Frank Nussbücker: Böller, Raketen und ein Tor – Union Berlin siegt in Malmö

Union Berlin besiegt Malmö auswärts

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

Mal wieder englische Woche – und alles war unklar im Staate Schweden! Wer würde unsere Mannschaft heute coachen, da Cheftrainer Urs Fischer bald nach dem letzten Spiel positiv auf das elendige C-Virus getestet ward? Die Pressekonferenz bestritt sein Co Hoffi, doch mittlerweile war Urs freigetestet und vor allem symptomfrei! Das immerhin war doch schon mal was. Anders erging es meinem U-1966-Mannschaftsollegen Tilo, der mir schrieb: „Wünsche ich niemandem!“ Auf alle Fälle war es bis zum Schluss spannend, wer denn nun ganz vorn auf unserer Bank saß.

Spannend auch die Frage: Wer wird unsere Mannschaft von den Rängen aus unterstützen? Der Gastgeber hatte unserem Verein das in diesem Wettbewerb übliche Kartenkontingent von 5 Prozent zugestanden, also gut 1.000 Tickets. Daraufhin hatten zahlreiche Unioner das getan, was Unioner in derartigen Fällen zu tun pflegen: Sie hatten fleißig Tickets in der Nähe des „Gästeblöckchens“ gekauft, welche wiederum vom gastgebenden Verein storniert wurden. Das ist verständlich, was die zu erwartende Lautstärke von 2.000 Eisernen Kehlen betrifft, aber zumindest aus meiner naiven Fernsicht doch etwas schofelig in einem längst nicht ausverkauften Stadion.

Viel Lärm um nichts?

Was würde also abgehen am und im Stadion sowie in der Innenstadt. Kein zweites Rotterdam!, hieß mein unguter Gedanke vor Anpfiff der Partie. Zumal auch das Wetter einen ähnlich unfreundlichen Charakter offenbarte, der zum Ausfall der windanfälligen Katamaran-Fähre führte. Union international blieb wohl auch weiterhin ein Buch mit etlichen Siegeln, hinter welchen sich allzu oft Unfreundliches zeigt. Ich würde das Spiel in bester Gesellschaft bei Freund Robert verfolgen, via TV in der guten Stube, wie schon so manches Mal während der unseligen C-Virus-Zeit.

Die Einlass-Situation ließ sich unerwartet entspannt an. „Im Moment sind noch nicht alle da, aber im Gästeblock sind 2.000 Plätze, bereits sehr gut gefüllt“, schrieb mir Torsten Eisenbeiser eine gute Dreiviertelstunde vor Anpfiff aus dem Stadion. In der Tat boten unsere Auswärtsfahrer ein tolles Bild in Weiß. Offenbar kamen alle im Stadion, die vor Ort waren, was sich im Laufe des Abends noch als problematisch erweisen sollte. Die Heimfans zeigten derweil eine blau-weiße Choreo mit vielen Fahnen. Die Mannschaften betraten das Spielfeld, unsere mit fokussierten Gesichtern.

Erste Tor-Annäherungen

Anstoß für Union, Attacke! Becker bringt den Ball von lins ins Zentrum, Ecke! Trimmi tritt, abgewehrt! 4. Minute: auch Malmö greift mal an, sie kommen über rechts, werden abgefangen. In Minute 7 holen sie einen Eckball heraus. Der verpufft, und schon steht Trimmi für den nächsten Standard an der Eckfahne bereit, begleitet von den Pfiffen des Heimpublikums. Sie köpfen den Ball aus der Gefahrenzone, was auch weiterhin so bleiben wird. Aus einem Fehlpass im Mittelfeld erwächst ein schwedischer Konter, doch Frederik Rønnow ist auf dem Posten, danke Keeper!

Unsere bleiben am Drücker, doch ein riskanter Rückpass bringt Malmö erneut ins Spiel, zum Glück machen sie nichts draus! Union über links, sie ackern sich fest, Spieler beider Mannschaften stolpern übereinander. „F-C-U-Fußballclub Union Berlin!“ melden sich unsere Auswärtsfahrer lautstark zu Wort, während Rønnow erneut sein Können zeigen muss. Jetzt aber: Becker auf Halblinks, stürmt aufs gegnerische Gehäuse zu – schade, der Winkel war zu spitz, aber das sah schon mal gefährlich aus, weiter so!

So ein blödes Ding

Der schwedische Rekordmeister hatte bislang noch nicht allzu viel zu bestellen aufm Rasen, aber noch stand es 0:0! Nach weiteren Union-Angriffen und einem erfolgreichen Einschreiten unseres Tormanns flankt Trimmi mustergültig auf Sheraldo Becker, der wiederum für Haberer auflegt! Der Ball streicht übers Gehäuse, die bislang beste Chance des Spiels! „FC Union, unsre Religion…“, liefern unsere Auswärtsfahrer den dazugehörigen Soundtrack. Unseren nächsten Angriff kann Malmö nur durch ein Foul an Schäfer stoppen, Gelb für den Übeltäter!

 

 

Freistoß, Eckball, rausgeköpft, das eingefahrene Prozedere. Nur wenig später hat der gerade Verwarnte großes Glück, dass er nach einem weiteren Foul, nun an Rani Khedira, nicht mit Gelb-Rot duschen gehen darf. Kurz darauf kommts ganz dicke für uns: András Schäfer verspringt der Ball auf Höhe der Mittellinie derart blöd, wie es ihm in diesem Leben wohl kein zweites Mal widerfahren wird. Ein Gegner ist zur Stelle und wäre, den Ball am Fuß, durch gewesen, hätte András ihn nicht effektiv am Trikot gezupft. Er war letzter Mann und sieht den Roten Karton. Unsere Mannschaft, für mich bis dahin klar das bessere Team, hatte eine Halbzeit in Unterzahl zu bestehen!

Knallköpfe lassen es knallen

Urs vertraute seinen nunmehr 10 Unionern, nahm zur Pause keine Veränderung vor. Unsere blieben auch in Unterzahl das gefährlichere Team: Becker auf Jordy, der Torwart hat ihn, „1.FC Union Berlin – und alle!“ Irgendwann schießt auch Malmö mal wieder auf unseren Kasten, doch der wackere Rønnow faustet das Spielgerät aus der Gefahrenzone. Die nachfolgende Ecke endet mit einem Offensivfoul der Schweden. Unsere nächste Chance ersteht aus einem vom Käpten getretenen Freistoß, der Kopfball geht jedoch übers Tor. Es folgt noch ein Angriff der Heim-Mannschaft, dann knallts …

Mehrere Böller scheppern, Raketen fliegen aufs Feld, von mehreren Seiten aus. Das Spiel ist unterbrochen, der Schiedsrichter bittet beide Mannschaften in die Katakomben. „Verpisst euch aus unseren Reihen!“, schreit in Roberts Stube ein Freund seinen Verdacht Richtung Fernseher. Der Kommentator wähnt die Unseren als Täter. In einem anderen Block erscheint das Banner „Berlin ist Bau-Weiß“, das alles sieht verdammt nach Berlin-Brandenburgischen Hooligan-Spielen aus. Werden es diese Typen schaffen, dass das Spiel abgebrochen wird?

Und plötzlich ein Tor!

Viele Minuten vergehen, keiner weiß so recht, was los ist. Fernsehbilder zeigen heftige Diskussionen im Gästeblock und an dessen linker Seite etliche Vermummte. Der Kommentator rudert ehrlich zurück, die Geschosse kamen womöglich nicht von Unseren, aber das ist gerade nicht das Thema. Es gibt Durchsagen im Stadion, unter anderem von Christian Arbeit. Ich verstehe: „Wir spielen dieses Spiel zu Ende, und wir können das!“ Die Polizei führt ein paar schwarz Vermummte ab, das Spiel geht tatsächlich weiter unter dem Damoklesschwert: Noch einmal Feuerwerk, und das wars!

 

 

Malmö greift an, baut auf. „He FC Union!“ Sie sind frei vor unserem Tor, aber das hütet heute ein dänischer Superheld, danke Frederik! Ein Schwede fällt, derart offensichtlich, dass der Schiedsrichter Freistoß für uns pfeift. Unsere greifen weiter an, angetrieben von: „He FC Union!“ Ein Eiserner Konter, natürlich Sheraldo Becker! Er tankt sich auf rechts durch, noch ist er alleine. Als sich Mitspieler anbieten, ist es bereits „zu spät“. Aus spitzem Winkel zieht er ab, der Keeper streckt sich vergeblich, der Ball zappelt im langen Eck!

Verdammt, was zu klären

68. Spielminute, erstes Union-Tor unserer Europa League-Saison, wir führen in einem Spiel, in dem genau das längst fällig gewesen wäre – und doch hat unsere Freude einen elenden Beigeschmack, längst nicht nur in unserer Stube. Das Spiel geht noch eine Weile, meine Gedanken sind anderswo. Malmö schafft es nicht mehr, gefährlich zu werden. Es braucht einen Rückpass per Kopf, unser Tormann stolpert, doch dann hat er auch diesen Ball. Es bleibt dabei: Der 1. FC Union Berlin gewinnt sein erstes internationales Pflichtspiel dieser Saison, und doch ist kaum einer so ganz glücklich darüber.

Ehe ich jetzt halbseidene moralische Floskeln in die Tasten schicke, zitiere ich lieber unseren Präsidenten. Der sagte sinngemäß und arg angefressen in das ihm übergebene Mikrofon: „Die laden sich Leute aus der Hauptstadt ein und wir welche vom Dorf … wir haben unsere Gäste nicht im Griff“, bevor er hinzufügt, dass dies die letzte „Einladung“ gewesen sei. Wir haben einiges zu klären, und Dirk Zinglers Miene zeigt, wie ernst ihm das ist. Mein Dank an alle, die vor Ort besonnen blieben, als es laut und heiß wurde. Danke an das Eiserne Funktionsteam wie unsere Mannschaft zwischen unserem großartigen Torwart und Sheraldo Becker, der uns mit seinem Treffer zumindest sportlich im Wettbewerb hielt, Eisern heißt dit!


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