Frank Nussbücker: Über den Kampf zum Sieg - Union Berlin feiert spät gegen Gladbach

Knapper Union-Sieg über Gladbach

Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)

Klar lagen uns die Fohlen schon immer ganz gut, aber dieses Mal hatte unsere Mannschaft im Gegensatz zum Gegner ein schweres Europa League-Spiel in den Knochen. In der Vorberichterstattung erzählten sie, Borussia Mönchengladbach habe nur eine Chance auf Punkte gegen uns, wenn bei ihnen heute alles besonders gut laufen würde. Hatten sie das dem Urs abgelauscht und einfach falsch herum verstanden?

Die Stimmung im Stadion war grandios. Vor Anpfiff wurden Andi Luthe und Marvin Friedrich offiziell verabschiedet, letzterer als heutiger Gegner. Dass er dennoch Applaus und natürlich seinen Zweit-Familiennamen Fußballgott auf die Ohren bekam, ist für uns normal, an vielen anderen Orten undenkbar. Genug vorgeplänkelt, ab ins Spiel: Unsere sofort im Vorwärtsgang! Langer Ball auf Becker, der immerhin einen Einwurf rausholt. Und schon sind wir im gegnerischen Strafraum, aber der Torwart hat ihn.

Eiserne Anfangsattacke

Union bleibt offensiv, während Gladbach erstmal abwartet. Zumindest aufm Rasen, der Gästeblock ist auffallend laut, oder stehen die Aufnahme-Mikros heute anders? 6. Minute, unsere im Strafraum über Ryerson. Jordy kommt nicht ran, aber Haberer pflückt mit der Brust den Ball runter, zieht ab – abgeblockt zur Ecke! Die tritt Puchacz, der heute sein Bundesliga-Debüt gibt, während der Käpten erst mal auf der Bank sitzt. Wieder kommt der Ball auf Haberer, der zieht ab, genau in die Arme des Tormanns.

„Eisern!“ „Union!“ brandet es zwischen Waldseite und Gegengerade und wird immer lauter! Die Fohlen wagen sich nun auch mal in die Richtung unseres Strafraums, dann wieder Union. Haberer auf Puchacz, doch der rutscht weg. Zur zweiten Union-Ecke widerstreitende Gesänge aus Gäste- und Heimblöcken. Die Ecke kommt kurz und so lala, Gladbach versucht gleich mal einen Konter, doch Becker arbeitet nach hinten, erobert das Spielgerät.

Erster kurzer Torschrei!

Auf den Rängen bleibt es laut: „Fußballclub Union Berlin, mein Lebenselixier“ gegen „Mönchengladbach-Olé!“ und etwas, das nach „VfL“ klingt. Konter Gladbach, per Foul gestoppt. Freistoß aus guter Position. Der Schütze machts direkt wie knallhart, doch Frederik machts noch besser: Mit rechts greift er über, faustete das Ding übers Eck, dass es für Tormann-Sohn Torsten Schlüter eine Freude gewesen sein dürfte. Die anschließende Ecke pflückt er sicher aus der Luft.

Die Borussen zeigen sich nun offensiver. Wieder ein Konter, Knoche klärt zur Ecke. Die landet in des in Frederik Rønnows Armen. Wieder unsere: Ryerson über rechts, abgewehrt, der Ball kommt zu Kapitän Khedira. Dessen harmlos anmutender Distanzschuss geht mitten hinein ins gegnerische Tor! In den Jubel hinein wird klar, der Ball war abgefälscht, von Sherry, mit dem Unterarm. Der war angelegt wie vorhin der Gladbacher Oberarm als Block von Haberers Schuss und Becker drehte sich zudem aus der Schussbahn. Dennoch heißt es: VAR arbeitet.

Zwischen Freude und Leid

Er arbeitet gegen uns, es bleibt beim 0:0. Was für ein Szenario! Langer gegnerischer Ball in die Spitze, Rechtsverteidiger Puchacz klärt zur Ecke. Die kommt vors Tor, mehrere Unioner springen am Spielgerät vorbei, dass der bereitstehende gegnerische Verteidiger nur noch wuchtig einnicken muss. Mist, wir liegen hinten! Der Torschütze bekommt freudetrunkene Arschtritte eines Mitspielers. Und schon wieder stürmen sie vor. Über rechts tankt sich Marcus Thuram vors Tor, überwindet Knoche, überlupft unseren Tormann mit der Hacke und köpft formvollendet – aufs Tornetz!

 

 

Unsere versuchen es, aber Gladbach steht nun hinten sicher. Mit dem Rückstand gehen wir in die Pause. „1. FC Union Berlin – und alle!“ versus „Mönchengladbach olé!“ geht es weiter. Unsere wieder im Vorwärtsgang, doch wieder und wieder kommen die Bälle nicht an. Nun aber mal der 2. Ball, von rechts – schade! Urs wechselt dreifach, bereits in Minute 59. Trimmi, Michel und Genki für Puchacz, Jordy und Schäfer. Der nun-wieder-Käpten gleich mal auf Haberer – schade!

Zufällig wirkende Angriffe

Gladbach greift an, sie wollen einen Freistoß und die Gelbe für Robin, nix da! Unsere Angriffe sehen zumeist zufällig aus, und schon holt sich Sven Michel Gelb ab. Der Gegner lässt hinten nichts zu. Als wir dann doch mal gefährlich in deren Strafraum agieren, ist längst die Fahne des Linienrichters oben. Sie klären auf der Linie. Ein Tor wäre unser zweiter Treffer dieses Tages gewesen, der nicht gezählt hätte. Aber geht da nun vielleicht doch noch was?

„On Köpenick, Du bist wunderschön!“, kommt von den Rängen kraftvoll unser nächster Gesang, ausdauernd und aus vollen Kehlen. Oh bitte, Männer, versucht nochmal alles! Behrens und Leweling kommen für Becker und Haberer. Damit sind alle Wechsel getätigt und noch 16 Minuten auf der Uhr. Leweling dringt gleich mal über links, zumindest versuchte er es! Dann ist Michel durch, doch er verstolpert. „He FC Union, stürme hinaus“, das nimmt Sven wörtlich, behauptet den 2. Ball, schade!

Ein Kopftreffer, anderthalb Tore

Unsere bleiben am Drücker. Leithe schickt eine lange Flanke diagonal vors rechte Toreck, Hulk Behrens und der Gladbacher Tormann springen hoch. Der Schlussmann verpasst unserem Angreifer einen knackigen Kopftreffer, doch der hatte zuvor seinen Schädel regelkonform ins Spiel gebracht und den Ball in die verdammten Maschen gewuchtet. Gelb für den Tormann, ein fettes Veilchen für unseren Stürmer, vor allem aber der unbändige Jubel aller Unioner im Stadion wie anderswo. Jaaaaaa, wir sind zurück, nun endlich darf Götz auf seiner Seite des Anzeigehäuschens tätig werden! „Oh. Köpenick, du bist wunderschön!“

 

 

Und sie machen weiter, wieder der Michel! Sein Schuss geht vorbei, aber er versuchte es! Behrens schickt einen langen Ball, der kommt an – Ecke! Trimmi bringt sie auf Behrens, der Ball geht drüber. Unsere attackieren unermüdlich weiter, während Gladbach nun mächtig viel Zeit beim Einwechseln wie überhaupt ab. Welche Mannschaft hatte vor 3 Tagen das letzte Spiel!? „Eisern!“ „Union!“ Ryerson flankt von rechts vors Tor, wo sich Käpten Trimmel durchsetzt, den Ball in die Maschen köpft, unser Wohnzimmer erbeben lässt.

Remis bis zur letzten Sekunde

Ist das irre, Unsere drehten das Spiel und Götz wechselt hochgradig motiviert die Tafel auf seiner Seite unseres Anzeigehäuschens aus. Und wieder schaltet sich der elendige Kölner Sport-Kaputtmacher-Keller ein. Tatsächlich stand Trimmi im Augenblick der Flanke mit einem Bein im Abseits und hoffte ich, dass das doch bitte niemand weiter gesehen haben möge. Götz´ Miene spricht Bände, während er die 2 wieder durch die 1 ersetzt. Er zögert mehrfach, hofft er wie ich, dass das alles bitte bitte nicht wahr ist?

Zwei Tore, die nach heftigem Jubel als nichtexistent anzusehen sind, das muss doch frustrieren, oder? Ann es einem den Mut nehmen? Annes bestimmt, aber nicht dieser Union-Mannschaft. Sie rennen weiter an, bis zur 90. Und dann auch noch die 6 Minuten der Nachspielzeit. Den Punkt immerhin haben wir, aber die Jungs wollen mehr! Die 6 Minuten sind längst herum, als sie noch einmal eine Ecke rausholen. Trimmi geht zum Punkt, wie einst in Karl-Marx-Stadt die letzte Aktion des Spiels …

Fast wie dereinst auf der Fischerwiese zu. Karl-Marx-Stadt!

Er spielt sie kurz mit Leweling, der flankt in den Sechzehner, direkt vors Gehäuse, wo Danilo Doekhi hochspringt und das wahr macht, was sich unsere Mannschaft in diesem Spiel und ganz besonders heftig in dieser irren Schluss-Viertelstunde erarbeitet hat. Götz ist es eine Freude, noch einmal zu arbeiten und endlich die Sieg-verkündende 2 in sein Anzeige-Fach zu schieben. Das Stadion feiert mit unseren Helden, Gesang folgt auf Gesang, ein weiteres allzeit unvergessenes Spiel, dass wir dank eisernem Willen in allerletzter Sekunde dann doch noch für uns entschieden.

Dem für mich allzeit ironischen „Deutscher Meister wird nur der FCU“ folgte, zusammen mit der Mannschaft vorbereitet wie gesungen, unser Bundesliga-Song. Auch ich in Mecklenburg ließ meine Arme wippen zu jenen Zeilen, deren letzte lautet: „Mit uns an Deiner Seite wirst Du niemals untergehn!“ Heute zeigte unsere Mannschaft, dass es sich lohnt, bis mindestens zur allerletzten Sekunde hellwach zu sein, an sich zu glauben und alles zu versuchen. Fassungslos, stolz – Eisern heißt dit!


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