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Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)
Was haben wir in den letzten Jahren mit unserem 1. FC Wundervoll für eine Reise erleben dürfen? Sowohl national als auch international erklungen unsere Lieder, tauchte unser Reisekader an Plätzen auf, die wir sonst nur aus dem Fernsehen oder von der PlayStation kannten und man sorgte für Erstaunen in ganz Europa. Diese Reise nahm ihren Höhepunkt mit der erstmaligen Teilnahme an der Champions League.
Das Nonplusultra im europäischen Vereinsfußball und der „kleine“ 1. FC Union Berlin aus Köpenick fand sich mittendrin wieder. Hätte uns das jemand vor ein paar Jahren vorausgesagt, den hätten wir in die Geschlossene einweisen lassen. Dass es so kam, hätte sich doch keiner ernsthaft ausmalen können. Es war, nein es ist noch immer der absolute Wahnsinn, was wir erleben durften.
Dass wir nun ausgeschieden sind, ist kein Beinbruch, denn erinnert Euch gerne zurück als die Auslosung stattfand und Real Madrid, SSC Neapel und unser alter Bekannter aus der Europa League Sporting Braga aus dem Lostopf gezogen wurden. REAL MADRID – Gänsehaut, richtig? Napoli, wo Maradona noch immer verehrt wird, wo das Stadion seinen Namen mittlerweile trägt – genau dort sollten unsere Fußballgötter auf den Spuren der argentinischen Legende wandeln.
Und wie sie wandelten, ebenso im altehrwürdigen Estadio Santiago Bernabéu, wo man erst in der 90. +4 den vermaledeiten Gegentreffer kassierte, der zur unglücklichen 0:1-Niederlage führte. Gegen Real Madrid kannste verlieren. An einem sehr guten Sahnetag kannste dort auch gewinnen, wie wir festgestellt haben. Es kam anders, aber was soll es? Tut uns doch nicht weh. Viel trauriger ist es, dass die Szene bei diesem Spiel zu großen Teilen nicht im Stadion war, um ein Stück Vereinsgeschichte mitzuerleben.
Nun ja, was soll ich sagen? Man hat sich teuer verkauft, war hier und da etwas naiv und blauäugig, aber ist das verwunderlich? Es war unsere erste Saison in der Königsklasse, seitdem es unseren Verein gibt. Wie sagte mein lieber Roland Krispin doch gleich sehr treffend? Ach ja, „Das war mit Abstand unsere beste CL-Saison“ und mit seinem Humor trifft er den Nagel auf dem Kopf. Wir hätten auch alle Spiele in der Gruppenphase verlieren können und trotzdem würden wir von dieser unglaublichen europäischen Reise, dessen Fundament Urs Fischer mit Oliver Ruhnert legten, unseren Enkeln noch in 100 Jahren erzählen.
Was haben uns die „Experten“ an die Wand genagelt, als wir uns für die „Schampusliga“, wie mein Freund Nussi immer zu sagen pflegt, qualifiziert haben. „Union wird punkt- und torlos ausscheiden“, „Sie werden Klatsche um Klatsche erleben“, „Schande für Deutschland“ und und und… Eine Klatsche konnten wir nicht erleben. Gut, zwei Pünktchen konnten wir uns sichern und ein paar Tore durften wir auch bejubeln.
Aber Klatschen? Nee nee, das war alles sehr knapp und teils auf Augenhöhe. Keiner hat gegen Napoli oder gegen Real Madrid ein Offensivfeuerwerk erwartet. Schon gar nicht in einer Phase, die uns 16 Sieglosspiele bescherte. Jedoch konnten wir Paroli bieten. Zwei Treffer gegen die Königlichen aus Madrid – im Ernst Freunde, hätte man damit gerechnet, mit einer Führung in die Pause zu gehen? In unseren kühnsten Träumen vielleicht, aber lässt man mal die Vereinsbrille weg und ist ehrlich zu sich selbst, dann hätte man nicht unbedingt mit einer Führung rechnen können. Und dennoch ist es passiert.
Stolz kann man sein, nicht nur auf die Leistungen, die in allen 6 Gruppenspielen erbracht wurde, sondern wir können auch auf uns stolz sein. Damit meine ich dich, dich und du da hinten in der letzten Reihe, der verspätet zum Anpfiff kam, weil du keinen Parkplatz fandest, dein Kind noch von der Kita holen musstest oder einfach nicht pünktlich von der Arbeit wegkamst und es dennoch in die städtische Schüssel geschafft hast.
Habt Ihr auch noch die hämischen Sätze einiger anderer im Ohr? „Über 73.00 Plätze, da wird der Heimbereich aber nicht ausverkauft sein. Höchstens gegen Real Madrid“, die bekommen die Hütte nicht voll“, „So wirklich Stimmung bei wahrscheinlich vielen Eventis wird es auch nicht geben“ – man hat sie Lügen gestraft. Der Heimbereich der Schüssel war stets ausverkauft. Die Stimmung? Mittlerweile haben wir den Beweis erbracht, dass eine grandiose Stimmung auch in diesem weiten Rund möglich ist, wenn man denn nur möchte.
Ich glaube, auch wenn der eine oder andere traurig darüber ist, dass Union Berlin nun auch nicht in der Europa League überwintern wird, so dürfte nach und nach das Gefühl der Traurigkeit weichen und grenzenloser Stolz wird überwiegen. Erzählt das mal Euren Enkeln in ein paar Jahren, die diesen Wahnsinn nicht erleben konnten, weil sie zu klein oder noch nicht geboren wurden. Zeigt ihnen Eure Videos, Bilder und Zeitungsberichte – ich wette, sie werden mächtig Erpelpelle erleben.
Wir werden in ein paar Jahren noch über diese für uns einzigartige Reise, von dieser Entwicklung schwärmen und uns hoffentlich immer wieder darüber im Klaren sein, wie es war, als man in Falkensee etc. auftrumpfte, ehe Jahre später der ganz große Wurf gelang. Der Verein selbst kann stolz auf das Erreichte sein. Nun gilt es, den Blick erneut nach vorne zu richten, denn nachdem wir nicht mehr in Europa vertreten sind, gehört jeglicher Fokus auf das Unternehmen Klassenerhalt.
Ein erster wichtiger Schritt wurde gegen Borussia Mönchengladbach getan. 3:1 lautete bekanntlich das Ergebnis, welches bei vielen dazu führte, dass man das Plumpsen der Gebirgsformationen von den Schultern zahlreicher Unioner durch die Republik förmlich hören konnte. Gegen den VfL Bochum gilt es, am Samstag nachzulegen, ehe es gegen den 1. FC Köln weitergeht.
Unsere Reise endete zwar im europäischen Wettbewerb, geht aber genau hier in unseren Gefilden rund um die Wuhle weiter. Bundesliga-Alltag und auch in diesem Punkt lassen sich Geschichten wiedergeben, an die viele von uns vor ein paar Jahren nicht zu träumen gewagt hatten. Unsere Alte Försterei hat uns nach dem Ausflug ins Olympiastadion wieder und es wird Zeit, dass sie wieder zu einer Festung wird, die von den Gegnern am liebsten gemieden wird.
Uns allen dürfte klar sein, dass die Tour de Europe für uns erstmal ein Ende hat und diese auch nicht so schnell wiederholt wird. Wunder geschehen, daher will ich das gar nicht für die kommende Saison gänzlich ausschließen, dass wir erneut dabei sein werden. Dazu gehören jedoch ein wenig Glück, gute Ergebnisse und eine Rückrunde, die es in sich hat, dazu.
Für uns alle gehören die Erlebnisse aus den letzten Jahren zu den Besonderheiten, die wir mit unserem Verein erleben durften. Wir sollten sie stets in guter Erinnerung behalten, gerne in schlechten Zeiten davon zehren und uns auf unsere Tugenden besinnen. Mut, Leidenschaft, Kampf und Wille – Gras fressen, bis wir kotzen müssen.
In diesem Sinne bin ich sehr davon überzeugt, dass unser Weg, uns weiterhin in der Bundesliga zu etablieren, noch nicht zu Ende ist. Es werden wieder außergewöhnliche und besondere Momente auf uns zukommen, von denen wir heute sagen: „Das passiert niemals“ – hatten wir auch über die Conference League, der Europa League und erst recht über die Teilnahme in der Champions League behauptet. Und wir wurden eines Besseren belehrt. Lasst uns demütig bleiben und für den Erfolg hart kämpfen. Wir auf den Rängen – unsere Fußballgötter auf dem Rasen und niemals mehr auf Asche.
Wer: Christopher Busse (35)
Wann:16.11.2024