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Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)
Jawollja! Endlich! Nun aber ran! So lauteten meine ersten Gedanken, als ich das Bielefeld-Spiel in unserem Wohnzimmer auf mich zukommen sah. Nach dem glorios bitteren Europapo-Lehrgang in Prag, nach diesem Bundesliga-Riesen, der finanziell etliche Ligen über uns spielt endlich mal wieder ein alter Bekannter auf Augenhöhe! Wobei letzteres die Sache keinen Fatz einfacher macht! Schon gegen Augsburg sahen wir, wie schwer wir uns tun, müssen wir selbst das Spiel machen.
Genau wie beim FCA verbinden mich auch mit den wackeren Ostwestfalen viele Erinnerungen, die weit über jeden Fußballrasen hinausgehen. Weil ich dereinst beim Joggen im Stadion vor meiner Haustür einen freundlichen Arminen kennenlernte, kam ich Jahre später zu einer Kampflesung gegen zwei Bielefeld-Autoren: auswärts daheim im Tante Käthe, Treffpunkt der Arminia-Fans Berlin. Dabei lernten die Sporti lieben – und wir erhielten eine Lektion in Bielefelder Humor.
„Ostwestfalen – nur Idioten, Scheiß Arminia Bielefeld!“, sang schon so mancher üble Schmäher, um kurz darauf zu stutzen: „Hä, das singen die ja mit!?“ Stimmt, längst haben die schlauen Arminen das Ding zu ihrem eigenen Song gemacht. Kurz und gut: Stimme dieses Lied am besten nur an, wenn du es mit ihnen zusammen intonieren möchtest. Ein weiteres Lied lernte ich an jenem Abend kennen, welches ich im Stadion niemals hören will, wenn wir Gegner der Schwarz-Weiß-Blauen sind:
„Arminia, Arminia, wie schön sind deine Tore!“, lautet sein Refrain. Da höre ich doch zig Mal lieber Christian Arbeit rufen: „Tor – für den 1. FC Union Berlin!“ Das rief Christian beim letzten Heimspiel gegen die Arminia nicht, obwohl unsere Fußballgötter 5:0 gewannen. Niemand von uns stand auf den Traversen, niemand hätte unserem Stadionsprecher antworten können. Anders als jetzt, da unsere Mannschaften das nächste Mal Stadion An der Alten Försterei aufeinandertrafen.
Vor Anpfiff verband uns so manches, und zwar auf Rängen wie Rasen. Seit über einem Jahrzehnt erlebe ich gegen unseren langjährigen Ligakollegen ehrlichen Support ohne fußballterroristische Sperenzien, dazu erdigen Kampf fernab abgehobener Starallüren. Ich gebe zu, hier ging grad mal wieder der Hobby-Romantiker mit mir durch. Weit unromantischer für uns als Gegner die Tatsache, dass die Bielefelder es wie wir gewohnt sind, auch nach härtesten Niederschlägen wieder aufzuerstehen.
Auch das gilt für Fans und Mannschaft des DSC. Unvergessen dieser Fight mit offenen Visieren, der nach mehrmaligem Hin und Her mit einem grandiosen 4:4 endete. Die meisten anderen Remis gegen Arminia waren weitaus weniger packend, dafür ebenso hart erfochten. So auch im letzten Aufeinandertreffen, einem quälenden 0:0 in der Schüco-Arena. Nun also das Sechspunktespiel An der Alten Försterei, bei dem Fußball-Philosoph Urs Fischer ein Geduldsspiel voraussah.
„Auf geht’s Union, kämpfen und siegen!“ legten wir los. Kurz drauf brachten wir bei „Wir lieben Union, jawoll!“ mehrere Durchläufe, bis klar war, wann jetzt Waldseite und wann wir von der Gegengerade dran sind. Egal, Hauptsache Feuer! Nach dreieinhalb Minuten, mitten in „Und wir lieben unsern Club, und wir sind stolz auf ihn“, geht der Ball zum ersten Mal Richtung Bielefelder Tor.
Die Arminen stehen tief, lassen unsere rankommen. Abseits!? Nie im Leben, oder? Noch nehmen wir es locker: „Erst da steigen wir auf, dann Pokal – International!“ In der 9. Die erste echte Eiserne Torchance – neben den Kasten, „Eisern Union!“ Wir müssen es nehmen, wie es ist. Ohne Vorsänger & Co funktionieren eben am besten kurze Gesänge wie „He FC Union, olé-olé FC Union!“ Unsere Mannschaft hingegen muss irgendwie dieses defensive Bollwerk knacken!
Käpten Trimmel über rechts, er läuft und läuft, behauptet den Ball, passt in den Sechzehner – „Eisern Union!“ kommentieren wir den versuchten Abschluss. Es dauert über 13 Minuten, bis der Schiri das erste Foul pfeift. Freistoß Arminia, Luthe pflückt den Ball aus der Luft. „Oh Köpenick, du bist wunderschön!“ Union schon wieder durch, Pass vors Tor, leider bekommt keiner seinen Fuß an das Spielgerät. Aus dem Gästeblock höre ich immer mal ein „Bielefeld“, und auch ihre Spieler kommen vor unser Tor – Befreiungsschlag Union!
Unsere wieder über rechts, hinein in den Sechzehner, Kopfball in die Arme des Keepers. „Wir sind Unioner, wir sind die Kranken!“ Jetzt Bielefeld durch – der Schuss streicht knapp an unserem Gehäuse vorbei. Wir greifen wieder an, Taiwo über rechts, Ecke – leider folgenlos. Anders jener Eiserne Angriff einige Minuten später, nach dem Schocksekunden zu Minuten werden. Timo Baumgartl liegt nach einem Zusammenstoß mit einem Bielefelder Schädel offenbar bewusstlos am Boden. Endlich kommen sie mit der Trage angerannt. Unter „Timo-Timo“-Rufen tragen sie den noch immer Regungslosen vom Platz.
Wieder ein paar Minuten später: Kopfball Union, wieder passgenau in die Arme des Torwarts. Freistoß Union, von meinem Nachbarn kommentiert: „Ach, fängste doch mal an zu pfeifen, du Pfeife?!“ Es wird immer mehr das zu erwartende Sch…spiel. Können wir hier jemals ein Tor schießen? Das Mantra erklingt, Ecke Union – „Hinein, hinein!“ Leider nein. Union stört früh Bielefelder Aufbau-Versuche, aber die lassen leider ebenfalls partout keinen Ball durch. So bleibt es bis zum Pausenpfiff.
Und es sollte mit Wiederanpfiff keinesfalls besser werden. In keinerlei Hinsicht: Ecke Union, zwei Bielefelder liegen in ihrem Strafraum, also Freistoß. In der 59. sensen sie einen der Unseren um – kein Pfiff und fast eine Bielefelder Chance. Und schon wieder greifen sie an – Luthe im Nachfassen, aufatmen! Früher hätte der Gegner jetzt möglicherweise geführt. Nicht nur Fürth fällt mir da ein – überhaupt fühle ich mich immer stärker in Zweitligazeiten zurückgebeamt.
Kampf, Kampf, nochmals Kampf, Schönspielen läuft woanders. Na und? Nur rein soll der verdammte Ball endlich – und zwar ins gegnerische Tor! Die Partie quält sich dahin, schon sind wir in der 83. Minute. Gelb für Union wegen hinfallendem Arminen. Das Spiel dürften gutmeinende Kommentatoren bestenfalls als „durchwachsen“ beschreiben, der eingewechselte Genki schickt den Ball übers Gebälk – endlich mal wieder ein Hauch Torchance. Und gleich nochmal: Becker über links, passt in den Strafraum.
Ich will schon entnervt aufstöhnen, da gewahre ich: Behrens kommt tatsächlich irgendwie dran, dreht sich – und nagelt das Ding tatsächlich voll hinein in die Maschen! Die Biere fliegen, schreiend liegen wir uns in den Armen – ja verdammt: „Tor – Für den 1. FC Union Berlin!“ Das Geduldsspiel ist geknackt! Gleich nochmal den Ball an die Querlatte, dann kommt Bielefeld, Andi Luthe auf dem Posten! Früher hätten wir dieses Spiel nicht gewonnen – aber jetzt! Gute Besserung für Timo Baumgartl! Eisern heißt dit.
Wer: Laurenz Dehl (23)
Wann:12.12.2024