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Bildquelle: Harleypaul on Tour [], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)
Endlich wieder Heimspiel im Wohnzimmer, und ich las davon, dass Union siegen müsse. Ist das nicht auch schon wieder so ein Negativ-Ding? Ist das nicht geradewegs so, als würden die Tafeln unseres ehrwürdigen Anzeigehäuschens vor Spielbeginn ein 0:1 vermelden, und kann das helfen? So manchem sicher, aber unserer letztens schon wieder so derart verunsicherten Mannschaft? Um mir hier keine vorschnelle pessimistische Antwort zu geben, rief ich mich lieber die lachenden Gesichter unserer Jungs beim Training ins Gedächtnis.
Abstiegskampf AdAF, auch der geht nur mit dem Schuss Leichtigkeit, der den Funken überspringen lässt und deinen Angriff mit dem erlösenden Tor krönt. Mein Weg führte mich zunächst zu einer ordentlichen Schale Kesselgulasch von Koch Mirko ins Deftig – und hernach zum Barkas. Dort fing mich Torhüter-Gott Marcus ab, um mich zum Glühwein einzuladen. Unser Gespräch übers Leben, den Fußball und die Literatur war gewürzt vom wärmenden Getränk, welches zumindest mir den so wichtigen Schuss Leichtigkeit verpasste.
Hinauf, hinunter – und mitten rein in den Block über der Mittellinie zu Nordlicht Jürgen, Il Generale Alfons, dem Mucho, Torsten, Wolfgag Steini und den anderen. Wo sind Jo und Helmut – zumindest letzterer kommt ja eh immer erst aufn letzten Drücker. Wir begrüßen einander, die Mannschaft, zwei Fußballgötter in den Reihen der gegnerischen Na-Unds – wie schön ist es, hier sein zweites Zuhause zu haben.
Torsten steht zum Glück zu weit weg, als dass ich ihn fragen könnte, ob er sich fußballerisch an die Zeit unmittelbar vorm ersten Weihnachtssingen erinnert fühlt, welches er lostrat, nachdem er seinen Freunden im Stadion aus Frust kein frohes Fest samt jutem Rutsch gewünscht hatte. Nun, ein Heimspiel unter der Woche gibt’s dieses Jahr ja noch, aber konzentrieren wir uns lieber aufs Hier und Jetzt.
Gladbach setzte ein Zeichen des Friedens. Sie gewinnen die Platzwahl, lassen die Unseren dennoch richtigherum spielen. Und Union stürmte hinaus, wie es im Stadiongesang heißt. Derart, dass Gladbach sich gleich mal eine Gelbe abholt und der Ball alsbald in deren Netz zappelte. „Das war doch niemals Abseits!“, schreie ich Jürgen zu. Der Mann aus dem Norden antwortet mit einem von breitestem Grienen begleiteten Nicken, zumindest bei uns ist die Leichtigkeit zurück.
Bei mir dank Marcus‘ drei Glühwein, gefolgt von einem Literbecher Gestensaft aus Jos Händen. Wie war das, Bier auf Wein, das muss (manchmal) sein? Allerdings bestand bislang so gar kein Grund dafür, sich das Spiel unserer Mannschaft schönzutrinken. Hollerbach und Volland in der Startformation – der Chefcoach war ja beim Training zugegen und muss es wissen. Moment mal, war das nicht Hand? Oho, der Schiri sah es ebenfalls so. Hat er gerade Köln am Ohr? Jürgen hat Recht, die Anzeigetafel zeigt das unschöne VAR-Bild, welches alsbald vermeldet: Strafstoß!
Wunderbar, aber welcher der Jungs hat jetzt die Nerven dazu? Volland marschiert zum Punkt, offenbar wurde auch dieses Thema besprochen. Kevin tritt an, schießt und versenkt das Ding, als wärs das Normalste auf der Welt. Endlich mal wieder jubeln, abklatschen – Jo, Helmut und ich halten tunlichst unsere Bierhumpen zu. „Auf geht’s Union, Kämpfen und Siegen!“, schallt es von den Rängen. Jura holt sich eine Gelbe ab, na und? „Wo du auch spielst, ja wir folgen dir!“
Gladbach geht wieder in Führung, was kartenpflichtige Verwarnungen angeht und Jürgen mahnt: „Wir sollten beizeiten das zweite Tor schießen.“ Ich Profi-Pessimist bin da voll bei ihm, doch schon stimme ich voller Freude mit ein ins: „FC Union Berlin, wir woll‘n Dich siegen sehn, an jedem Ort, und auch zu jeder Zeit! Denn wenn die Kurve singt und dieses Lied erklingt, ja dann ist klar: Union ist wieder da!“
Wie ewig haben wir das nicht mehr angestimmt – und wie mehrfach wahr sind die Zeilen jenes Gesangs! Union ist wirklich wieder da – mit einer Mannschaft, die auch bei dieser knappen Führung keinen Fatz bereit zu sein scheint, das Ding hier aus der Hand zu geben. Aber auch dieses Spiel wartete ja mit zwei Halbzeiten auf … und dass der zweite Abschnitt völlig ohne meine Notizen auskam, hatte einen einzigen glücklichen Grund.
Nein, es waren weder Marcus‘ Glühwein noch Jos Bier, wobei diese dem Ganzen einen wahrhaft festlichen Rahmen verliehen. Es war Union auf Platz und Rängen – und bereits wenige Minuten nach der Pause war es eben jener Benedict Hollerbach, der des Gegners Tornetz wie uns alle zum Tanzen brachte. Hut ab, Junge, hast jut jemacht! Bald drauf darf er sich seinen Applaus abholen und mit dem aufs Feld stürmenden András Schäfer abklatschen. Vor Beginn hatten wir jede Gegengeraden-Annäherung des wirbelnden Ungarn mit frenetischem Szenenapplaus bedacht, von András mit breitem Grienen erwidert.
Union machte weiter, und erhöhte schließlich gar auf 3:0 – diesmal durch den gerade eingewechselten und bislang eher blassen Mikkel Kaufmann, drehten die jetzt Vollands durch? Letzterer war bereits durch Aaronson ersetzt worden und Gladbachs Plea verkürzte kurz darauf auf 3:1. So schade es auch war, dass da nun auch beim Gegner keine Null mehr stand, dieses Spiel gaben unsere Mannen nicht mehr aus der Hand. Beseelt wie lange nicht mehr, sang ich unser Mantra.
Endlich mal wieder Iron Henning nach Abpfiff und Ehrenrunde der Mannschaft. Ich schwebte die Treppen herunter, ohne irgendwo aufzuschlagen. Was für eine Wohltat war dieses Spiel unserer Mannschaft, was für eine herrliche Weihnachtsfeier im Freien – und danke auch an Jo und Marcus! Letzterer wies mich anderntags darauf hin: „Glühwein hat geholfen … 3 Stück, 3 Punkte …“ und drei Tore, ergänze ich nicht ohne Liebe. Ja verdammt, Union ist wieder da, bleiben wir gemeinsam am Ball, Dienstag geht’s weiter, Eisern heißt dit!
Wer: Martin Krüger (45)
Wann:26.11.2024