Frank Nussbücker: Union Berlin erkämpft sich Punkt gegen Mainz 05

Frank Nussnücker berichtet über das Spiel Union Berlin - Mainz 05

Bildquelle: Frank Nussbücker [], (Bild bearbeitet)

Wieder mal Spieltag, auch noch An der Alten Försterei! Und wieder dieses lähmende Gefühl: Wir müssen aus der Ferne die Daumen drücken oder was auch immer tun, um unsere Energie in den Rücken unserer Mannschaft zu schicken. Ich versuche gerade noch, etwas zu arbeiten, was nichts mit diesem vermaledeiten Spieltag zu tun hat, da klingelt mein Telefon. Es ist Olafsohn, der Eiserne Truck-Fahrer:

„Nussi, falls Du zu Hause bist, kiek mal aus‘m Fenster.“ Ich blicke raus, auf der Straße steht der Union-Barkas. Olafsohn steht neben dem Oldtimer, winkt mit einem Unionprogramm. „Ich wollte dir nur dein Belegexemplar vorbeibringen.“ So schnell wie ich kann, eile ich vors Haus zur Heftübergabe. Stickerbauer Schnacko ist ebenfalls runtergekommen, reicht Olafsohn einen Stapel Bierdeckel: „Hier, du fährst doch zum Schiffs-Ableger.“

Mein Bier, mein Barkas, mein Schiff!

Die Deckel werben für Schnackos Bier namens „Eisern Unioner“ – und stimmt, Eddylines Viktoria fährt heute ja auch erstmalig wieder. Olafsohn schüttelt den Kopf. „Zur Viktoria fahre ich nicht, aber ich treffe unterwegs meinen Vater, der kann sie mit aufs Schiff nehmen.“ Korrekte Umarmung mit Ellenbogen – und der Barkas tuckert weiter. „Eisern Union!“, rufe ich ihm hinterher. Immer, wenn das alte Unionfahrzeug durch meine Straße röhrt, fühle ich mich hier fast so zu Hause wie früher, als diese Gegend noch kein Nobelviertel war.

Und bei allem Mist bin ich glücklich, dass wir selbst jetzt, angesichts des zwangsweise geräumten Wohnzimmers, ein Unionprogramm haben! Dass gerade jetzt wieder Unioner gemeinsam gen Köpenick fahren, auf der Viktoria, die unseren Verein schon in ganz anderen Zeiten begleitete. Ein Hoch auf Käpten Eddy, der Union sponserte, als dies kaum einer tun wollte. Ein Hoch auf Kapitän Simone, die mit ihrer Crew sein Werk weiterführt. Und ein Hoch auf den Taz-Unioner Olaf, der die Fahrten organisiert.

Ein Schlag in die Fresse

Spätestens jetzt bin auch ich völlig im Union-Modus. Ich beschließe, die Einladung meines Freunds Robert anzunehmen, das Spiel bei ihm zu gucken. Während des Spiels bei Unionern sein! Das treibt mich an, weit mehr als die Aussicht auf bewegte Fernsehbilder aus dem leeren Wohnzimmer. Ich jogge zu ihm rüber nach Pankow, Kampf dem Corona-Bauch. Kämpfen und Siegen!

Es nervt, nun auch beim Heimspiel zwischen all der Werbung das meist fremd-dominierte Studio-Gequake zu hören. Spielt hier die Bundesrepublik Deutschland gegen Union? Das Spiel tröpfelt dahin. Das liegt nicht an den Spielern, wohl eher an meiner Wahrnehmung. Bei dieser Art „Fußball pur“ verliere ich ständig den Faden. Spieltag für Spieltag ein Schlag in die Fresse der von den Traversen Verwiesenen. Wäre da nicht die Liebe zu meinem Verein …

Ein befreiender Schrei

Und schon wieder dieses beklemmende Gefühl, hinten zu liegen. Aus dem Nichts die Führung der Gäste, die vom Kommentator schon fast zum verdienten Matchwinner erklärt werden. … Shit, fast ‘ne halbe Stunde von der Uhr, und Union war noch nicht wirklich gefährlich. Jetzt immerhin ein paar Ecken. Doppelte Werbebande an den Seiten, spart Balljungs und flackert gleich doppelt so „schön“. Dazu ploppen ständig Werbe-Bilder und Filmchen auf. Produktinformationen, Agit-Prop der Marktwirtschaft.

 

 

„Jaaaaaaa!“, schreien wir auf, dabei vom Sofa springend. Hammer-Freistoß ins linke Eck trifft auf Unsicherheit des Keepers – wie befreiend ist dieses erste Union-Tor in der gefühlt neuen Sportart Corona-Fußball. Piep-egal, ob am Ende zwei Schiri-Fehlentscheidungen zu diesen beiden Treffern führten. Wir sind zurück, endlich hat sich unsere Mannschaft für ihren Kampf belohnt. Eisern Union!

Das Schicksal grätscht dazwischen

Na klar, kaum läuft’s mal bei uns, schon grätscht das Schicksal dazwischen. Robert Andrich fliegt vom Platz. Zwei Fouls, von denen durch meine Brille betrachtet höchstens eins kartenpflichtig war. Sei’s drum, Union zu zehnt, mehr als eine Halbzeit lang. Zum wievielten Mal in dieser Saison, zum wievielten Mal, seit ich wieder ins Stadion gehe? Sch… egal, müssen wir durch. Einen Moment lang fühle ich mich fast so, als stünde ich im Block neben den Steinis, neben Rolf, Lisa, Helmut, Konzi und ihrem Liebsten, Hannes, Dana und Jo …

„Gewinnen vor dem Abpfiff!“, holt mich die Werbung für irgendeine globale Wetten-Bude in den Fernseh-Fußball Marke Corona zurück. Irgendeine Plörrebier-Marke offeriert mir die „Firmenname-Megachance“, meine paar Kröten in ihr verkacktes Unternehmen zu stecken. Düsseldorf führt derweil und Mainz ist durch – zum Glück übers Tor. Ich will zurück ins Stadion, verdammt! Und wir hatten sie, genau wie dereinst Sandhausen, als Polti kurz vor Ende der ersten Halbzeit vom Platz flog!

Kämpfen und siegen für unsere Wirte!

86 Minuten und 40 Sekunden gespielt: Riesenchance Union, DAS wäre es gewesen! Ecke Mainz – nüscht. So ein Mist, im Gegensatz zum Reporter sehe ich unsere als die bessere Mannschaft. Keine Ahnung, ob dem so ist. Freistoß Union – der Keeper wieder unsicher, muss nachfassen, aber dieses Mal hat er ihn. „Dieses Remis ist nicht nur ermauert“, faselt die Fernsehstimme. Hallo? Dieses Remis ist erkämpft, nichts anderes. Da war mehr drin, Fernseher aus, reicht für heute.

An Positivem nehme ich mit, dass ich endlich mal wieder meinen Freund Robert sah, dass unsere Mannschaft kämpfte und tatsächlich fast siegte. Dass wir auch jetzt ein Stadionheft haben und dass Unioner das Spiel auf unserer Viktoria verfolgen. Kapitänin Simone kämpft, genau wie Mone und Mirko vom Coe, Petra und Ingo vom Bootshaus Sportdenkmal, Jo vom NEMO und viele, viele andere Eiserne Wirtinnen und Wirte ums Überleben. Unterstützen wir sie, helfen wir uns! Alles andere ist nur Corona-Fußball im Fernsehen. Gegen Köln bin ich auch auf dem Wasser, Eisern Union!


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