Frank Nussbücker: Pokal-Alarm am Müggelsee - Union ringt Arminia Bielefeld nieder

Union Berlin ringt Bielefeld im Pokal nieder

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

Die Pokalnacht erlebte ich als Programmheft- und, Union-Stiftung sei Dank, auch als Buchverkäufer im Stadion An der Alten Försterei. Wo aber sollte ich zwischendrin das Spiel verfolgen? Freund & Marktschreier-Kollege TeiChi brachte mich auf die Idee: „Frag doch mal deinen ehemaligen Chefredakteur, ob er noch einen zweiten Mann im Anzeigehäuschen braucht?“ Und siehe da – er brauchte! War sein Kollege doch just an diesem Abend nicht vor Ort!

So erlebte ich an für mich völlig ungewohntem Ort, eingepfercht zwischen Kuchenstück und Waldseite, das Vor-Anpfiff-Prozedere – unsere Lithurgie, wie mein Orgeln bauender Onkel Wolfgang das nennt. Nach Hymne und Schweigeminute für Union-Retter und Bewahrer Jochen Lesching würde es eine Choreo geben, die aufgrund ihrer Komplexität vom Kapo kurz erläutert wurde. „Bielefeld, Bielefeld“, störte der Gästeblock und sorgte somit für die „richtige“ Stimmung.

Auf den Rängen spielt die Musik!

Nach der Hymne erklang zunächst das softig-martialische Jingle des an diesem Abend anstehenden Wettbewerbs, dann aber wurde es so still, wie es irgend still sein konnte. Irgendwo brummte leise ein Aggregat, dann ein kurzes Fauchen, welches die für den Gegangenen entzündete Fackel von sich gab. Kurz drauf klackte fernab ein Feuerzeug – das wars, bis zum Applaus aus wahrscheinlich allen Stadionbereichen.

„Bielefeld“ versus „Eisern Union!“, hieß es anschließend mit aller Wucht, während sich auf der Waldseite die Choreo oben genannten Titels entfaltete. Fast zwei Minuten waren von der Uhr, als ich zum ersten Mal aufs Spielfeld schaute. Das sollte über weite Strecken so bleiben. An der Nahtstelle zwischen Vorsängern, Trommlern samt supportenden Ultras auf der einen und dem lauteren Teil der Gegengerade auf der anderen Seite zogen mich die Ränge von Beginn an noch stärker in ihren Bann als sonst.

„Der Ball schlägt ein, wir führen!“

„IIIIIIIn unserem Stadion, in der Hauptstadt!“, leitete der weiter unten postierte Vorsänger unsere Bella Ciao-Version ein, während sich Arminia einmal fast und einmal ganz unserem Tor näherte. Als der Gesang leiser wird, fällt der Vorsänger aus voller Kehle ein – und erhöht damit die Phonzahl der ihn Umstehenden, ja des gesamten Heimbereichs beträchtlich. Aufm Platz Ecke für Union, gefolgt von etlichen Kopfbällen und einem über die Querlatte gehenden Abschluss.

Freistoß Trimmi: Er bringt das Spielgerät in den Sechzehner, punktgenau für Leo Querfeld, der per Kopf zum 1:0 einnetzt. Mein langjähriger Unionprogramm-„Betreuer“ und ich liegen uns in den Armen, bevor er seines Amtes waltet und auf seiner Seite die 0 durch die 1 ersetzt. „So kanns weiterjehn!“, lautet sein Kommentar, dem ich nichts, aber so gar nichts entgegenzusetzen habe als pure Zustimmung.

Aus voller Kehle

Die Arminen laufen über links ins Abseits, dann wieder Union. „Und jetzt nehmen wir die Gegengerade mit!“, ruft der Vorsänger, „aus voller Lunge: Wiiiiiir liiiiiiieeeben Union, jawoll!“ – ab geht die Post nach über 7 lautstarken Minuten Bella Ciao. Die Arminen erkämpfen hinten einen Abstoß und vorn eine Ecke. Letztere, nachdem Unsere nach einem Foul ins Toraus gespielt hatten, laute Pfiffe sind die Antwort.

Ansah auf links, schade, aber „wir lieben Union, jawoll!“ Bielefeld schließt ab, Freddy ist rechtzeitig unten und klärt sicher. Den nächsten Angriff bringen Unsere von links ins Zentrum, der Abschluss geht drüber. Zum Finale des Gesangs kreiseln die Schals, auch er ging weit über 5 Minuten. Freddy tritt aus der Mitte der eigenen Hälfte einen Freistoß – und muss hiernach schnell wieder vor seinen Kasten.

Bielefeld ist zurück

Aufm Platz wogt es hin und her, als mitten in „Oh FC Union, wir wollen den Sieg!“ aus für mich bis eben noch heiterem Flutlicht-Himmel der Ausgleich fällt. Es dauert einen Moment, dann jubelt der Gästeblock. Schweigend nehme ich Götz die 0 aus dem „Gäste“-Rahmen zu unserer Linken ab und reiche ihm die 1 vom an der Wand lehnenden Stapel. So ein Mist aber auch.

 

 

Und schon wieder sind die Ostwestfalen vor unserem Tor, dem „Eisern Union!“ folgt das „Kämpfen und Siegen“ aufm Fuße. Freistoß Bielefeld, organisierte Pfiffe, dann das hier fällige „Hier regiert der FCU!“ Zwischendrin höre ich den von hier weit entfernten Gästeblock den Namen seines Vereins rufen. Schon wieder bekommen sie einen Freistoß aus verwertbarer Position – Riesenchance, die denkbar knapp daneben geht!

Ein heißer Tanz

Unentwegt greifen sie nun an, übernehmen sie das Zepter? Jetzt haben auch wir mal Platz auf links, Ecke! Trimmi bringt sie flach, kurz drauf kündet ein großes Raunen von der Gefährlichkeit unseres Abschlusses. Die direkt darauffolgende Ecke geht direkt über in einen Bielefelder Konter, dem erst Freddy ein für uns gutes Ende verpasst. Immer mal wieder liegen Bielefelder am Boden, gefolgt vom Messer-Song, mitunter im Zusammenspiel mit „Steh auf, du Sau!“

Ist nicht meins, da mag ich das „Wir sind die Kranken“ zuvor und das „F-C-U-Fußballclub Union Berlin-F…!“ mit sportiv nach vor schnellendem Oberkörper deutlich mehr. Aufm Platz tobt jetzt der Kampf, den ich mir vorstellte: Weiter Ball nach vorn, irgendwie zurückerkämpft, bevor der Angriff steckenbleibt, genau wie der anschließende Versuch des Gegners. Wir bekommen das Foul nicht zugesprochen, aber die! Dann ist Pause, Durchschnaufen.

Premiere für Dmytro Bogdanov

„He FC Union, stürme hinaus!“, besingen Waldseite und Gegengerade zu Beginn von Durchgang zwei die Schönheit Köpenicks. Der Schiri pfeift gegen uns, Unsere pfeifen – spontan oder organisiert – zurück. Als der Schiri einmal nicht den liegenden Arminen belohnen mag, bringt ihn der Linienrichter dazu. „Ja wir lieben unsern Club, und wir sind stolz auf ihn!“, wirft sich Ali aus voller Kehle in den nächsten Gesang, den er wie viele vor und nach diesem nicht nur initiieren, sondern auch unterstützten wird.

Diagonalpass zum Gegner, Ball wiedergeholt und vor! Minute 63: Ein Bielefelder hält einen der Unseren fest – und kriegt den Freistoß!? „Watt!“, brüllt der von Hause aus betont ruhige Götz. Baumi wechselt bereits zum zweiten Mal doppelt, Dmytro Bogdanov erlebt seinen ersten Pflichtspieleinsatz in unserer 1. Herren. Stadionsprecher Christian sorgt mit seiner Moderation, dafür, dass wir auch dessen zwei Familiennamen standesgemäß bringen können, danke Dir!

Scheiß ASK

Unsere haben jetzt wieder einen deutlich stärkeren Zug vors gegnerische Tor. Ein starker Abschluss streicht knapp vorbei, „1. FC Union Berlin – und alle!“ Trimmi flankt vors Tor, Kopfball – der Keeper hat ihn leider sicher. „Noch 20 Minuten, lasst uns nochmal alles raushauen!“, mahnt der Vorsänger, „Kämpfen und Siegen!“ Auf Platz und Rängen Union im Vorwärtsgang. Oh bitte, macht es, irgendwie, nur macht ihn rein! Schuss – geblockt, der Nachschuss landet beim Torwart.

In Minute 80 nochmal Alis Mahnung, dann das Schließerlied. Wäre jetzt nicht meine Wahl gewesen, aber zwischen Waldseite und Kuchenstück klingt es enorm kraftvoll. Laute Pfiffe, warum? Wieder ein Bielefelder am Boden, Messer-Soong 5.0. „Unioner, wir sind zu leise!“ wird Ali noch eine Spur eindringlicher. Es folgt der Vorwärts-Song, bei dem es Götz ähnlich ergeht wie mir. Genau wie ich hat er dabei kackbraune Trainingsanzüge mit gelbem und rotem Streifen vor Augen. Scheiß Frühsport, Scheiß NVA & ASK.

Gibt’s das große Tafel-Schieben?

Apropos Sport: Die reguläre Spielzeit ist von der Uhr, Verlängerung! „Was machen wir eigentlich, wenn‘s Elfmeterschießen gibt?“, frage ich meinen langjährigen Unionprogramm-Kollegen und Anzeigehäuschen-Kapitän. „Jute Frage!“, erwidert Götz trocken, „dit hatte ick noch nie.“ Nach kurzer Überlegung brummt er: „Dann übernimmst du die Gästeseite komplett, die Union-Seite iss een bisschen tricky.“ Mit heftig schlagendem Herzen übe ich das Herausziehen der Tafel. „Mit der Rechten ruffdrücken, mit der Linken ziehen!“, verrät mir der Käpten einen Kniff.

 

 

Er selbst sieht derweil nochmal beide Tafel-Stapel durch. Sie lehnen in korrekter Reihenfolge an der Wand, kann losgehen! Das Dumme an der Sache wäre: Auf der Gäste-Seite könnten wir im gegebenen Notfall die 1 ins Fach schieben und einer von uns hält die 0 daneben – genau das funktioniert auf der Union-Seite leider nicht. Es sei denn, der Halter der 0 verfügt über die Fähigkeit, wie Hubschrauber, Colibris oder Christiano Ronaldo in der Luft zu stehen.

„Warum iss da keener?“

Aber so weit möge es bitte, bitte nicht kommen. „Auf geht’s Arminia, Kämpfen und Siegen!“ versus „Union, Union!“ beginnt Halbzeit 3. Zwei Eiserne Abschlüsse, ein Bielefelder am Boden. Ja, es ist ärgerlich, wie viele Freistöße sie möglicherweise hier dank des Schiris erfolgreich geschunden haben, aber ganz, ganz sicher war so manche echte Verletzung darunter. Gut 20 Minuten der Nachspielzeit spielten die Arminen in Unterzahl, weil sie ihr Wechselkontingent ausgereizt hatten und der Verletzte nicht weitermachen konnte.

Etliche von ihnen dürften am Ende ihrer Kräfte angelangt sein. Wie sehr uns dieser Abend in den Knochen steckt, erleben wir am Samstag – jetzt aber flehte ich in den Köpenicker Flutlicht-Himmel: „Macht es, Männer. Macht es jetzt!“ „Kämpfe Union, Kämpfe!“, dröhnt es von den Rängen. Oh, auch ein Bielefelder sieht mal Gelb! Dass dies bereits in Halbzeit 1 einmal der Fall war, hatte ich wohl nicht mitbekommen. „Warum iss da keener!“, durchfährt es uns beim nächsten Union-Angriff.

Die Befreiung

Minute 102, Bielefeld ist durch – Freddy! „FC Union Berlin, wir woll‘n dich siegen sehn, an jedem Ort, und auch zu jeder Zeit!“ – wie lange hab ich den nicht mehr gehört & mitgesungen?! Bielefeld am Boden, Ecke Union – schon ist Halbzeit 3 Geschichte. Mit furchtsamem Blick stiere ich auf „meinen“ Tafel-Stapel. Nein, nein und nochmals nein, ich möchte keine von ihnen ins Fach schieben müssen! Meinem Aberglauben folgend, stelle ich mich rüber zu Götz.

„Hand!“, brüllen wir kurz nach Wiederanpfiff. Irgendwie hatten sie unseren Schuss abgewehrt. Gestocher im Sechzehner, nächster Schuss – ebenfalls abgewehrt, bevor sich Danilho Doekhi ein Herz fasste und die Murmel dann doch endlich ins Netz drischt! Bier-Regen vernebelt die Sicht, erneut liegen wir uns in den Armen, bevor ich Götz die 1 abnehme und die 2 fürs Union-Fach reiche. Eine einzige schwungvolle Bewegung des gelernten Torwarts und Potti-Fans, und sie steckt sicher im Fach! Etliche Herzkasper später wissen wir: Die Tafeln bleiben so bestückt, wie sie sind, Union ist eine Runde weiter, Eisern heißt dit!


Werbung

Werbung