schade. Union bleibt am Ball, stürmt vor. Obwohl die Bochumer seit 20 Minuten einer weniger sind, ist deren Strafraum noch immer ganz schön voll. Aber was ist das: Irgendwie bekommt Hollerbach das Ding über deren Torlinie gekullert. Biere fliegen, wir schweben brüllend, 1:1 für Union!

Ein Fast-Elfmeter versinkt im Qualm

Unter den Klängen unserer Bella Cao-Version geht’s weiter, schon bald leider wieder mit Ecke Bochum, wir kriegen die Pille nicht aus unserem Strafraum! Dann wieder Union. Hollerbach hebt ab, kassiert die Gelbe Karte. War doch sicher ein rüdes Foul, oder? Niemand beschwert sich, ich jetzt mal auch nicht. Unsere nächsten Abschüsse kommen als mehr oder weniger dankbare Torwart-Anspiele daher. Neben einer halbwegs aufregenden Szene in unserem Strafraum weitere Abschlüsse Unions, dann ist Pause.

 

 

Wieder gilt es vier Unioner hinauf in Sektor H zu verabschieden. Kaum rollt der Ball wieder, zeigt der Schiri nach Foul an einem Unioner auf den Elfmeterpunkt. Der VAR schaltet sich ein, der Gästeblock hüllt das Stadion in Qualm, der Schiri schreitet zum von Regenschirmen umhegten Fernseher. Es dauert ein Weilchen, dann kehrt er auf den Platz zurück, seine Entscheidung zurücknehmend. Ich hoffe inständig, er lag richtig …

Langes, trostarmes Nichts, dann Drama pur

… denn womöglich wäre das unsere einzige wahrhaftige Chance auf einen weiteren Treffer gewesen? Unsere Mannschaft stürmte, machte, tat – und ja, der eine oder andere Ball strich aufreizend dicht am gegnerischen Gehäuse vorbei. Ein anderes Mal wars eine tolle Idee, die nur leider keinen finalen Umsetzer fand. Mal einer, mal zwei Unioner rutschten am Ball vorbei, sofern dieser überhaupt ankam. Gefühlt waren wir ständig in der Nähe des gegnerischen Tors, aber was nützt das am Ende? „Auf geht’s, Unioner, schießt ein Tor!“, sangen wir inständig fern jedweder Ecke. Wir waren so bereit, es endlich mal wieder zu erleben, ein verdammtes Tor für Union!

Das Gefährlichste an jedem gegnerischen Abstoß war eindeutig dessen ausgesprochen Zeit-intensive Ausführung. Ich erinnere mich an mindestens drei Spiele, in denen unser Freddy für weit bescheideneres Zeitschinden den Gelben Karton sah. Die offizielle Spielzeit war gerade herum, als sich der Schiri „erbarmte“, dem Bochumer Schlussmann nun endlich die ihm gebührende „Beachtung“ zu „schenken“. Der Verwarnte lief an, stoppte ab, bückte sich und hob eine Hand, die wohl etwas hielt, in die Luft – und brach zusammen.

Keine Verabschiedung, aber Baustellen

Im ersten Augenblick dachte ich, sein Fuß hätte sich in unserem Rasen verhakt – erst dann realisierte ich, was hier gerade geschehen war. Ein von einem ihn Kennenden als „Honk“ bezeichneter Typ hatte ein Feuerzeug Richtung gegnerischem Keeper geschmissen. Ich erspare mir jedwede Replik auf das Gebaren jenes Tormanns, dessen Haare nach Ansicht der Wiederholung eine Berührung mit jenem Feuerzeug erfahren haben dürften und der nach dem Hochhalten des Corpus Delikti so überaus dramatisch blablabla …

Derartiger Dummbrotmist darf uns nicht passieren! Für mich ein kleiner Trost, dass der Typ gefasst wurde. Sein Stadionverbot hat er sich mindestens so redlich verdient wie der Zusammengebrochene seine Verwarnung. Egal, wie sie das Spiel am grünen Tisch bewerten, bleibt uns ein über weite Strecken trostarmer Auftritt unserer Mannschaft, von der wir uns dank Kollegen „Honk“ nicht einmal verabschieden konnten. Ich verlebte eine Bier-lastige Rückfahrt mit Jo, auf der ich nach vielen Jahren endlich wieder Freund Thäpi wiedertraf, Eisern Union! Uns allen bleiben nun Baustellen auf Rasen wie Rängen. Gehen wir‘s an, Eisern heißt dit!


Werbung