Frank Nussbücker: Union gewinnt dreckiges Union-Spiel gegen VfL Wolfsburg

Union Berlin ringt VfL Wolfsburg nieder

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

Nur drei Tage nach der Wasserschlacht zu Mainz ging es nun gegen die Mannen aus der kleinen Autostadt an der ICE-Strecke. Bei denen läuft es gerade auch nicht so rund, wie Autoräder laufen sollten, und so stand für mich die furchtsame Frage im Raum: Würden wir sie aufbauen? Ordentlich Brisanz bekam das Spiel obendrein dadurch, dass einer der Unseren zu ihnen übergelaufen war und nun, wenige Tage später, im gegnerischen Dress unseren Heiligen Rasen betreten würde.

So geht das Geschäft, aber Behre hatte sich in seinem neuen Trikot seinen Wechsel an den Haltepunkt damit begründet, dass es beim dort stationierten Verein „nochmal ein Stück weit professioneller als bei Union“ zugehe, was ihm den Zorn zahlreicher Unionerinnen und Unioner einbrachte. So sah sich Stadionsprecher Christian Arbeit gezwungen, die Vorstellung des Ex-Unioners aufgrund der zahlreichen Pfiffe zunächst einmal abzubrechen.

Gehen und Kommen

Bei seiner offiziellen Verabschiedung wenige Minuten später bekam Kevin Behrens dann doch das ihm aus meiner Sicht hier trotz alledem noch einmal zustehende „Fußballgott“ um die Ohren. Diesem folgten Pfiffe, bevor ein mächtiges „Eisern Union!“ sowie das Intro von Eisernet Lied dem Ganzen den ihm gemäßen Abschluss verpassten – aus meiner Sicht die hier bestmögliche Choreografie! Sie sprach mir aus der Seele, denn bei allem Missklang von Behres Worten haben wir ihm eine Menges zu verdanken.

Dann aber folgte die Vorstellung derer, „die auch heute das Trikot des 1. FC Union Berlin tragen!“, wie Christian unsere Mannschaftsaufstellung einleitete. Käpten Trimmel saß seine Sperre ab, genau wie Abwehrrecke Kevin Vogt und Janik Haberer, dafür zierte unsere Reservebank mit Tim Schleinitz ein Achtzehnjähriger, der seit Juli 2017 in unserem Verein ausgebildet wird. Wie sehr wünsche ich mir, dass Tim nicht den derzeit leider typischen Weg unserer Jugendspieler geht!

Zwei „falsche Fouls“ und ein Zusammenprall

Anders als in so manchem Match dieser Tage verzeichnete der Gast den ersten Abschluss. Fast 3 Minuten waren von der Uhr, als ein VW-Spieler den Ball neben das Tor setzte. Gut 2 Minuten später wehren wir den nächsten Angriff der Giftgrünen ab. Negative Begleitmusik: Zum zweiten Mal belag dabei ein Gegner unseren Sechzehner auf eine Art, die seinen Wunsch nach einem Strafstößchen zum Ausdruck brachte. Die vom Schiri stecken gelassene Schwalben-Gelbe ersetzten wir an der Mittellinie durch „Auf die Fresse!“, komplettiert durch Jockels „Keine Gewalt!“

Mitte der achten Minute griffen auch unsere mal an – schade, daneben! Weitere Höhepunkte des Spielgeschehens bildeten eine folgenlose Ecke für uns und ein heftiger Zusammenprall zweier Spieler. Aus unseren Reihen hatte es ausgerechnet András erwischt. Minutenlang lag er auf dem Boden, schließlich jedoch konnten er wie sein Gegenspieler die Partie mit einem Turban fortsetzen. Ich wünsche mir sehr, dass davon nichts weiter bleibt als Knall und Schrecken.

Des Nordlichts Zorn

Dieser heftige Zusammenprall in Minute 11 verlegte den Beginn des organisierten Supports um einige Minuten nach hinten. Erst, als beide Spieler wieder an Deck waren, wurden hüben wie drüben die Organisatoren der nationalen Eliteliga via Wechselgesang „belobigt“. „Auf geht’s Union, kämpfen und siegen!“ besangen wir den folgenden Wolfsburger Angriff, unser Keeper fing den Ball sicher im Gedränge. Nach 27 Minuten schließlich kamen von der Waldseite her die Tennisbälle zum Einsatz.

Ihr macht unsern Sport kaputt!“, sang man längst nicht nur hinterm Tor, und mein Nachbar Jürgen, das Nordlicht, ließ seinem Ärger freien Lauf: „Ich hab keine Lust drauf, dass das Pokalfinale zukünftig in Saudi-Arabien oder China stattfindet, dass die ganze Woche über Spiele angesetzt werden, zu Zeiten, an denen ein normaler Fan niemals dabei sein kann, auswärts schon mal gar nicht! Und das alles nur, weil irgendwelche Krösusse für viel Geld viel Fernsehen zur ihnen gemäßen Sendezeit haben wollen!“

 

 

Ein Streik wie jeder andere

Ich bedankte mich bei Jürgen für dieses Einnorden, wobei ich ihm mehrfach versichern musste, dass ich das tatsächlich ernst meine. Natürlich nervt dieser Protest mittlerweile, aber muss er nicht genau das?! Nicht ohne Grund ließen die Bauern ihre Trecker nicht nur mal schnell um den Hof fahren, streikten die Lokführer nicht 5 Minuten mitten in der Nacht. So heftig diese Vergleiche hinken mögen, steckt dahinter doch der einende Gedanke, dass man durchaus anecken muss, um eventuell vielleicht doch gehört zu werden.

Wichtig erscheint mir, dass dabei niemand verletzt wurde oder sonst wie zu Schaden kam. „Tennisbälle sind kein Verbrechen!“, erst recht nicht bei Temperaturen, die so gar nicht zum Arsch-abfrieren einluden. Wir standen derweil in der noch immer prallen Nachmittagssonne, und mein Nachbar zur Linken steckte mir: „Könnte mir gut vorstellen, dass die heute ein Exempel statuieren, … natürlich bei Union!“ Dem Wiederanpfiff folgten weitere kleine gelbe Bälle wie der Gang in die Kabinen.

Kein Ort für das Exempel

Christians Hinweise, keine Gegenstände aufs Spielfeld zu werfen, waren recht spät gekommen, dazu weit weniger emphatisch als vorhin bei Behres Verabschiedung. So mancher meint, er habe hier unglücklich agiert – für mich agierte er als Fußballfan mit Herz im Rahmen seiner ihm durch seine Funktion gesetzten Grenzen. Und wäre das Spiel tatsächlich abgebrochen worden, hätte ich die Schuldigen weder am Mikrofon noch auf der Waldseite gesucht.

Dem Schiedsrichter danke ich von Herzen, dass er alles dransetzte, dieses Spiel auf sportlichem Weg zu Ende zu bringen – auch, als nach kurzer Erwärmung und Wiederanpfiff alsbald auch ein paar Bälle aus dem Gästeblock den Weg auf den Heiligen Rasen fanden. Klar lacht so mancher darüber, dass sich Anhänger des VfL Wolfsburg gegen Investoren aussprechen, aber sie sind ebenfalls Fußballfans, die ihre Mannschaft auch auswärts unterstützen und dies auch weiterhin so halten wollen!

„Die Biere fliegen weit!“

Fußball, Fußball!“, brachten wir schließlich zum Ausdruck, warum wir hier standen, statt vorm Fernseher zu sitzen. „Die Botschaft ist deutlich angekommen!“, vermeldete der Stadionsprecher, und dass der Schiri das Spiel schließlich erneut wieder-anpfiff, rechne ich diesem durchweg positiv an. „Wir lieben Union, jawoll!“, wandten wir uns dem finalen Grund unseres Hierseins zu. Wolfsburg zunächst im Vorwärtsgang, doch dann ging es plötzlich andersherum.

Unsere griffen an, doch der überaus kämpferische Hollerbach verzog seinen Abschluss ein wenig. Kurz darauf eine Ecke. Vollands Standard findet im heftigen Gedränge Doekhis Kopf, welcher das Spielgerät tatsächlich in die Maschen haut! Biere fliegen, wir sind außer uns, alles Schlechte auf dieser Welt ist wunderbare Sekunden lang weit, weit weg, Eisern Union! Und noch immer haben sie anscheinend nicht genug, doch so leicht wollte es uns Fußballgott das Ganze denn doch nicht machen. Vielleicht mag er auch kein Tennis.

Drei Punkte und jut!

Die gesamte zweite Halbzeit erlebte ich als aufopferungsvollen Kampf „Not gegen Elend“ Meine Liebe zu Union macht, dass ich hier vor allem unserer vielbeinigen Abwehr huldige, unserem wieder einmal überragenden Keeper aus vollem Herzen danke und am Ende überglücklich unseren nunmehr vierten Heimsieg in Folge feierte. Das tue ich noch immer und schließe mich Freund Christoph an: „1:0 gegen Wolfsburg: Ganz großes Tennis!

Wobei ich weit von seinem Optimismus entfernt bin: „Sollten wir in Sinsheim gewinnen, wage ich die Behauptung: wir KÖNNEN noch 7. werden. Du siehst, die 3 Punkte sind mir gleich zu Kopf gestiegen.“ Zu deutlich steht mir unsere Heimpleite gegen die SAP-Kicker vor Augen, ebenso unsere anhaltend sparsame Offensive – und doch bin ich stolz auf diese 3 Punkte trotz all der Gesperrten und überhaupt: Bis vor kurzem hätten wir ein derart dreckiges Spiel wohl verloren, Eisern heißt dit!


Werbung